Fallbericht

Bleivergiftung durch ayurvedische Heilmittel

28.08.2023, 11:00 Uhr

Viele Menschen machen gute Erfahrungen mit ayurvedischen Präparaten, im hier erläuterten Fallbeispiel zog sich die Patientin jedoch eine Vergiftung zu. (Foto: Anna / Adobe Stock)

Viele Menschen machen gute Erfahrungen mit ayurvedischen Präparaten, im hier erläuterten Fallbeispiel zog sich die Patientin jedoch eine Vergiftung zu. (Foto: Anna / Adobe Stock)


Das „Canadian Medical Association Journal“ veröffentlichte jüngst den Fallbericht einer 39-jährigen Amerikanerin, die sich durch eine Behandlung mit ayurvedischen Präparaten eine Bleivergiftung zugezogen hatte. Die Symptome und Laborergebnisse ließen die behandelnden Ärzte zunächst eine gastrointestinale Blutung vermuten.

Ayurveda ist eine traditionelle indische Heilkunst. Rasa Shastra bezeichnet dabei die Praktik, pflanzliche Medikamente mit Mineralien, Metallen und Edelsteinen zu kombinieren. Die Erfahrung, dass dies nicht unbedingt heilsam ist, machte eine 39-jährige Amerikanerin am eigenen Leib. 

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Die Frau suchte mehrmals mit Bauchschmerzen, Verstopfung, Übelkeit, Erbrechen und Erschöpfung eine Notaufnahme auf. Ihr Hämoglobinwert lag bei 67 g/l (Normal: 115-155 g/l). Ein Blutausstrich zeigte basophile Tüpfelung der Erythrozyten, leichte Mikrozytose und Hypochromasie. Die Erythrozyten waren also zu klein, unzureichend mit Hämoglobin beladen und nicht ausreichend gereift. 

Suche nach der Ursache

Die behandelnden Ärzte vermuteten zunächst gastrointestinale Blutungen als Ursache, konnten bei weiteren Untersuchungen jedoch keine Anzeichen dafür finden. Bei näherer Befragung gab die Frau an, seit über einem Jahr täglich ayurvedische Pillen eingenommen zu haben, um ihre Unfruchtbarkeit zu behandeln.

Die Blutuntersuchung ergab Bleiwerte von 55 µg/ml, normal sind Werte von unter 2 µg/ml. Klinische Symptome treten ab etwa 40 µg/ml auf. Zu den von Blei beeinflussten Enzymen gehören auch Enzyme des Häm-Synthese-Weges, was die beobachtete Anämie erklären kann. Die Frau stellte übrige Pillen und Duftstoffe für eine Analyse zur Verfügung. Elf von 17 untersuchten Pillen enthielten hohe Bleikonzentrationen. Vier enthielten zudem Quecksilber. 

Eine US-Untersuchung von 2008 hatte bereits gezeigt, dass rund 21 % aller im Internet erworbenen ayurvedischen Mittel (n=193) Schwermetalle enthielten (19,2 % Blei; 4,1 % Quecksilber; 1,6 % Arsen). 

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Die Patientin erhielt für fünf Tage eine Chelattherapie mit Dimercaptobernsteinsäure. Ihre Bleiwerte sanken auf 19,5 µg/ml kurz nach der Therapie und 12,1 µg/ml ein Jahr später. Sechs Monate nach der Therapie lagen ihre Hämoglobinwerte wieder im Normalbereich (119 g/l). Chelatbildner entfernen jedoch nur das Blei aus dem Blut. In Knochen abgelagertes Schwermetall verbleibt dort für Jahrzehnte und kann unter bestimmten Bedingungen wieder freigesetzt werden.

Literatur

Gitelman J et al. Lead toxicity from Ayurvedic medicines. CMAJ. 2023;195(30):E1010-E1012

Saper RB et al. Lead, mercury, and arsenic in US- and Indian-manufactured Ayurvedic medicines sold via the Internet. JAMA. 2008;300(8):915-23


Ulrich Schreiber; B. Sc. Chemie, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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