DAZ Feuilleton

Vergessenes Wissen: Kannten die alten Ägypter eine Intensivmedizin?

Vieles, was man für moderne Errungenschaften der Wissenschaft und Technik hält, war schon in früheren Zeiten bekannt und ist nur in Vergessenheit geraten. Zu diesem Schluss kommt man bei genauem Studium antiker Texte immer wieder. Beispiele hierfür finden sich besonders oft im alten Ägypten. So weisen Ärzte darauf hin, dass das ägyptische Mundöffnungsritual ursprünglich keine Zeremonie, sondern eine lebensrettende medizinische Maßnahme war.

Inverse Medizingeschichte

Die Geschichte ist kein kontinuierlicher Fortschritt. Einen Rückschritt an Wissenschaft und Technik gab es nicht nur im Mittelalter, auch in früheren Epochen verlief die Entwicklung teilweise invers (Abb. 2).

Schon in der Antike sind chirurgische Operationen durchgeführt wurden, wie zum Beispiel der Kaiserschnitt. Cäsar soll auf diese Weise zur Welt gekommen sein und deshalb seinen Namen erhalten haben, der sich wahrscheinlich von caedere = schneiden ableitet (Kaiserschnitt wäre demnach ein Pleonasmus). Eine andere komplizierte Operation, die schon in der Vorgeschichte ausgeführt wurde, ist die Trepanation (Schädelperforation); dass sie von den Patienten überlebt wurde, zeigen die postoperativen Veränderungen an den Schädelknochen.

Vor über 3000 Jahren wurden asphyktische Neugeborene bereits von hebräischen Hebammen mit Atemspenden versorgt und so gerettet (hebräische Methode). In der Medizin gilt das als älteste Form der Wiederbelebung, die später in Vergessenheit geriet. Erst in der Neuzeit wurde die Mund-zu-Mund-Beatmung wieder in die Notfallmedizin eingeführt und wird heute in jedem Erste-Hilfe-Kurs gelehrt.

Auf alten ägyptischen Abbildungen sind auch folgende medizinische Techniken zu erkennen:

  • Tracheotomien (lebensrettende Luftröhrenschnitte).
  • Triage (Biomechanische Kurzbeurteilung von Patienten).
  • Künstliche Ernährung.
  • Inversion von vor dem Ertrinken Erretteten (Aufhängen an den Füßen, damit sich Wasser aus dem Magen entleert; heute nicht mehr angewendet).
  • Überstrecken des Kopfes mit Anheben des Kinns zur Freihaltung der Atemwege (stabile Seitenlage, aus jedem Erste-Hilfe-Kurs bekannt).

Der ägyptische Totenkult aus medizinischer Sicht

Auf ägyptischen Wandbildern ist häufig ein Ritual des Totenkults dargestellt, das darauf hindeutet, dass damals die lebensrettende Beatmung von Notfallpatienten mit einer Art Laryngoskop bekannt war. Es handelt sich um das Mundöffnungsritual (Abb. 3), das gemäß den alten Schriften im Goldhaus mit einem Meißel aus Erz, der auch als Dechsel bezeichnet wird, durchgeführt wurde, und zwar am 70. Tag des Mumifizierungsprozesses. Diese Geräte zur Mundöffnung sind jedoch nie gefunden worden, sondern nur Holzmodelle davon. Bei dem Mundöffnungsritual ist auch immer der goldene Finger des Horus dargestellt, eine Art Schlauch. Neben der Mundöffnung umfasste der Vorgang noch eine Augenöffnung mit einem Gerät, das nach Angaben aus der Literatur eine Feuersteinspitze trug und Funken erzeugen konnte. Zudem wurden der Mumie die Zähne entnommen.

Was ist nun das frappierende an diesem Vorgang?

  • Das Mundöffnungsgerät ähnelt sehr dem heute in der Notfallmedizin und Operationstechnik eingesetzten Laryngoskop (Abb. 4).
  • Die Funktionstüchtigkeit von Nachbildungen der antiken Dechsel wurde von Ärzten an Übungspuppen nachgewiesen. Mit dem Mundöffnungsgerät hätte sich also eine Beatmung im modernen Stil einleiten lassen können.
  • Der Finger des Horus entspricht einem heutigen Tubus zur künstlichen Beatmung. Diese sind heute aus Kunststoff, waren aber zu Beginn der modernen Medizin auch aus Metall, wobei das im alten Ägypten verwendete Gold flexibler ist als Edelstahl.
  • Das Augenöffnungsgerät könnte zur Beurteilung der Pupillenreaktion gedient haben. Diese diagnostische Maßnahme ist aus der heutigen Notfallmedizin nicht wegzudenken, man verwendet dazu Spaltlampen.
  • Die Entfernung der Zähne im Totenritual entspricht der allgemeinen Praxis, vor der Beatmung den Mundbereich frei zu räumen und auch künstliche Zähne zu entfernen, um den Patienten nicht durch Verschlucken von Fremdkörpern zu gefährden.
  • Die im alten Ägypten abgebildeten Gerätetische, wie z. B. der Beistelltisch auf dem Papyrus Hunefer (Abb. 5), entsprechen fast exakt heutigen Narkosewägen. Die darauf befindlichen Geräte können von medizinischem Personal ohne große Fantasie heutigen Geräten zugeordnet werden.

Relikte einer hochentwickelten Medizin?

Einen Beweis für die Anwendung der dargestellten Geräte zur tatsächlichen Lebensrettung im alten Ägypten gibt es nicht. Beim Totenritual ist die Lebensrettung nur symbolisch, das schließt aber eine parallele Anwendung der Technik im medizinischen Sinne bei lebenden Patienten nicht aus. Denkbar ist auch, dass eine früher tatsächlich praktizierte Methode nur noch als Ritual überdauert hat, nachdem der eigentliche Zweck nicht mehr verstanden wurde. Solche Phänomene treten häufig auf, viele religiöse Rituale hatten einst eine andere, teilweise rein praktische Bedeutung. Vielleicht fanden in der Frühzeit Ägyptens tatsächlich Wiederbelebungen statt, vielleicht waren die Pyramiden sogar, wie Ocklitz andeutet, eine Art Reanimationskapseln?

Vieles, was man für moderne Errungenschaften der Wissenschaft und Technik hält, war schon in früheren Zeiten bekannt und ist nur in Vergessenheit geraten. Zu diesem Schluss kommt man bei genauem Studium antiker Texte immer wieder. Beispiele hierfür finden sich besonders oft im alten Ägypten. So weisen Ärzte darauf hin, dass das ägyptische Mundöffnungsritual ursprünglich keine Zeremonie, sondern eine lebensrettende medizinische Maßnahme war.

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