Die Seite 3

Weiter rationalisieren und Rabatte abschöpfen!

Unter dem Titel "Koordination und Qualität im Gesundheitswesen" haben sieben gescheite Professoren aus den Bereichen Volkswirtschaft, Medizin, Sozialpolitik, Gesundheitsökonomie und Sozialforschung, unter ihnen unser Kollege Glaeske, unser Gesundheitssystem unter die Lupe genommen. Über 760 Seiten dick ist das aktuelle Gutachten des "Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen" geworden, ein Gremium, das seinen Auftrag aus § 142 des SBG V ableitet. Alle zwei Jahre, so heißt es da, soll ein solches Gutachten erstellt und dem Bundesgesundheitsministerium zugeleitet werden. Von dort wandert es dann an die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes. Sein Einfluss auf die zukünftige Gesetzgebung sollte daher nicht unterschätzt werden. Jetzt liegt es erstmalig vor.

Ein erster Blick auf das Kapitel, das sich mit der Arzneimittelversorgung befasst, zeigt, was Sache ist: "Die Arzneimittelversorgung in Deutschland erreicht in der Regel alle Menschen, die ihrer bedürfen, und erfolgt hinsichtlich Innovationsgrad und wissenschaftlicher Fundierung auf hohem Niveau." Trotz Über-, Unter- und Fehlversorgung hat sich die medikamentöse Versorgung nachweisbar gebessert, beispielsweise die geringere Verordnung umstrittener Arzneimittel.

Deutschland liegt beim Verordnungsspektrum und den dafür aufgewendeten finanziellen Mitteln verglichen mit anderen Nationen im Mittelfeld. Liest sich gut, aber: In bestimmten Bereichen kann man noch weiter sparen, wenn man den Ärzten Auflagen zum Sparen macht, glauben die Gutachter. Immerhin sind sie so realistisch, dass sie einsehen, nicht alle Einsparpotenziale ausschöpfen zu können, da es zu viele Einflussfaktoren gibt.

Sie konzentrieren sich daher auf leicht zugängliche Maßnahmen, nämlich: das Ausschöpfen von Rationalisierungspotenzialen. Solche Potenziale sehen sie in den Bereichen der Verordnung umstrittener Arzneimittel, generikafähiger Wirkstoffe und von Analogpräparaten. "Durch den Ablauf von Patenten ergeben sich mit der Verordnung von Generika immer neue Rationalisierungsmöglichkeiten" – wir werden also in Zukunft mit immer mehr Generika rechnen müssen. Die Gutachter beklagen jedoch, dass statt eines Preiswettbewerbs unter den Generika ein intensiver Rabattwettbewerb stattfindet, der nicht den Kassen und Patienten, sondern den Apotheken zu Gute kommt.

Meine Vermutung: Wir müssen in naher Zukunft mit Maßnahmen rechnen, die die Rabatte an den Apotheken vorbei leiten. Konkret empfehlen die Gutachter die zwischen Herstellern und Kassen möglichen Vertragsverhandlungen, um die Rabatte abzuschöpfen. Der Apotheker soll bei einer Wirkstoffverordnung durch den Arzt ein Präparat entsprechend den Vorgaben der Kasse des jeweiligen Versicherten auswählen. Gemäß den Rezeptabrechnungen erfolgt dann eine Rückvergütung der vereinbarten Rabatte von den Herstellern an die Kassen.

Der Apotheker ist dann nicht mehr Ziel der Herstellerrabatte, die Hersteller sparen Kosten für Pharmareferenten, Ärztemuster und Werbung – die eingesparten Vertriebskosten führen zu Preissenkungen und kommen vornehmlich den Patienten zu Gute – so einfach ist das, sagen die Gutachter. Und letztendlich können solche Verhandlungen auch die Aut-idem-Regelung ersetzen, die nach Ansicht der Gutachter die Erwartungen nicht erfüllt hat.

Die Gutachter gehen sogar noch weiter und schlagen Verhandlungen zwischen Apotheken, Apothekergruppen und Kassen vor, "die entsprechende Rabatte zu Gunsten der Kassen – beispielsweise bei Versandapotheken – beinhalten". Auch "Apothekenverbünde" (gemeint sind wohl Kooperationen) können mit Herstellern Rabattverhandlungen aufnehmen und Vorteile im Rahmen eines Hausapothekenvertrags an die Kassen weitergeben. Bei allen Verträgen und Rabattverhandlungen: Immerhin halten die Gutachter am Funktionieren der Distributionskette über die Apotheken fest, alle von den Kassen verhandelten und eingekauften Arzneimittel müssen über eine Apotheke ausgegeben werden – wobei das allerdings auch eine Versandapotheke sein kann.

Was sonst noch beim ersten Durchblättern des Gutachtens auffiel: Die vierte Hürde bei der Zulassung von Arzneimitteln wird favorisiert. Das heißt, die Erstattungsfähigkeit eines Arzneimittels wird an den Nachweis einer günstigen Kosten-Nutzen-Relation geknüpft. Die vierte Hürde könnte dann auch die Einführung einer Positivliste (sie geistert immer noch durch das Gutachten) überflüssig machen, so die Gutachter.

Nicht neu liest sich der Vorschlag in Sachen Arzneizuzahlung: Hier sprechen sich die Gutachter für eine prozentuale Beteiligung von 10% des Abgabepreises aus mit einer Obergrenze von 10 Euro – auf Patientenseite würde der Anreiz zur Verordnung eines kostengünstigen Präparates gestärkt.

Bei allem Hin und Her: Das Gutachtergremium ist sich einig, den Grundsatz "mit und nicht an Arzneimitteln sparen" zu stärken. Immerhin.

Peter Ditzel

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.