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Energieversorgung: Kohlekraftwerke ohne Emissionen

Aufgrund neuer Technologie stehen Kohlekraftwerke vor einer Renaissance. Die Optimierung der bestehenden Verfahren und Komponenten und ihre Kombination mit innovativen Verfahren versprechen wesentlich höhere Wirkungsgrade. Das Ziel sind Null-Emissions-Kraftwerke.

Das Feuer zu bändigen und nutzbar zu machen, war eine der grundlegenden kulturellen Leistungen. Vom wärmenden Lagerfeuer zum Großkraftwerk, das Energie für die unzählbaren täglichen Dienste bereitstellt, die das Leben komfortabler machen, hat es ein paar Jahrtausende gedauert. Seit einigen Jahrzehnten jedoch stehen die konventionellen, fossilen Energieträger und die dazugehörenden Kraftwerkstechnologien in der Kritik. Denn mit der Stromproduktion entstehen immer noch zu viele Schadstoffe, und der Nettowirkungsgrad von etwa 40 Prozent gilt als zu niedrig. Wenn wertvolle Rohstoffe einfach verbrannt werden, sollte die ihnen innewohnende Energie auch zum größten Teil in Strom umgesetzt werden. Hinzu kommt neuerdings die Kohlendioxidproblematik. Das inerte, in geringen Konzentrationen ungiftige Gas wird als Verstärker des natürlichen Treibhauseffektes angesehen und deshalb ebenfalls als Schadstoff betrachtet.

40 GW neue Kraftwerksleistung

Da die Erde zwar immer weniger Erdöl, aber mindestens für Jahrhunderte noch Kohle bereitstellen kann, wird seit einiger Zeit wieder massiv in die Entwicklung neuer Technologien investiert, um aus der Kohle einen schadstoffarmen Energieträger zu machen, der mit hohem Wirkungsgrad in umweltfreundlichen, emissionsarmen und dennoch wirtschaftlich arbeitenden Kohlekraftwerken verbrannt werden kann. Demnächst wird der Bedarf an neuen Kraftwerken wieder zunehmen. Denn viele Kohlekraftwerke müssen altersbedingt ersetzt werden, und die Abschaffung der Kernkraft vor dem ursprünglich geplanten Laufzeitenende der Reaktoren begründet einen zusätzlichen Bedarf.

Zwischen 2010 und 2020 müssen allein für Deutschland 40 Gigawatt an neuer Kraftwerksleistung installiert werden. Mit fossilen Brennstoffen befeuerte Anlagen haben aber nur dann eine Chance auf Verwirklichung, wenn sie ökologisch akzeptabel und darüber hinaus auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig sind. Trotz all der Debatten hat die deutsche Kraftwerkstechnologie weltweit den höchsten Standard. Die aktuelle intensive Forschung wird dies auch weiterhin gewährleisten.

Kohlevergasung

Die organischen Bestandteile der Kohle werden bei 800 °C (Braunkohle) bzw. 900 °C (Steinkohle) mit Sauerstoff, Wasserstoff oder Wasserdampf in ein brennbares Gasgemisch, das Synthesegas, umgesetzt.

COORETEC – das Programm für die Zukunft

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat im Februar 2002 gemeinsam mit Stromerzeugern, Verbänden und Universitäten die Initiative COORETEC (CO2-Reduktionstechnologien) zur Entwicklung emissionsarmer, fossil befeuerter Kraftwerke vorgestellt. Die weltweit installierte Leistung aller Kohlekraftwerke liegt bei 1000 Gigawatt, der durchschnittliche Wirkungsgrad bei 30%. Moderne Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke erreichen jedoch einen Nettowirkungsgrad von bis zu 47% bzw. 45%. Entsprächen alle Kohlekraftwerke diesem Standard, ließen sich die CO2-Emissionen weltweit allein durch Effizienzsteigerung um ein Drittel senken.

Bei einer so komplexen Technologie wie der eines Großkraftwerkes gibt es naturgemäß viele Ansatzpunkte zur Optimierung. Erstaunlicher Weise ist der Verbrennungsprozess noch immer Gegenstand intensiver Forschung. Hier schlummert nach Einschätzung der Fachleute noch ein großes Verbesserungspotenzial. Die experimentelle Untersuchung und die mathematische Modellierung der Verbrennungsprozesse, vor allem die sehr unterschiedlichen Zeit-, Längen- und Geschwindigkeitsskalen der beteiligten Vorgänge werden derzeit intensiv erforscht.

Beispielsweise liegen die charakteristischen Geschwindigkeiten laminarer Flammen im Bereich von 50 cm pro Sekunde. Die Schallwellen, die für die Brennkammerschwingung wichtig sind, breiten sich dagegen mit mehreren hundert Metern je Sekunde aus. Während die Flammendicke etwa nur einen Millimeter beträgt, ist die Brennkammer eines großen Kraftwerkes über einhundert Meter lang. Hier kann also noch viel getan werden, um die Verbrennungskinetik zu verbessern. Doch das ist nur eine von vielen Detailaufgaben.
 

Druckkohlenstaubfeuerung

Bei diesem Verfahren wird das heiße Rauchgas so weit gereinigt, dass es einem nachgeschalteten Gas- und Dampfturbinenprozess direkt zugeführt werden kann. Eine erste Pilotanlage mit einer Leistung von 1 MW steht in Dorsten. Unter der Voraussetzung, dass die wesentlichen Entwicklungserfordernisse, vor allem die Entstaubung des heißen Gases, gelöst werden, beträgt der Wirkungsgrad über 50%.

Die ersten Pilotkraftwerke laufen

Die Entwicklung neuer Kraftwerkslinien führt über ein abgestuftes Konzept. Kurz- und mittelfristig muss die Prozesstechnik weiter optimiert werden. Konventionelle Dampfkraftwerke, in denen Wasserdampf über eine Dampfturbine einen Generator zur Stromerzeugung antreibt, kommen bisher nur auf Wirkungsgrade von etwa 40 Prozent. Eine spürbare Erhöhung des Wirkungsgrades auf weit über 50 Prozent erwartet man von Gas- und Dampfturbinenkraftwerken (GUD) mit integrierter Kohlevergasung. Seit 1993 arbeitet in Buggenem, in Holland, ein solches Kraftwerk zu Versuchszwecken, das allerdings erst einen Wirkungsgrad von 43 Prozent erreicht.

Bei einem GUD wird der Dampf- eine Gasturbine vorgeschaltet. Diese kann mit hoch erhitztem Erdgas, aber auch mit dem heißen Gasgemisch betrieben werden, das durch thermische Umsetzung von Kohle mittels Sauerstoff und Wasserdampf entsteht. Die Kohlevergasung ist eine Technik aus den 1930er-Jahren, die seit 30 Jahren wieder stärker erforscht wird. So wurde in Deutschland das vierstufige Prenflo-Verfahren (pressurized entrained flow) entwickelt: In der ersten Stufe werden Rohkohle und Petrolkoks zu gleichen Teilen gemischt. Aus dem Gemisch entsteht unter Zufuhr von Luft und Wasserdampf bei etwa 800 °C ein Rohgas aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Anschließend wird das Schwefeldioxid aus dem Rohgas entfernt und in der vierten Stufe zu hochreinem Schwefel umgesetzt. Das von der Europäischen Union geförderte Kohlevergasungskraftwerk Puertollano in Spanien arbeit nach diesem Verfahren.

In Dorsten steht eine erste Pilotanlage für die Druckkohlenstaubfeuerung. In dieser Entwicklungslinie werden die heißen Rauchgase so stark gereinigt, dass sie direkt in den nachgeschalteten Gas- und Dampfturbinenprozess eingeschleust werden können. Ziel der Forschung ist es, sogar bis zu 1600 °C heiße Rauchgase von Partikeln (Staub), Schwefel, Schwermetallen und Alkalien zu befreien. Hier steckt man jedoch erst in der Grundlagenforschung.
 

Quecksilber

Ein kommendes Thema der Kraftwerkstechnik wird die Abscheidung des Quecksilbers aus dem Abgas sein. Allein die jährliche Emission aller US-amerikanischen Kraftwerke liegt bei 45 Tonnen. Der natürliche Quecksilbergehalt der Kohle liegt zwar unterhalb von 1 ppm, doch die enormen Mengen summieren sich. Elementares Quecksilber ist in der Atmosphäre lange Zeit stabil und wird über weite Strecken transportiert. Unter dem Einfluss von Ozon und Chloriden in der Luft wird es langsam zur ionischen Form oxidiert. Es wird damit wasserlöslich und ausgewaschen.

IGCC ist vielversprechend

Vor allem die Kombination mehrerer Technologien verspricht große Effizienzsteigerungen. In Deutschland entwickelt Siemens federführend ein Allesfresser-Kohlekraftwerk, das praktisch keine Schadstoffe mehr ausstoßen wird. Nach dem Konzept der integrierten Kohlevergasung (IGCC = Integrated Gasification Combined Cycle) lassen sich Mischungen aus Kohle und Biomasse, Kohle und Petrolkoks und sogar flüssiger Asphalt verbrennen. Der Brennstoff wird – wie bei der Kohlevergasung – in wasserstoffreiches Synthesegas umgesetzt, das dann in einer Gasturbine verbrannt wird und anschließend eine Dampfturbine antreibt. Bisher werden solche IGCC-Anlagen vor allem von der petrochemischen Industrie betrieben, die damit ihr Raffinerierückstände nutzbringend entsorgt. Nach Schätzungen von Siemens liegt allein in dieser Anwendung ein weltweites Leistungspotenzial von 120 Gigawatt im Jahr 2010. Ob solche Wunderwerke auf Kohlebasis wirtschaftlich arbeiten können, hängt dagegen von den Emissionsvorschriften ab.

Auch das Kohlendioxid, das in der Umweltdebatte derzeit eine so große Rolle spielt, wird beim IGCC-Konzept abgeschieden. Doch dabei reduziert sich der Volumenstrom in der Gasturbine, und die Turbinenleistung verringert sich. Man rechnet mit einer Wirkungsgradminderung von mehr als 15 Prozent. Deshalb liegen IGCC-Anlagen heute bei einem Wirkungsgrad von nur 51 Prozent.
 

FutureGen

Im Februar 2003 fiel in den USA der Startschuss zur Entwicklung eines nahezu emissionsfreien Demonstrationskraftwerkes mit CO2-Abscheidung und Wasserstoffproduktion. Die Gewinnung von Wasserstoff aus Kohle gilt als Einstieg in die Wasserstoffversorgungswirtschaft.

Ganz ohne Kohlendioxid

Seit den 70er-Jahren wird an Technologien zur Abscheidung von Kohlendioxid geforscht. Grundsätzlich lassen sich zwei Verfahren unterscheiden.

  • Die Rauchgaswäsche entfernt das CO2 mittels Absorption, Adsorption, Membran- oder Destillationsverfahren aus den Abgasen.
  • Zudem kann das in dem Synthesegas enthaltene Kohlendioxid vor der Verbrennung mittels Branntkalk (CaO) abgeschieden werden. Dabei reagiert das CO2 zu kohlensaurem Kalk, der dann zum Beispiel als Baustoff genutzt werden kann.

Die Lagerung des Kohlendioxids, das nicht in die Atmosphäre entlassen werden soll, ist immer noch ein Problem. Im übrigen wird Branntkalk aus Kalkstein (CaCO3) gewonnen, wobei je erzeugtem Molekül CaO ein Molekül CO2 freigesetzt wird.

Unabhängig von diesen Ausgangsproblemen entwickelt derzeit die Universität Stuttgart mit internationalen Partnern ein nahezu emissionsfreies Kohlekraftwerk. Das Institut für Verfahrenstechnik und Dampfkesselwesen (IVD) koordiniert derzeit das von der Europäischen Kommission mit knapp 1,9 Millionen Euro geförderte Projekt. Grundlage ist die Braunkohle, ein in Europa in großen Mengen vorhandener und preiswerter Energieträger, der sich aufgrund seines relativ hohen Wassergehaltes leichter vergasen lässt als Steinkohle. Es ist vorgesehen, das Synthesegas mit gebranntem Kalk von sämtlichen Kohlenoxiden zu reinigen, sodass es ausschließlich aus Wasserstoff besteht, der dann emissionsfrei verbrannt werden kann. Vor allem arbeitet man daran, die enorme Wirkungsgradminderung infolge der CO2-Abscheidung zu reduzieren.
 

Kraftwerke im Netz

Forschungsprojekte der EU zur Verbrennungskinetik www.eu-projects.de ;

Die deutsche Elektrizitäts- wirtschaft www.kohlekraftwerke.de

Hybridkraftwerk mit Brennstoffzelle

Es gibt also noch viel zu tun, bis die ersten Kohlekraftwerke neuen Typs ans Netz gehen. Der nächstfolgende Meilenstein der Entwicklung, das Hybridkraftwerk, ist aber schon im Blick. Es soll aus einem GUD mit integrierter Kohlevergasung und einer Hochdruckhochtemperaturbrennstoffzelle bestehen. Die Brennstoffzelle wandelt zunächst einen Teil der Energie des Synthesegases in Strom um. Das nicht verbrauchte Synthesegas wird dann in den nachgeschalteten Gas- und Dampfturbinen verwertet. Das Verfahren verspricht Wirkungsgrade von über 60 Prozent. In 20 Jahren könnte eine erste Pilotanlage laufen.

Am Horizont stehen auch schon die virtuellen Kraftwerke. Sie werden eine dezentrale Stromerzeugung möglich machen. Über Kommunikationszentralen werden Blockheizkraftwerke, kleine Hybridkraftwerke und Wind- und Photovoltaikanlagen miteinander verknüpft. Durch Vernetzung mit Wetterstationen wird sich der Strombedarf kurzfristig prognostizieren lassen. Das Lastmanagement muss dann je nach Bedarf entscheiden, welche Anlagen Strom produzieren müssen und welche ruhen können. Die Anbindung an die Strombörse wird den produzierten Überschussstrom dann in den zumindest europaweiten Handel einspeisen. Die Lichter werden also auch in Zukunft wohl nicht ausgehen.

Dr. Uwe Schulte

Literatur

Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (Hrsg.): Forschungs- und Entwicklungskonzept für emissionsarme fossil befeuerte Kraftwerke. Bericht der COORETEC-Arbeitsgruppen. Dezember 2003. www.cooretec.de Christiane Ploetz: Sequestrierung von CO2: Technologien, Potenziale, Kosten und Umweltauswirkungen. Externe Expertise für das WBGU-Hauptgutachten. "Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit". Berlin/Heidelberg 2003.

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1 Kommentar

Die Chinesen bauen heute schon Zero-Emission-Kraftwerke

von Henning Wiechers am 21.09.2019 um 11:31 Uhr

Pflanzen mögen ja CO2. Die Idee ist, den Dreck aus dem Schornstein durch ein kilometerlanges Rohrsystem zu leiten, in dem sich dann Algen vom CO2 ernähren. algen, die man hinterher für diverse Zwecke gebrauchen kann.
Tja, Standard in China, hierzulande wirds verschwiegen.
Übrigens: Die Chinesen reissen einfach pro Jahr ein paar Hundert alte Kraftwerke ab und bauen neue. Auch das hierzulande undenkbar - wegen der Rentabilität.
DE: adé..

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