Hersteller wollen sich gegen neue Festbeträge wehren

BERLIN (ral). Die gesundheitspolitischen Entwicklungen, aktuell das Arzneimittelverordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG), wirken sich auf alle Beteiligten im Gesundheitswesen aus. Die Folgen aus Sicht der forschenden Pharmaindustrie beschrieb Bettina Brennecke, Leiterin Gesundheitspolitik bei GlaxoSmithKline, auf der 14. Gehe Apotheker-Informationstagung am 9. Mai in Berlin.

Das größte Problem für die Pharmaindustrie sind Brennecke zufolge die im AVWG verankerten Änderungen bei den Festbeträgen, die zum 1. Juli 2006 wirksam werden. Festbeträge der Stufen 2 (Arzneimittel mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen) und 3 (Arzneimittel mit therapeutisch vergleichbarer Wirkung) werden demnach abgesenkt: Der Festbetrag für alle Festbetragsgruppen darf dann den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem niedrigsten und höchsten Preis einer Standardpackung nicht mehr übersteigen. Voraussetzung ist, dass mindestens ein Fünftel der Verordnungen und der Packungen sowie mindestens zwei vergleichbare Wirkstoffe zum Festbetrag verfügbar sind.

Preisverfall von 70 Prozent

Brennecke machte anhand von zwei konkreten Beispielen deutlich, was diese Regelung für ihr Unternehmen bedeutet. Als erstes Beispiel nannte sie Flutide Diskus (Fluticason). Der EU-Durchschnittsabgabepreis für dieses inhalative Steroid aus der Festbetragsstufe 2 liegt bei 20,16 Euro (250 mcg, 60 ED). Der deutsche Abgabepreis liegt mit 15 Euro bereits heute 26 Prozent darunter. Durch die im AVWG geforderte weitergehende Festbetragsabsenkung zum 1. Juli würde sich diese Differenz jedoch um weitere 26 Prozent auf 54 Prozent vergrößern. Deutschland hätte damit zusammen mit Ungarn den mit Abstand niedrigsten Herstellerabgabepreis für Flutide Diskus in ganz Europa.

Als zweites Beispiel nannte Brennecke Seroxat (Paroxetin). Derzeit liegt der Preis für das Antidepressivum der Festbetragsstufe 3 in Deutschland noch 15 Prozent über dem EU-Durchschnitt von 0,6 Euro pro Tablette. Durch die Absenkung zum 1. Juli würde jedoch ein Preis von -54 Prozent unter dem EU-Durchschnitt resultieren, das entspricht einem Preisverfall von rund 70% innerhalb eines halben Jahres.

"Da machen wir nicht mit"

"Auch wenn wir als Unternehmen derartige Preisrückgänge finanziell vielleicht sogar noch verkraften könnten, dürfen wir uns aus strategischer Sicht und als international agierender Konzern hierauf nicht einlassen", meinte Brennecke. Sie geht davon aus, dass GlaxoSmithKline die Abgabepreise bei zumindest einen Teil seiner Produkte nicht auf das neue Festbetragsniveau absenken wird. Ähnliches erwartet sie von anderen forschenden Arzneimittelunternehmen, deren Signal sich wiederum auf die Preisgestaltung der Generikaunternehmen auswirken werde.

Unklar sei auch, wie viele Unternehmen in Rabattverhandlungen mit Krankenkassen treten werden. Einige Firmen hätten bereits signalisiert, Rabattverhandlungen als Ausweg aus der Festbetragsabsenkung nutzen zu wollen, noch ist jedoch offen, wie viele derartige Verträge tatsächlich zustande kommen. Insgesamt, so Brenneckes Prognose, wird es deutlich mehr Arzneimittel geben, bei denen der Patient nach dem 1. Juli zusätzlich zur Zuzahlung eine Aufzahlung leisten oder, wenn er dazu nicht bereit ist, auf ein anderes Arzneimittel umgestellt werden muss. "Das wird ein Verordnungschaos geben", warnte sie.

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