Arzneimittel und Therapie

Schwermetalle: Bleivergiftung durch ayurvedische Mittel

Seit mehr als 5000 Jahren wird Ayurveda in Indien praktiziert. Die "sanfte Heilweise für vollkommene Gesundheit und Wohlbefinden" ist damit eine der ältesten ganzheitlichen Heilmethoden unserer Erde. Allerdings wird infolge der wachsenden Beliebtheit exotischer, esoterischer Denkweisen auch über eine Zunahme der Bleivergiftungen durch ayurvedische Präparate berichtet, die oft von Reisen mitgebracht werden und deren Zusammensetzung nicht immer nachvollziehbar ist. Eine Kontrolle der Firmen, die ayurvedische Präparate in den Handel bringen, ist notwendig, aber auch Aufklärung vor der unkontrollierten Anwendung ayurvedischer Mittel.

Unter Ayurveda versteht man eine mystizistische altindische Naturanschauung, die ähnlich wie die griechische Naturphilosophie auf der Vorstellung von einigen Grundelementen, nämlich Feuer, Erde, Wasser, Luft und Raum, aufbaut, denen man drei mystische Kräfte "Vata", "Pitta" und "Kapha" zuordnet. Diese imaginären Komponenten sollen alle Lebensfunktionen steuern und somit auch für Gesundheit und Krankheit zuständig sein. Auf diesem fiktiven Weltbild basiert auch die ayurvedische Medizin.

Extremer Bleigehalt in ayurvedischen Präparaten

Die Realität kann leider ganz anders aussehen. Hierzu berichteten jüngst Weide u. a. über eine Patientin mit chronischer Bleivergiftung durch die Einnahme von ayurvedischer Medizin, die sie von einer Indienreise mitgebracht hatte. Die Patientin kam in schwerkrankem, schier hilflosem Zustand zur klinischen Aufnahme. Sie klagte über eine rasch abnehmende körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, Muskelschwäche, Appetitlosigkeit, Gliederschmerzen und Schlafstörungen.

Klinisch stellte man eine ausgeprägte Verminderung der roten Blutkörper und des Blutfarbstoffes sowie Veränderungen im Blutbild fest. Der Bleigehalt im Blut lag mit 880 µg/l extrem hoch. Erst nach eingehender Befragung stellte es sich heraus, dass die Patientin über längere Zeit verschiedene ayurvedische Präparate eingenommen hatte, mit zum Teil geradezu grotesken Bleigehalten, wie 37 mg Blei pro Pille. Insgesamt hatte die Patientin auf diese Weise ca. 20 g Blei verkonsumiert. Nach intensiver Therapie hatte sich nach vier Monaten das Befinden der Kranken so weit gebessert, dass sie wieder arbeitsfähig war. Die Blutbleikonzentration lag jedoch nach 19 Monaten immer noch auf dem hohen Wert von 320 µg/l.

Leider ist dies kein Einzelfall. 1999 berichteten Spriewald u. a. aus Erlangen über einen ähnlichen Vergiftungsfall, ebenso wie van Vorderen aus den Niederlanden. In Australien behandelte Dunbabin unter anderem einen Vergiftungsfall durch Ayurveda-Tabletten aus pflanzlichem Material mit einem Bleigehalt von 79,3 mg und 55,9 mg/Tablette.

Ebenfalls durch ein ayurvedisches Pflanzenpräparat, das 49% Blei enthielt, hatte sich ein Patient von Smitherman vergiftet, und schließlich berichteten Hugh Pontifex über die Bleivergiftung bei zwei Patienten, die längere Zeit einen bleihaltigen indischen Tee tranken und so ca. 40 mg Blei/Tag zu sich nahmen.

Rezepturen sind oft überlieferte Familiengeheimnisse

Nach den ayurvedischen Thesen werden dem Blei zahlreiche Wirkungen zugesprochen. So soll es generell stimulierend wirken, die Spermiogenese anregen, heilend auf den Diabetes und seine Begleiterkrankungen wirken, den Stoffwechsel insgesamt anregen, Hauterkrankungen – ja sogar Lepra günstig beeinflussen, gegen Auszehrung und Fieber helfen sowie als Aphrodisiakum dienen können.

Nach Schrott sollen zwar die von der Firma "Maharashi Ayurveda" hergestellten Mittel, die von der Deutschen Gesellschaft für Ayurveda empfohlen werden, geprüftermaßen gar keine Schwermetalle enthalten. Trotzdem rechnen die meisten Autoren, infolge der wachsenden Beliebtheit exotischer, esoterischer Denkweisen, mit einer Zunahme der Bleivergiftungen durch ayurvedische Präparate.

Indischen Präparaten werden öfter auch Quecksilber, Arsen, Kupfer, Zink, Eisen, Zinn, Silber und Gold beigemischt. Die Menge der zugefügten Metalle scheint dabei im Ermessen des jeweiligen Herstellers zu liegen. Eine generelle Überprüfung der Präparate auf diese Gifte hin wäre überfällig, dürfte allerdings nicht ganz einfach sein, da ihre Rezepturen teilweise auf gut gehüteten, überlieferten Familiengeheimnissen beruhen und die Mittel auf unterschiedlichen Wegen in kaum kontrollierbarer Weise in die Öffentlichkeit gelangen.

Unspezifische Beschwerden

Die geschilderten Befunde stellen vermutlich nur die Spitze des Eisberges dar, denn es werden sicherlich nicht alle behandelten Erkrankungen publiziert werden. Außerdem ist mit einer großen Zahl unerkannter Bleivergiftungen zu rechnen, da Symptome wie Glieder- und Kopfschmerzen; Ataxie, Appetitlosigkeit, Verdauungsstörungen, Gewichtsabnahme, Abgeschlagenheit, Gedächtnisstörungen und Nierenschädigungen doch recht unspezifisch und deshalb vieldeutig sind.

Wie hoch die toxisch wirkende Bleimenge bei peroraler Aufnahme anzusetzen ist, kann man nur schwer exakt festlegen, da die verschiedenen Bleiverbindungen unterschiedlich gut resorbiert werden. 1 bis 2 mg täglich über einige Zeit verabreicht sollen für eine Vergiftung ausreichen, wobei die Aufnahme auch über die Haut erfolgen kann.

Ansonsten sind Recherchen in der Literatur dahingehend unbefriedigend. Dagegen bieten die Blutbleigehalte einen recht guten Anhalt dafür, wann und mit welchen Krankheitssymptomen bei der Bleivergiftung zu rechnen ist, wobei Kinder wesentlich empfindlicher auf Blei reagieren als Erwachsene. Umso mehr ist, um Unheil zu vermeiden, große Aufmerksamkeit gefordert: Aufmerksamkeit bei all jenen, die ayurvedische Präparate in den Handel bringen, denn nicht nur die Kontrolle an sich, auch die Kontrolle der Kontrolleure dürfte gerade hier nicht unbedingt problemlos sein. Aufmerksamkeit ist aber auch von jenen gefordert, die unkontrollierte ayurvedische Mittel zu sich nehmen und daraufhin eigenartige Veränderungen ihres Gesundheitszustandes bemerken.

Nicht minder gefordert sind die Ärzte, die mit den primär unspezifischen Beschwerden konfrontiert werden, die diese Mittel auslösen können. Jedoch nicht nur Aufmerksamkeit, auch Aufklärung sind hier notwendig.

Nachweis einer Bleivergiftung

Um eine Bleiintoxikation nachzuweisen, eignet sich die Bestimmung des Bleigehaltes im Vollblut in Kombination mit der Bestimmung des freien Protoporphyrins im Erythrozyten. Die d-Aminolaevulinsäure-Dehydrataseaktivität ist bei einer Bleiexposition herabgesetzt.

Durch die Messung der Hämoglobinkonzentration und den Nachweis einer basophilen Tüpfelung der Erythrozyten kann das Bild einer Bleivergiftung abgerundet werden. Unter einer basophilen Tüpfelung versteht man das Auftreten punktförmig verteilter basophiler Substanz in roten Blutkörperchen bei gesteigerter Blutregeneration und gestörter Erythropoese.

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