Die Seite 3

Wenn etwas innovativ erscheint, dann darf es ruhig ein wenig am Gesetz vorbeischrammen. Diesen Eindruck muss man bekommen, wenn man sich die verschiedenen "innovativen" Aktivitäten rund um die Arzneimitteldistribution und die Reaktionen der Medien und der Politik in Vergangenheit und Gegenwart anschaut. Wie sonst ist es zu verstehen, dass deutsche Krankenkassen bereits vor Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes ihre Mitglieder an ausländische Arzneimittelversandhändler verweisen konnten – ohne dass sie deshalb einen Kopf kürzer gemacht, ja ohne dass sie auch nur öffentlich kritisiert wurden?

Wie sonst kann es sein, dass der Arzneimittelversender DocMorris – bislang ungestraft – von seinen Kunden nur die Hälfte der Zuzahlungen verlangen, aber eine Quittung für den vollen Betrag zur Vorlage bei der Krankenkasse oder dem Finanzamt ausstellen kann? Auch über die öffentliche Reaktion auf die Vereinbarung zwischen der Drogeriemarkt-Kette dm und der niederländischen Europa-Apotheek kann man sich bestenfalls wundern. Bislang unbehelligt wird hier das Modell einer Rezeptsammelstelle vorangetrieben, das die Apothekenpflicht aushebelt und gegen das Heilmittelwerbegesetz verstößt.

Gesetze, die den Umgang mit Arzneimitteln regeln, sind eigentlich hinreichend vorhanden. Sie werden auch regelmäßig auf ihre Aktualität geprüft und gegebenenfalls reformiert. Aktuelles Beispiel dafür ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, dessen Auswirkung auf die Apothekenwerbung Sie in unserem Beitrag auf Seite 47 nachlesen können. An der Legislative liegt es also nicht, wenn illegale Machenschaften bezüglich der Arzneimitteldistribution still vor sich hin wuchern. Vielmehr hapert es an der Exekutive.

Fragt man bei Politikern nach, heißt es meist: "Zuständig sind die Aufsichtsbehörden der Länder, diese sind benachrichtigt und werden den Fall prüfen." Das gilt für die rechtswidrige Zuzahlungsregelung bei DocMorris und nun auch im Fall von dm und Europa-Apotheek, wie Sie unserem Artikel auf S. 26 entnehmen können. Auf die Frage, wann konkret die Behörden mit der Prüfung beginnen und wann sie zu einem Ergebnis kommen wollen, bekommt man allerdings keine Antwort mehr. Offenbar prüfen die Behörden äußerst gründlich, sonst müssten sie zumindest bezüglich DocMorris inzwischen zu einem Ergebnis gekommen sein. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Gründlichkeit wenigstens lohnt, sprich dass "gesetzeskonform" entschieden wird.

Gelohnt hat sich in jedem Fall das gemeinsame Vorgehen von Hamburger Apothekerverein und -kammer gegen das arznei-haus24. Bereits im September vergangenen Jahres hatten sie eine einstweilige Verfügung gegen den als Botendienst getarnten Arzneimittelversender erwirkt. Am 1. Juli teilte der Prozessvertreter von arznei-haus24 nun mit, dass das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit eingestellt hat. Im Internet ist die Adresse bereits "verwaist". Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, wertet dies im Bericht ab S. 25 als "positives Signal für die Apothekerschaft" und appelliert an alle Kollegen, rechtswidrige Entwicklungen nicht einfach hinzunehmen, sondern konsequent zu verfolgen. Dem kann ich nur zustimmen. Schließlich: wo kein Kläger, da auch kein Richter.

Verfolgen sollten Sie natürlich auch die Entwicklung neuer Arzneimittel und Therapieansätze – in diesem Zusammenhang sind Innovationen zur Abwechslung positiv zu werten. Immer auf dem neuesten Stand sind Sie mit Videopharm. Einen Überblick über die Themen des Jahrgangs 2004 haben wir ab S. 44 für Sie zusammengestellt.

Beatrice Rall

Hauptsache "innovativ"?

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