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Gesundheitsreform: ABDA-Vize Wolf: Apotheker haben Existenzängste

BERLIN (ks). 2004 kommt viel Neues auf die deutschen Apotheken zu: Der Versandhandel mit Arzneimitteln, die Lockerung des Mehrbesitzverbots, eine neue Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) und die Preisfreigabe für nicht-verschreibungspflichtige Medikamente. Regierungskoalition und Union sind sich einig. Noch in diesem Monat soll das Reformgesetz verabschiedet werden. Heinz-Günter Wolf, Vizepräsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), und die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Biggi Bender, diskutierten in der "Welt" (Ausgabe vom 4. September) über die Konsequenzen der Reform für Apotheken.

Wolf warnte vor Wettbewerbsverzerrungen und der Gefährdung der Arzneimittelsicherheit durch einen ungleichen EU-weiten Apotheken-Wettbewerb. Denn in anderen Ländern gelte kein so umfassender Auflagenkatalog wie hierzulande. So seien etwa Beratung und Notdienste in Deutschland klar geregelt. Bender hingegen erklärte, die deutschen Apotheken müssten sich wie alle Sektoren dem EU-Wettbewerb stellen: "Es kann keine Schutzzäune geben". Auch seien die hiesigen Apothekenumsätze und Handelszuschläge im EU-Vergleich deutlich höher. Daher sei es "Zeit, dass durch mehr Wettbewerb, diese Ressourcenverschwendung ein Ende nimmt".

Für die grüne Gesundheitspolitikern könnten Kettenapotheken entscheidend dafür sorgen, dass die Kosten des Handels sinken. Die rot-grüne Koalition hatte daher auch vor, Ketten uneingeschränkt zu erlauben. Der mit der Union ausgehandelte Kompromiss, dass ein Apotheker nun bis zu vier Apotheken betreiben darf, sei zwar keine überzeugende Einschränkung, "aber es ist ein erster richtiger Schritt", so Bender. Wolf wies die Behauptung zurück, die Apothekenumsätze und die Kosten für den Arzneimittelvertrieb seien in Deutschland überdurchschnittlich hoch. Die Margen der Apotheker lägen überwiegend bei Null. Einverstanden ist Wolf lediglich mit den Neuregelungen der AMPreisVO. Mit dem festen Gewinn-Aufschlag entfalle der Anreiz, möglichst teure Arzneimittel zu verkaufen.

Weniger Apotheken, weniger Arbeitsplätze

Statt des Versandhandels setzt Wolf weiterhin auf das Hausapothekenmodell – ein Projekt, das auch Bender "sehr gut" findet. Allerdings sei damit noch keine der notwendigen Strukturveränderungen geschaffen, so die Gesundheitspolitikerin. Diese soll der Versandhandel unter strengen Regeln bringen. Da EU-Regeln zum Versand bereits vor der Tür stünden, hätten die Apotheker hierzulande nun Zeit, sich früh genug auf die neue Vertriebsform einzustellen.

Wolf hingegen ist überzeugt, dass der Versandhandel überflüssig ist: "Das Kundeninteresse wird gering bleiben, nur liegt die Gefahr darin, dass über den EU-weiten Arzneihandel die neue AMPreisVO ins Leere läuft, zu Lasten der deutschen Apotheker". Konkret werde die Zulassung von Versand- und Filialapotheken sowie die Ausschreibung von Leistungen zur Folge haben, dass Apotheken aufgegeben werden- insbesondere in ländlichen Gebieten – und Arbeitsplätze verloren gehen, erklärte der ABDA-Vize weiter. Zudem gebe es strukturelle Folgen: Wenn eine große Krankenkasse die Arzneimittelversorgung für ihre Patienten unter Apotheken ausschreiben lasse, könne eine weit abgelegene Apotheke den Zuschlag erhalten. "Damit ist die gesamte Regelversorgung gefährdet", so Wolf.

Bender will diese Argumentation nicht gelten lassen: Örtliche Apotheker hätten allen Anlass, bei einer Ausschreibung gute Angebote zu machen. "Apotheken können nicht erwarten, dass die Politik ihre Besitzstände zu Lasten der Krankenkassen stützt, wenn es Wege gibt, Kosten im Solidarsystem zu sparen".

Unklares Sparpotenzial

Wolf kritisierte zudem die Aufhebung der Preisbindung für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel. Er prognostiziert, dass Pharmahersteller und Großhändler dies zu Sonderaktionen nutzen werden: Bis auf einige Signalartikel würden die Preise eher steigen als sinken. Auch Bender ist sich noch nicht darüber im Klaren, welches Einsparpotenzial sich bei Arzneimitteln durch mehr Wettbewerb unter Apotheken erschließen wird. Da es sich "gerade nicht um dirigistische Maßnahmen" handle, seien die Einsparungen noch nicht zu beziffern. Man erhoffe sich aber insgesamt mehr Service in den Apotheken, mehr unternehmerische Freiheit, mehr Möglichkeiten für die Patienten und weniger Ressourcenverschwendung im Sozialsystem, so die Grünen-Politikerin.

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