Arzneimittel und Therapie

Klinische Studien und das wahre Leben

Randomisierte klinische Studien haben gezeigt, dass durch die Gabe von Statinen nach einem kardiovaskulären Ereignis das Risiko weiterer tödlicher oder nicht-tödlicher Myokardinfarkte signifikant verringert werden kann. Aber wie sieht es mit der Übertragbarkeit dieser Ergebnisse zur Sekundärprävention auf "normale" Patienten in der Grundversorgung aus?

Um diese Frage zu klären, wurde in einer Region Schottlands mit gemischter städtischer und ländlicher Bevölkerung eine prospektive Kohortenstudie durchgeführt. Die Autoren stützten sich dabei auf ein Datenregister mit etwa 400.000 Personen, das unter anderem Angaben zu verordneten Arzneimitteln, zum Zeitraum einer Klinikbehandlung, Mortalitätsdaten, Laborergebnisse und soziodemographische Angaben enthielt. Aus der Gesamtpopulation wurden 4892 Patienten ausgewählt, die sich im Studienzeitraum von 1993 bis 2001 einer Klinikbehandlung wegen eines Myokardinfarkts unterzogen hatten. 2463 von ihnen (50,3%) waren nach ihrem Klinikaufenthalt über einen mittleren Beobachtungszeitraum von 3,7 Jahren mit einem Statin behandelt worden, wobei in 80% der Fälle Simvastatin mit einer mittleren Tagesdosis von 10 mg zum Einsatz kam. Die Vergleichsgruppe bestand aus 2429 Patienten, die nach dem Infarkt kein Statin erhalten hatten. Das Outcome der Studie war zum einen die Gesamtmortalität, zum anderen das Auftreten erneuter kardiovaskulärer Ereignisse, definiert als neuer nicht-tödlicher Myokardinfarkt oder kardiovaskulär bedingter Tod im Beobachtungszeitraum.

Statine reduzierten Gesamtmortalität signifikant

Von den mit einem Statin behandelten Patienten (n = 2463) verstarben 319, in der Vergleichsgruppe (n = 2429) dagegen 1200 Personen. Die altersadjustierte Gesamtmortalität betrug unter einer Statinbehandlung 4,1, ohne diese jedoch 12,7 Todesfälle pro 100 Personenjahre. Damit lag die für mehrere Risikovariablen adjustierte Odds ratio bezüglich der Gesamtmortalität bei 0,69 (95% CI 0,59 –0,80), bezüglich des Wiederauftretens eines kardiovaskulären Ereignisses bei 0,82 (95% CI 0,71 – 0,95). Die Verschreibung von Statinen nahm im Beobachtungszeitraum signifikant zu; 1993 lag sie bei 3,1%, 2001 bereits bei 62,9%.

Wirksamkeit mit der in klinischen Studien vergleichbar

Frauen und ältere Personen (über 65 Jahren) waren in bisherigen randomisierten Studien zur Sekundärprävention mit Statinen meist unterrepräsentiert. In einer Metaanalyse mit 27 bis 2001 durchgeführten entsprechenden Studien lag das mittlere Alter der Patienten bei 59,8 Jahren, der Frauenanteil lediglich bei 16,9%. In der Kohortenstudie dagegen war sowohl der Anteil älterer (mittleres Alter 67,8 Jahre) als auch der Anteil weiblicher Patienten (39,6%) deutlich höher. Dennoch profitierten auch diese Patienten in vergleichbarem Ausmaß von der Statin-Behandlung. Die Risikoreduktion bezüglich der Gesamtmortalität betrug 31% (95% CI 20 – 41 %), in der Metaanalyse hatte sie bei 21% (95% CI 15 –27%) gelegen. Eine Übertragbarkeit der Ergebnisse aus klinischen Studien zur Sekundärprävention mit Statinen auf Patientenkollektive in der Grundversorgung erscheint damit möglich.

Grenzen der Studie

Obwohl die Autoren der Studie so weit wie möglich Risikoadjustierungen durchgeführt hatten, konnten einige Störfaktoren nicht eliminiert bzw. relevante Informationen teilweise nicht beschafft werden. So lagen beispielsweise keine Daten zum Rauchverhalten, zum Anteil adipöser Patienten und zur körperlichen Aktivität der Studienteilnehmer vor. Außerdem konnte nicht festgestellt werden, ob die Patienten die laut Datenregister verordneten Arzneimittel auch tatsächlich eingenommen hatten, da Compliance-Daten ebenfalls nicht verfügbar waren.

Dr. Claudia Bruhn, Berlin

Quelle
Wei, L., et al.: Statin use in the secondary prevention of coronary heart disease in pri- mary care: cohort study and comparison of inclusion and outcome with patients in ran- domised trials. Brit. Med. J. 330, 821 – 824 (2005).

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