Feuilleton

Glossay

Die Kuh und das Auto – eine interdisziplinäre Konvergenz

Beide bewegen sich fort.

Die Kuh auf vier Beinen und langsam.

Das Auto auf vier Rädern und schnell.

Beide dienen dem Menschen.

Die Kuh als Produzent von Lebensmitteln.

Das Auto als Fortbewegungs- und Transportmittel.

Beide müssen gespeist werden.

Die Kuh frisst Gras.

Das Auto frisst Benzin.

Beide können geschlachtet werden.

Die Kuh in jedem Alter, um Fleisch und Haut zu liefern.

Das Auto meist erst in fortgeschrittenem Alter, um Ersatzteile zu liefern.

Beide sind sowohl aus anorganischem als auch aus organischem Material gefertigt.

Die Kuh enthält viel Calcium, viel Eiweiß und Wasser.

Das Auto enthält viel Eisen und Aluminium, organische Kunststoffe, einige Textilien und kein Wasser (außer im Kühler).

Beide sind bedeutende Umweltverschmutzer.

Die Kuh produziert Methan.

Das Auto produziert Kohlendioxid.

Beide stoßen diese Gase aus.

Die Kuh rülpst dauernd.

Das Auto flatuliert permanent.

Was die beiden Objekte wirklich verbindet, ist der Ausstoß von C1 -Körpern, die als Treibhausgase die Erderwärmung fördern.

Dem janusköpfigen Wesen des Glossays entsprechend (1. Glossay s. DAZ 141 , 5184 (2001)), wurden die voran stehenden Sätze mit Absicht locker und flapsig formuliert (wie in einer Glosse), doch ist die Sache an sich so aktuell und bedeutend, dass es angebracht erscheint, ein paar kurze, aber wichtige Informationen über die CO2 -Emission, den Treibhauseffekt und die Methanbildung in sachlichem Stil (wie in einem Essay) folgen zu lassen.

Es ist ein Irrtum, anzunehmen, das Auto – womit die Personenkraftwagen in toto gemeint sind – sei der Hauptübeltäter im Bereich der CO2 -Emission. Tatsächlich emittiert es nur rund 12% der Gesamtmenge, wie den Berichten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und des ADAC zu entnehmen ist.

43% stammen aus den Kraft- und Heizwerken, 25% kommen von Seiten der Industrie, des Handels und des Gewerbes und damit eingeschlossen auch des Lkw-Verkehrs. Selbst die Privathaushalte tragen mit 13% etwas mehr zur Schadstoffproduktion bei als das Auto. Der Rest von 7% verteilt sich auf verschiedene Verursacher.

Blicken wir einmal Millionen Jahre zurück. Der Sauerstoffgehalt unserer Ur-Atmosphäre betrug weniger als 1 Vol.-%. Aus dem fortschreitenden Wachstum pflanzlicher Organismen resultierte ein steigender Bedarf an CO2 als Substrat für "reduzierte Kohlenstoffverbindungen", d. h. für Kohlenhydrate.

Das Ausmaß der Photosynthese wuchs derart, dass die dabei anfallenden Oxidationsäquivalente nicht mehr abgefangen werden konnten, was schließlich zur Oxidation des Wassers zu Sauerstoff (O2) führte, der für die damals lebenden Organismen ein echter Schadstoff war. Im Verlauf der Evolution entstanden dann allmählich tierische Organismen, die in einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre leben konnten und durch die Atmung als Umkehrprozess der Photosynthese für ein biologisches Gleichgewicht zwischen Sauerstoffproduktion und Sauerstoffverbrauch sorgten. Bei der Photosynthese wird bekanntlich Wasser unter Freisetzung von Sauerstoff gespalten, und bei der Atmung wird Sauerstoff unter Bildung von CO2 verbraucht. Das angesprochene Gleichgewicht wird heute durch die anthropogene Überproduktion von CO2 wesentlich gestört.

Nun zum Treibhauseffekt der Erdatmosphäre, der als natürliches Phänomen zu etwa 70% von Wasserdampf, zu rund 25% von CO2 und zu etwa 2% von Methan verursacht wird. Der natürliche Treibhauseffekt hebt die durchschnittliche Temperatur der Erdoberfläche von etwa –18 °C auf circa +15 °C an. Spricht man heute vom Treibhauseffekt, so ist damit eine weiter gehende Erwärmung gemeint, die im Wesentlichen auf der Konzentrationserhöhung von CO2 , Methan, FCKW und Distickstoffoxid beruht.

Über die CO2 -Emission haben wir schon gesprochen. Bleibt noch die Frage offen nach den Quellen und der Überproduktion des Methans Nach seiner Herkunft wird Methan auch als Erdgas, Grubengas (Schlagwetter) und Sumpfgas bezeichnet. Der einfachste Kohlenwasserstoff CH4 stammt hauptsächlich aus dem Cellulose-Abbau durch anaerobe Bakterien, insbesondere durch die methanogenen Archäbakterien. Entstehungsorte sind Sümpfe, Moore, Tundren, überflutete Gebiete, Reisfelder, Kläranlagen, Faultürme (Biogas), Mülldeponien.

Produktionsstätten sind auch der Darmtrakt des Menschen, von Nutztieren (z. B. Schafe, Ziegen) und der Pansen von Rindern. Während die Methanproduktion im Intestinum des Menschen gering ist, können bestimmte Tiere ganz erhebliche Mengen produzieren. So werden im Pansen einer erwachsenen, gut im Futter stehenden Kuh täglich zwischen 300 und 400 Liter Methan gebildet, das über die Speiseröhre und das Maul in die Luft entweicht. (Der Volksmund nennt das "rülpsen".) Beträchtliche Methanmengen werden auch durch Termiten erzeugt.

Auf nicht mikrobiellem Weg wird Methan freigesetzt bei der Förderung von Kohle, Erdöl und Erdgas (besteht zu 80 bis 92% aus Methan) sowie beim Verbrennen von Biomasse, z.B. bei Waldbränden oder der Holzfeuerung im Haushalt.

Relationen

Das Treibhauspotenzial von Methan ist wesentlich höher als das von Kohlendioxid, jedoch beträgt seine troposphärische Konzentration nur ein 200stel. Von der Gesamtmenge des durch methanogene Bakterien produzierten Methans gelangt nur etwa ein Drittel in die Atmosphäre. Der überwiegende Teil wird durch methanotrophe Mikroorganismen zu CO2 oxidiert. Die Methankonzentration in der Atmosphäre wird außerdem durch die Aktivität von Hydroxylradikalen ( OH) abgesenkt, die durch photolytische Reaktionen entstehen und Methan ebenfalls zu CO2 oxidieren.

Als gesichert gilt heute, dass eine deutliche Korrelation besteht zwischen der Zunahme der Methan- und CO2 -Konzentration in der Atmosphäre einerseits und der Zunahme der Erdbevölkerung und ihrer fortschreitenden Zivilisation andererseits, denn dieser Prozess geht mit einem steigenden Automobilbestand sowie einer expandierenden Schlachtviehhaltung einher. Um diese Korrelation aufzuheben, müsste man nicht nur schadstoffarme Autos produzieren, sondern auch Fleisch auf schadstoffarme Weise (biotechnologisch) erzeugen.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. rer. nat. Dr. h.c. Hermann J. Roth

Friedrich-Naumann-Str. 33, 76187 Karlsruhe

www.h-roth-kunst.com

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