Arzneimittel und Therapie

Weniger Grippetote durch Impfung

Der Nutzen einer Grippeschutzimpfung wird allgemein akzeptiert. Wie groß ist der Nutzen aber tatsächlich und kann die Impfung auch Todesfälle verhindern? Mit diesen Fragen befasste sich eine englische Kohortenstudie.

Die Wirksamkeit einer Grippeschutzimpfung liegt einer 1994 veröffentlichten, randomisierten, plazebokontrollierten und doppelblinden Studie zufolge bei knapp 60%. Dieses Ergebnis spiegelt die immunologische Antwort des Organismus auf die Impfung wider. Sie gibt keine Auskunft darüber, ob durch die Impfung tatsächlich weniger Menschen an Grippe sterben. Mit dieser Frage befasst sich eine zehn Jahre später durchgeführte Untersuchung, in der als primärer Studienendpunkt die Mortalität an Grippe vorgegeben war.

Studienkonzeption

Beobachtungsstudien, in denen die Mortalitätsraten geimpfter und ungeimpfter Patienten direkt miteinander verglichen werden, weisen keinen hohen Evidenzgrad auf, da viele Faktoren unberücksichtigt bleiben (z.B. der Gesundheitszustand der Probanden, die tatsächliche Todesursache, Erkrankung an nicht viralen Infektionen etc.). Daher untersucht die vorliegende Studie die Mortalitätsraten geimpfter und ungeimpfter älterer Personen in Abhängigkeit eines so genannten Influenza-Index. Für die Untersuchung lagen die Daten von 24.535 über 75-jährigen Patienten vor, die an 73 Allgemeinarztpraxen in England in Behandlung waren. Zahlen zu Art und Ausmaß der aktuellen Grippeviren wurden engmaschig vom UK Public Health Laboratory Service bereitgestellt und in einem Influenza-Index erfasst.

Weniger Todesfälle durch Impfung

Die tägliche Mortalitätsrate ungeimpfter Patienten ging mit der Höhe des Influenza-Index einher (Mortalitäts-Ratio 1,16; 95%iges Konfidenzintervall 1,04 – 1,29). So waren während ausgesprochenen Grippeperioden 13,4% (ungeimpfte Patienten) bzw. nur 2,2% (geimpfte Patienten) aller Todesfälle auf eine Influenza zurückzuführen. Die Beziehung zeigte sich am deutlichsten bei Tod aufgrund respiratorischer Ereignisse (ungeimpft 23,9%, geimpft 5,1%), war aber auch bei Exitus durch kardiovaskuläre Erkrankungen (ungeimpft 16,3 vs. 3,2% geimpft) vorhanden.

Die Mortalitätsrate geimpfter Patienten zeigte hingegen keinen Zusammenhang mit dem Influenza-Index. Diese Ergebnisse zeigen, dass durch eine Grippeimpfung die Mortalitätsrate tatsächlich gesenkt werden kann. Der spezielle Studienaufbau schließt Zufallsergebnisse und Fehlinterpretationen aus.

Grippeschutzimpfung

Was war bekannt?

  • In randomisierten Studien konnte die Effektivität einer Grippeschutzimpfung nachgewiesen werden; ihr direkter Einfluss auf die Mortalitätsrate wurde bislang noch nicht gezeigt.
  • Beobachtungsstudien weisen auf eine reduzierte Mortalitätsrate nach einer Grippeimpfung hin; der Aufbau dieser Studien lässt allerdings keine eindeutigen Aussagen zu.

Was ist neu?

  • In Zeiten hoher Grippeinzidenz ist die Mortalitätsrate ungeimpfter Personen deutlich höher als diejenige geimpfter Probanden.
  • Durch die Grippeimpfung kann die Mortalitätsrate gesenkt werden.

Neuraminidase-Inhibitoren in der Prophylaxe

Eine englische Richtlinie sieht vor, dass Heimbewohner bereits beim Auftreten grippeähnlicher Erkrankungen in ihrer näheren Umgebung den Neuraminidase-Inhibitor Oseltamivir (Tamiflu®) prophylaktisch einnehmen sollen. In einer deskriptiven Studie wurde ermittelt, was die Umsetzung dieser Richtlinie in der Praxis bedeutet und mit welchen Kosten sie verbunden ist. Da diese Richtlinien relativ eng gefasst sind, müssten während der Grippezeit von rund 500.000 Heimbewohnern in England mindestens 360.000 eine Oseltamivir-Prophylaxe erhalten. Eine siebentägige Therapie mit Oseltamivir kostet pro Person in England 19,30 Euro. Kritiker dieser Richtlinie schlagen daher vor, selektivere und kostengünstigere Strategien zur Grippevorbeugung in Heimen zu entwerfen.

Quelle Harling, R., et al.: Implications of the incidence of influenza-like illness in nursing homes for influenza chemoprophylaxis: descriptive study. Brit. Med. J. 329, 663–664 (2004).

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