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DocMorris – eine Expansion und ihre Folgen (Analyse)

STUTTGART (tmb). Die niederländische Versandapotheke DocMorris setzt klar auf eine Expansionsstrategie. Nach der Legalisierung des Arzneimittelversandhandels in Deutschland ist das Unternehmen starkem Wettbewerb ausgesetzt. Um weiteres Wachstum zu generieren, sind daher neue Konzepte gefragt. Doch welche Konsequenzen kann ein solcher kompromissloser Wachstumskurs für das Unternehmen selbst und sein Umfeld haben? Und welche Rolle können dabei Finanzinvestoren als Geldgeber spielen?

Bei seinen Expansionsplänen schreckt das Unternehmen auch nicht davor zurück, trotz des bestehenden Fremdbesitzverbotes eine Apotheke in Deutschland betreiben zu wollen. Auch nach der Schließung der Apotheke aufgrund der jüngsten Verwaltungsgerichtsurteile gab sich DocMorris-Chef Däinghaus zunächst siegessicher für spätere Instanzen. Dies wirft die Frage auf, warum ein Unternehmen ein solches juristisches Wagnis eingeht. Allein die von den Medien stilisierte Robin-Hood-Mentalität dürfte einen so riskanten Umgang mit dem Kapital des Unternehmens kaum rechtfertigen.

Wachstum um jeden Preis Ein möglicher Hintergrund für die Strategie des niederländischen Unternehmens könnte in seiner Kapitalstruktur liegen. Die Firma Hg Capital erwarb im Jahr 2004 fast die Hälfte (46 Prozent) der Anteile von DocMorris, wie der Finanzinvestor mit Sitz in London auf seiner Internetseite schreibt. Zuvor hatte der bisherige Eigner 3i Capital die Beteiligung abgegeben.

Das Geschäft solcher Finanzinvestoren besteht üblicherweise darin, chancenreiche oder unterbewertete Unternehmen zu kaufen und sie meist wenige Jahre später möglichst mit Gewinn zu verkaufen, wenn sich die Chancen erfüllt haben oder sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens verbessert hat. Langfristige strategische Interessen sind eher die Ausnahme. Im Portfolio der Hg Capital befinden sich nach den Angaben auf ihrer Homepage unter insgesamt 29 Beteiligungen derzeit nur noch sechs Positionen aus der Zeit vor 2000. Wie lange die Londoner an der Beteiligung bei DocMorris interessiert sind, kann daher nur spekuliert werden.

Schulden statt Eigenkapital Gerade in jüngster Zeit erscheint aber ein anderer Aspekt der Geschäftspraxis mancher Finanzinvestoren zunehmend problematisch. Wie die "Welt am Sonntag" vom 20. August berichtete, finanzieren diese Unternehmen immer größere Teile ihrer Beteiligungskäufe nicht durch Eigenkapital, sondern durch Verschuldung. Dieses Fremdkapital werde vielfach den übernommenen Beteiligungen in die Bilanzen geschrieben und erscheine damit nicht bei der Muttergesellschaft. Nach einer Untersuchung der Ratingagentur Standard & Poor`s habe der durchschnittliche Eigenkapitalanteil solcher Transaktionen von knapp 39 Prozent 2004 auf gut 31 Prozent im Jahr 2005 abgenommen, in Deutschland sei er mit 28,1 Prozent besonders niedrig gewesen. Mit der Bilanzierung des Fremdkapitals übernehmen die erworbenen Unternehmen das Bonitätsrisiko. Solange die Geschäfte gut laufen, ist dies kein Problem, aber ein hoher Verschuldungsgrad macht stets anfällig. So könnten auch kleinere Schwankungen im Geschäftsverlauf leicht zu ernsten Schwierigkeiten, im Extremfall zur Zahlungsunfähigkeit führen. Dass dies keine bloß theoretische Sorge ist, machte jüngst Siegfried Jaschinski, Vorstandschef der Landesbank Baden-Württemberg, deutlich. Wie die "Stuttgarter Zeitung" am 12. September meldete, betrachtet er den Trend zu immer höherer Verschuldung als brisant. Wenn sich die Geschäftsentwicklung eintrübe und gleichzeitig die Zinsen stiegen, stehe ein Unternehmen mit hoher Schuldenlast schnell vor dem Aus. Dabei differenziert er zwischen verschiedenen Finanzinvestoren und macht deutlich, dass Unternehmen für ihre langfristige Entwicklung einen stabilen und nachhaltigen Eigentümerkreis bräuchten.

Inwieweit diese Problematik auf die Beziehung zwischen DocMorris und seinem Anteilseigner Hg Capital zutrifft, lässt sich nicht feststellen, solange die niederländische Internetapotheke keine Bilanzen vorlegt. Einen Eindruck von der Vorgehensweise des Finanzinvestors kann aber die Traditionsfirma Hirschmann mit Sitz in Neckartenzlingen geben, die durch den Bau von Autoantennen bekannt ist. Auch dieses Unternehmen gehört zum Portfolio der Hg Capital und soll demnächst verkauft werden, wie die "Stuttgarter Zeitung" am 19. September berichtete. Hirschmann-Geschäftsführer Reinhard Sitzmann habe sich demnach lobend über das Arbeitsverhältnis zu Hg Capital geäußert. Der Finanzinvestor habe nie in das Geschäft hereingeredet und einmal im Monat Berichte eingefordert. Eine Dividende aus dem laufenden Geschäft habe der Investor nicht verlangt, dafür sei aber ein großer Teil des Kaufpreises bei Hirschmann als Fremdkapital in die Bücher genommen worden. Inzwischen sei die Verschuldung weitgehend abbezahlt. Angesichts der guten Geschäftsentwicklung des Unternehmens in der jüngeren Zeit kann dies nicht verwundern.

Doch mit Blick auf DocMorris wirft dies die Frage auf, wie es wohl um die Verschuldung eines Unternehmens steht, das durch margenzehrende Zuzahlungsverzichte und mühsame Rechtsstreitigkeiten auffällt.

Apothekenrechtliche Folgen Diese Frage erscheint auch aus der apothekenrechtlichen Perspektive beachtenswert. Denn das Fremdbesitzverbot und die Verpflichtung, Apotheken nur in einer Rechtsform mit unbeschränkter persönlicher Haftung zu betreiben, zielen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Die apothekenrechtliche Haftung des Apothekenbetreibers soll nicht durch eine gesellschaftsrechtliche Haftungsbeschränkung ausgehebelt werden. Auch dies stellt einen Baustein des Verbraucherschutzes im Apothekenrecht dar. So haften Apotheker mit ihrem gesamten Privatvermögen, bei Kapitalgesellschaften stünde dafür nur das oft eher bescheidene Grundkapital zur Verfügung.

Die Aufsichtsbehörden prüfen die Finanzierungsbedingungen bei der Erteilung von Apothekenbetriebserlaubnissen sehr detailliert. Damit soll geklärt werden, ob die Apothekenleiter tatsächlich die wirtschaftliche Verantwortung tragen. So ist von geradezu peinlich genauen Prüfungen die Rede, bei denen auch gängige Konditionen der Kreditgewährung durch etablierte Banken umfassend hinterfragt würden, obwohl diese seit langer Zeit bekannt und bewährt sind. Vor diesem Hintergrund wäre bei den schwer durchschaubaren Rechts- und Finanzierungsbedingungen einer international agierenden Kapitalgesellschaft eine erheblich umfassendere Prüfung erforderlich. So ist aus apothekenrechtlicher Sicht zu hoffen, dass die zuständige Behörde bei der Erteilung der Betriebserlaubnis an DocMorris die finanzielle Leistungsfähigkeit des Antragstellers eingehend geprüft hat.

Die niederländische Versandapotheke DocMorris setzt klar auf eine Expansionsstrategie. Nach der Legalisierung des Arzneimittelversandhandels in Deutschland ist das Unternehmen starkem Wettbewerb ausgesetzt. Um weiteres Wachstum zu generieren, sind daher neue Konzepte gefragt. Doch welche Konsequenzen kann ein solcher kompromissloser Wachstumskurs für das Unternehmen selbst und sein Umfeld haben? Und welche Rolle können dabei Finanzinvestoren als Geldgeber spielen? Unser Beitrag analysiert die Zusammenhänge zwischen DocMorris, den Geldgebern und möglichen Expansionsplänen.

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