Erste Hilfe

I. BlankNeue Richtlinien zur Reanimation

Mehr Leben durch eine effektivere Erste Hilfe zu retten: Das ist das Ziel der neuen, überarbeiteten Richtlinien zur Notfallversorgung und Wiederbelebung. Die Richtlinien beinhalten wichtige Änderungsvorschläge für die kardio-pulmonale Wiederbelebung (CPR) durch medizinische Laien und professionelle Helfer.

Am 28. November 2005 stellte der Europäische Wiederbelebungsrat (European Resuscitation Council, ERC) seine Empfehlungen ins Netz. Am gleichen Tag brach der Server unter der Last der Anforderungen zusammen. Seit fünf Jahren haben die bisher gültigen Algorithmen Bestand und wurden nicht generalüberholt. Die ERC-Guidelines setzen diese wissenschaftliche Basis unter Berücksichtigung der europäischen Strukturen in konkrete Handlungsanweisungen um. Fast 190 Seiten umfangreich ist die "Bibel der Reanimation", derzeit leider nur auf Englisch, an der deutschen Übersetzung wird gearbeitet.

"Neue Studien haben gezeigt, dass eine effektive, möglichst ununterbrochene Herzdruckmassage für das Überleben äußerst wichtig ist", erklärt Prof. Dr. Bernd Böttiger, Leitender Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikums Heidelberg. "Die neuen Richtlinien beruhen auf der Auswertung sämtlicher aktueller Studien zur Wiederbelebung durch Ärzte, Sanitätskräfte und Laien durch rund 380 internationale Experten" so Böttiger. Die Zusammenstellung aller verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse bildet die Grundlage für die Behandlungsrichtlinien, die schließlich in den Erste-Hilfe-Kursen für Laien und in der Ausbildung der Notfallmediziner umgesetzt werden.

Mehr Druck für das Herz

Bisher betrug der Rhythmus für die Wiederbelebung 15 : 2. Das heißt, der Helfer drückte den Brustkorb 15 Mal nieder, zweimal wurde beatmet. Die neuen Leitlinien ändern den Rhythmus auf 30 : 2. Die Zahl der Brustkorbkompressionen wurde also verdoppelt. Ebenso vorbei sind die Zeiten, in denen man zwischen Ein- und Zwei-Helfer-Methode unterscheiden musste. Heutzutage gilt nur noch ein Universalalgorithmus. Einzige Ausnahme ist die Wiederbelebung von Kindern (außer Neugeborenen) durch zwei professionelle Helfer, wo weiterhin ein Verhältnis von 15 : 2 angezeigt ist.

Auch fand sich in den alten Leitlinien die Empfehlung, erst zu beatmen und dann die Herzkompression auszuführen. Diese Empfehlung ist in den aktuellen Guidelines nicht mehr zu finden. Heutzutage gilt: erst drücken, dann beatmen. Vereinfacht wurde auch das Aufsuchen des Druckpunktes. Der richtige Druckpunkt ist nun "in der Mitte der Brust". Der Vorteil dieses vereinfachten Druckpunktfindens liegt auf der Hand: Es kommt zu weniger Unterbrechungen, zu weniger Überbeatmungen und die Druckmassage ist leichter zu lehren und zu lernen.

Für den Laien ist es einfacher geworden

In den bisher geltenden Empfehlungen musste der Laie umständlich nach Kreislaufzeichen wie Puls und Atmung suchen. Dies war für sehr viele nicht verständlich, sehr fehlerträchtig und hielt den Beginn der Herzdruckmassage auch nur unnötig auf. Heute gilt: Wer bewusstlos ist und sich gegen die Maßnahmen nicht wehrt, wird reanimiert! Wenn ein Mensch nicht reagiert und nicht normal atmet, sollte mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen werden. Im Zweifelsfall sollte zudem immer der Herzmassage der Vorzug vor der Beatmung gegeben werden.

Ebenso zeigte sich, dass sich (nicht nur) der medizinische Laie vor der Mund-zu-Mund- oder Mund-zu-Nase-Beatmung fürchtet. Traut sich dies niemand zu oder ekelt man sich beispielsweise vor Erbrochenem, muss nun nicht mehr der Ekel überwunden werden, um zu beatmen. Es reicht eine alleinige Herzdruckmassage aus. Tierversuche und Studien in den USA zeigten, dass eine Herzkompression ohne Beatmung in den ersten Minuten ebenso effizient ist und ausreichend Sauerstoff durch die Sogwirkung des Brustkorbs in die Lungen gelangt.

Weg mit der Wärmedecke

Patienten mit einem Spontankreislauf nach Herzstillstand sollten in der Klinik für zwölf bis 24 Stunden in eine milde Unterkühlung versetzt werden. Bei 32 bis 34 °C Körpertemperatur wird der Körper in eine Art Winterschlaf versetzt, der die Organe schützt und neurologischen Defiziten vorbeugt. Das heißt auch, ein Ohnmächtiger muss nicht mehr bedeckt werden, um die Auskühlung zu verhindern. Im Gegenteil. Die Zeiten, in denen der Patient mit Wärmedecken bedeckt oder schnell in den warmen Rettungswagen verbracht wurde, sind für bestimmte Situationen also vorbei.

Defibrillatoren an öffentlichen Orten mit hohem Publikumsverkehr

Die internationalen Richtlinien schlagen zudem vor, dass an Orten mit hohem Publikumsverkehr wie Flughäfen, Sportstätten und Einkaufszentren Defibrillatoren installiert werden, die im Notfall von Laien bedient werden können, bevor das Rettungsteam eintrifft. Während diese Geräte in den USA flächendeckend zu finden sind, ist dies in Deutschland noch selten üblich. Etliche Studien haben eindrucksvoll nachgewiesen, dass ein Elektroschock zur rechten Zeit die Überlebensrate um 25% und mehr erhöht.

Einer effektiven Herzdruckmassage wird ein hoher Stellenwert zugesprochen. Dies spiegeln auch die Änderungen der Richtlinien beim Einsatz von Defibrillatoren wieder. Ab sofort ist bei Herzflimmern nur noch einmal pro Wiederbelebungszyklus zu defibrillieren. Danach muss die zweiminütige Herzmassage folgen. Die alten Richtlinien schrieben noch vor, mit der Herzmassage zu warten, bis der Herzrhythmus durch das Gerät analysiert ist – dies kann mehr als 30 Sekunden dauern. Die Herzmassage soll neuerdings also unmittelbar nach dem Elektroschock begonnen bzw. wieder aufgenommen werden. Bevor der Patient bei Kammerflimmern mit einem Defibrillator geschockt wird, sollte nach den neuen Empfehlungen für zwei Minuten reanimiert werden. Die Defibrillation erfolgt nicht mehr wie bisher in Serien von drei Schocks mit 200/200/360 Joule, sondern nun jeweils als Einzelschock mit 360 Joule. Danach folgt für zwei Minuten die Herzdruckmassage und die Beatmung. Die Gabe von Adrenalin im Rahmen der erweiterten Maßnahmen wird mit der dritten Defibrillation im Ablauf kombiniert (Adrenalin – Schock – Herzdruckmassage – Beatmung).

Keine neuen Medikamente in Sicht

Viele Mediziner hofften auf neue Medikamente zur Anregung der Herzfunktion nach Herzstillstand. Hoffnungsträger war u. a. das Hormon Vasopressin. Die bisherige Datenlage reicht dem Europäischen Wiederbelebungsrat ERC nicht aus, Vasopressin als Mittel der ersten Wahl bei Herzstillstand zu empfehlen. Obwohl gute Ergebnisse mit dem antidiuretischen Hormon erzielt und mehr Patienten als mit Adrenalin primär gerettet werden, liegen nicht genügend Doppelblind-Studien vor.

Das Mittel der Wahl bei einer Asystolie ist immer noch das Adrenalin. Die Substanz wird in einer Verdünnung von 1 : 10 dem Patienten vom Arzt oder Rettungsteam verabreicht (intravenös 1 mg, endobronchial 3 mg). Die Gabe erfolgt alle drei bis fünf Minuten. Der Europäische Wiederbelebungsrat stellt fest, dass die bisher gleichgesetzte Wirkung der intravenösen im Vergleich zur endobronchialen Gabe neu überdacht werden muss. Die Resorption über die Trachea und die Bronchien ist variabler und unzuverlässiger als unlängst angenommen.

Bei Kammerflimmern ist jetzt das Herzmedikament Amiodaron Mittel der 1. Wahl. Wenn das Kammerflimmern nach drei Defibrillationen nicht aufhört, erhält der Patient 300 mg Amiodaron in Glucose gelöst als Bolus. Ist die Substanz nicht verfügbar, sollte Lidocain in einer Dosierung von 1 mg/kg als Alternative verwendet werden.

Auch die Anwendung von Medikamenten, die Blutgerinnsel auflösen, wurde nun erstmals in die Richtlinien zur Wiederbelebung aufgenommen. Dies ist eine neue Therapie, die von Professor Böttiger und seinem Team maßgeblich in Heidelberg mitentwickelt wurde. Insbesondere wenn eine Lungenembolie, also Blutgerinnsel in der Lunge, als Ursache eines plötzlichen Herzstillstandes vermutet wird, sollte der Einsatz eines Medikaments, das das Blutgerinnsel auflöst (Lysemittel), während der Wiederbelebung erwogen werden. Ähnliches gilt im Einzelfall auch für Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt, wenn diese sich nicht durch konventionelle Maßnahmen stabilisieren lassen.

Mehr Leben durch eine effektivere Erste Hilfe zu retten: Das ist das Ziel der neuen, überarbeiteten Richtlinien zur Notfallversorgung und Wiederbelebung. Die Richtlinien beinhalten wichtige Änderungsvorschläge für die kardio-pulmonale Wiederbelebung durch medizinische Laien und professionelle Helfer. Bisher betrug der Rhythmus für die Wiederbelebung 15 : 2. Das heißt, der Helfer drückte den Brustkorb 15 Mal nieder, zweimal wurde beatmet. Die neuen Leitlinien ändern den Rhythmus auf 30 : 2. Die Zahl der Brustkorbkompressionen wurde also verdoppelt. Auch die Empfehlung, erst zu beatmen und dann die Herzkompression auszuführen, ist überholt. Heutzutage gilt: erst drücken, dann beatmen. Vereinfacht wurde auch das Aufsuchen des Druckpunktes.

Nicht lange suchen! Das Aufsuchen des Druckpunktes für die Herzdruckmassage soll nach den neuen Empfehlungen vereinfacht werden: Der richtige Druckpunkt ist nun "in der Mitte der Brust".

Wissen Sie noch, wie es geht? Bei Unfallsituationen oder Menschen in Not zu helfen, ist nicht nur eine sittliche, sondern auch eine rechtliche Pflicht. Unter Erster Hilfe versteht man die ersten Hilfsmaßnahmen, die Sie an Ort und Stelle einleiten, bevor der Betroffene in ärztliche Behandlung kommt. Wirkungsvolle Erste Hilfe setzt eine gute Ausbildung voraus, denn die plötzliche Notwendigkeit zur Hilfeleistung lässt kaum Zeit, nachzulesen, welche Art von Erster Hilfe geleistet werden muss.

Das Deutsche Rote Kreuz bietet auf seinen Internetseiten umfassende Informationen an, um das Wissen aus Fahrschulzeiten wieder aufzufrischen: www.drk.de/erstehilfe/ehonline

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Suche nach Kreislaufzeichen in der Laienreanimation entfällt ebenso wie die initiale Beatmung des Patienten.
  • Das umständliche Aufsuchen des richtigen Druckpunktes wird zu Gunsten eines Druckpunktes "in der Mitte der Brust" aufgegeben.
  • Zu Beginn der Reanimation erfolgen 30 Kompressionen, erst danach zweimal beatmen.
  • Das Verhältnis von Kompression zu Beatmung beträgt nun einheitlich 30 : 2.
  • Ein Zyklus der kardio-pulmonalen Wiederbelebung dauert zwei Minuten.
  • Während eines Zyklus erfolgt nur eine einmalige Schockabgabe mit 360 J.
  • Danach unverzügliches Fortsetzen der kardio-pulmonalen Wiederbelebung ohne Pause für Rhythmuskontrolle.
  • Eine Rhythmuskontrolle erfolgt erst nach zwei Minuten.

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