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Niedersächsischer Apothekertag: GMG-Entwurf – wenig Zeit für viele Ände

PAPENBURG (tmb). Das niedersächsische Hausapothekenmodell und der jüngste Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums für die Gesundheitsreform 2004 waren die zentralen politischen Themen beim zweiten Niedersächsischen Apothekertag am 10. und 11. Mai im emsländischen Papenburg. Die gelungene Mischung aus Politik, Wissenschaft und Geselligkeit machte die Veranstaltung zu einem großen Erfolg. Mit über 750 Anmeldungen wurden sogar optimistische Schätzungen der Teilnehmerzahlen weit übertroffen. Trotz der vielen politischen Widrigkeiten im Gesundheitswesen vermittelte der Niedersächsische Apothekertag eine positive Aufbruchstimmung Ų getreu seinem Motto "Aufbruch zu neuen Ufern durch Qualität und pharmazeutische Kompetenz". Aktuelle Informationen und Hintergründe zu den politischen Bedingungen, unter denen dieser Aufbruch stattfinden kann, vermittelte eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion.

Änderung bei Großhandelsrabatten in Sicht

Die Bestimmungen zu den Großhandelsabschlägen im BSSichG sind nach Einschätzung des gesundheitspolitischen Referenten der SPD-Bundestagsfraktion Peter Schmidt sturmreif geschossen, aber die weiße Fahne werde noch nicht gehisst. Eine Entscheidung hierzu stehe in der Woche ab dem 19. Mai an.

Er erwarte, dass diese Regelung noch im Sommer außer Kraft gesetzt werde. Die SPD habe aber nicht dem Gesetzentwurf der Opposition zur rückwirkenden Aufhebung zustimmen können, mit der SPD könnten die Zwangsabschläge des Großhandels nur zu einem späteren Zeitpunkt auslaufen.

Straffer Zeitplan

für das GMG Im Vordergrund der Diskussion in Papenburg standen die Inhalte des neuen GMG. Ein Entwurf wurde am 8. Mai in der zuständigen Arbeitsgruppe der SPD-Fraktion diskutiert. Bis zum Beginn der nächsten Sitzungswoche am 19. Mai sollten die Mitglieder der Arbeitsgruppe zu einer abschließenden Meinung kommen und eigene Änderungsvorschläge formulieren. Am 3. Juni werde die Gesamtfraktion entscheiden, damit am 6. Juni die erste Lesung im Bundestag stattfinden kann.

Bereits bei den Diskussionen in der Arbeitsgruppe sei nach Ansicht von Peter Schmidt deutlich geworden, dass die Fraktion nicht allen Inhalten zustimmen werde. Es sei bereits eine Reihe von Änderungsvorschlägen durchgesetzt worden, auf die er inhaltlich nicht einging.

Gleiches Recht für alle?

Im Verlauf der Podiumsdiskussion in Papenburg ging es immer wieder um einzelne Inhalte des Arbeitsentwurfes aus dem Gesundheitsministerium, wobei ein Aspekt den besonderen Unmut der Apotheker auslöste. In dem Entwurf soll eine Novellierung der Arzneimittelpreisverordnung vorgesehen sein, die eine Öffnungsklausel für Versandapotheken enthält.

Die Preisverordnung würde dann für die Versender nicht gelten. ABDA-Vizepräsident Heinz-Günter Wolf forderte daraufhin, die Glaubwürdigkeit der Regierung zu hinterfragen. Das Schiff der freien Apotheker werde unter der Wasserlinie angebohrt.

Die Regierung wolle Wettbewerb haben, aber gleichzeitig regulieren. Doch müsse sich die Gesundheitsministerin eindeutig entscheiden, ob das Gesundheitswesen wettbewerblich nach dem Vorbild der USA oder aufgrund eines Sicherstellungsauftrages organisiert werden solle. Es sei unerträglich, wenn einerseits der Erhalt des Systems propagiert, dies aber andererseits angebohrt werde. Es würden gleichlange Spieße für alle Anbieter gefordert, doch im Gesetzentwurf stehe genau das Gegenteil.

ABDA-Präsident Hans-Günter Friese, der sich außerhalb des Podiums äußerte, meinte, eine Ausnahme bei der Preisbildung für Versandapotheken würde finanzielle Anreize für Konzentrationsprozesse schaffen. Diese seien offenbar von der Regierung gewollt. Doch würde der Patient bei einem Wettbewerb über den Preis nur "zweiter Sieger".

Nicht in der Replik auf diese Äußerungen, sondern erst in seinem späteren Schlusswort erklärte Peter Schmidt allerdings, eine solche geteilte Preisbildung für verschiedene Anbieter werde die parlamentarische Hürde nicht nehmen. Auch aus seiner Sicht erfordere Wettbewerb "gleichlange Spieße".

Hausapotheken statt Versandhandel

Von den über 300 Seiten des Entwurfes für das GMG sollen sich 15 Seiten mit den Gesetzesänderungen für den Arzneimittelversandhandel beschäftigen. Doch erklärte Dr. Wolf Bauer, CDU, MdB, die Opposition werde dies nicht mittragen. Der Versand sei ein ungeeignetes Instrument und beschädige oder vernichte freiberufliche Strukturen. Der Mehrbesitz von einigen Apotheken öffne aus juristischen Gründen auch weiteren Mehr- und Fremdbesitz.

Die Betriebskrankenkassen würden sich über die neuen Öffnungsmöglichkeiten für zusätzliche Verträge freuen und wünschten sich weitere solche Optionen, meinte Ralf Sjuts, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen BKK. Die Geschichte von 25 Jahren Kostendämpfung sei auch eine Geschichte der Budgetierung und Reglementierung, wie es sie in keinem anderen Wirtschaftszweig gebe.

Wettbewerb werde wie anderswo zu mehr Qualität und besseren Preisen führen. Den Verbrauchern sollte auch der Versandhandel angeboten werden. Der werde sich aber nicht durchsetzen, wenn die Apotheker verstärkt Angebote wie das Hausapothekenmodell machen. Allerdings müssten sich mehr Apotheken daran beteiligen.

Wolf entgegnete, dass bereits nach fünf Wochen etwa 700 Apotheken und damit etwa ein Drittel der niedersächsischen Apotheken teilnehmen. Seit die Printmedien darüber berichten, komme die Entwicklung sehr gut voran. Dies sei auch dem guten Marketingkonzept der BKKen zu verdanken.

Die vielfach angepriesene Stärkung der Hausärzte ist nach Einschätzung von Dr. Johannes Unnewehr, Hausärzteband Niedersachsen, bisher nicht zu erkennen. Stattdessen würden die Haus- und Fachärzte auseinanderdividiert und die Kassenärztlichen Vereinigungen zerschlagen.

Dagegen seien die Krankenkassen mit dem Sicherstellungsauftrag überfordert. Neue Verträge mit neuen Fachärzten würden zu einem großen Durcheinander führen. Die Hausärzte seien zu einer Rolle als Lotsen bereit, aber sie würden nicht als "billiger Jakob" herhalten, um mit Billigmedizin Geld zu sparen.

Wettbewerb im Gesundheitswesen

Einen weiteren Schwerpunkt der Diskussion bildete die Frage, wie Wettbewerb im Gesundheitswesen gestaltet werden könne. Nach Ansicht von Schmidt bestehe im Gesundheitswesen kein Wettbewerb, sondern eine Zunfttradition in korporatistischen Strukturen. Einen kooperativen Wettbewerb gebe es nicht,

Wettbewerb sei immer individuell. Er führe über Suchprozesse zu neuen Lösungen. Die SPD wolle die Leistungserbringer stärker dem unternehmerischen Risiko aussetzen, um zu qualitativ und wirtschaftlich besseren Lösungen zu kommen. Doch hätten auch CDU und FDP solche Absichten.

In Zukunft könne es nicht mehr das gleiche Geld für alle Anbieter geben. Qualität müsse sich auszahlen, dies habe auch die Politik erst spät erkannt. Doch nun habe allein die Drohung mit dem Versand zu dem guten Hausapothekenmodell geführt. Wenn alle Apotheker so vorgingen, bräuchten sie sich um den Wettbewerb keine Sorgen zu machen.

Der Moderator der Diskussion, Prof. Dr. Hartmut Morck, Eschborn, entgegnete, dass schon seit Einführung der Niederlassungsfreiheit unter den Apotheken erheblicher Wettbewerb um Leistungen und Qualität besteht.

Nach Einschätzung von Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, stimmen die Patienten schon längst mit den Füßen ab. Die Apotheker wollten sich einem Qualitäts- und nicht einem Preiswettbewerb stellen. Sie müssten sich für eine hohe Qualität rüsten. Wer dies nicht leisten könne, werde das Nachsehen haben.

Qualitätssteigerung könne auch Kosten sparen, wie das Beispiel der pharmazeutischen Betreuung zeige. Doch die typischen Mechanismen des Wettbewerbs sollten im Gesundheitswesens nicht an erster Stelle stehen, weil Kranke keine gleichberechtigten Partner seien.

Auch Bauer als Vertreter der Opposition im Bundestag meinte, in Apotheken und bei Ärzten dürfe es nur einen Wettbewerb um Beratung und Qualität geben. Außerdem müsse mit besonderen Qualitätsmerkmalen und unterschiedlichen Angeboten geworben werden können.

Kollektiv- oder Einzelverträge?

Für Wolf stellen Kollektivverträge keinen Widerspruch zur Qualität dar. Gefragt seien neue Kollektivverträge im Sinne des Hausapothekenvertrages, die eine Qualitätshürde enthielten. Alle Apotheken könnten sich daran beteiligen, müssten dann aber die Inhalte für sich akzeptieren und sich zu den vereinbarten Qualitätsnachweisen verpflichten. Dies fördere sogar die Qualität.

Nach Auffassung von Schmidt sollte die Devise lauten, so viel Kollektiv wie nötig und so viel Individualität wie möglich zuzulassen. Die klassischen Kollektivverträge seien ein Riesenhindernis für mehr Qualität. Bauer entgegnete, Einzelverträge würden den Weg zu Ausschreibungen bahnen und damit die flächendeckenden freiberuflichen Strukturen zerstören.

Ganz so weit gehen die Vorstellungen der Betriebskrankenkassen nach Darstellung von Sjuts allerdings nicht. Die BKKen wünschten sich eine erweiterte Vertragsfreiheit für Rahmenverträge, aber nicht Verträge mit allen einzelnen Leistungsbringern um jeden Preis. Außerdem würden sie mehr Wahlmöglichkeiten für Versicherte einschließlich mehrerer Tarife bei einer solidarisch finanzierten Grundsicherung fordern.

Die Organisationsstrukturen sollten verändert werden. Kassenärztliche Vereinigungen seien überflüssig. Die Apotheker würden durch den Wettbewerb mit Versandapotheken zu zukunftsweisenden Angeboten im Sinne der Hausapotheke bewegt.

Bauer kritisierte, dass die Krankenkassen mit "ideologischer Verbohrtheit" den Versandhandel fordern. Sjuts entgegnete, er wolle mit seiner Forderung nach einem organisierten Versandhandel nach schweizerischem Vorbild gerade einen qualitativ bedenklichen Versandhandel verhindern.

Das Vorgehen in der Schweiz könne aber nicht auf die Europäische Union übertragen werden, meinte Wolf. Denn in Europa könne deutsches Recht nicht durchgesetzt werden. Nach Auffassung von Schmidt würde der größte Teil des Versandes aber von deutschen Apotheken abgewickelt werden.

Linz forderte, einheitliche Arzneimittelpreise sogar europaweit durchzusetzen. Ansonsten würden ausländische Apotheken mit günstigeren Angeboten für den Verlust von Arbeitsplätzen in Deutschland sorgen.

Viele offene Fragen

Morck machte deutlich, dass in der Diskussion längst nicht alle Probleme im GMG-Entwurf angesprochen werden konnten. Insbesondere die vorgesehene Öffnung der Krankenhausapotheken für die ambulante Versorgung ohne Begrenzung auf irgendeine Klientel schaffe weitere große Schwierigkeiten. Außerdem könnten die diskutierten Aspekte des Arzneimittelbereiches nicht die Probleme des Gesundheitswesens lösen, die vorwiegend im Finanzierungsbereich liegen.

In ihren Schlussworten lobten fast alle Teilnehmer der Podiumsdiskussion das niedersächsische Hausapothekenmodell, darüber hinaus seien weitere Verträge dieser Art möglich. Auch Schmidt gestand zu, dass ortsnaher Service gebraucht werde und nicht abgeschafft werden solle. Eine Gesundheitsreform sei zudem nur im Konsens mit der Opposition möglich.

Bauer forderte daraufhin, die SPD solle einen Gesetzentwurf vorlegen, der nicht im existenziellen Widerspruch zu grundlegenden Positionen der Union stehe. Die Union werde alles tun, um die Freiberuflichkeit zu erhalten. Außerdem müssten die Patienten mehr Entscheidungsfreiheit erhalten.

Linz erinnerte an die Unterschriftenaktion der ABDA. Damit hätten die Patienten dokumentiert, dass die Apotheken unverzichtbar sind. Dies stärke der Apothekerschaft den Rücken. Angesichts des straffen Zeitplans für das GMG sollte die Gesprächsdichte noch mehr erhöht werden, meinte Wolf. Einen ausführlichen Bericht über die weiteren Inhalte des zweiten Niedersächsischen Apothekertages lesen Sie demnächst in der DAZ.

Das niedersächsische Hausapothekenmodell und der jüngste Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums für die Gesundheitsreform 2004 waren die zentralen politischen Themen beim zweiten Niedersächsischen Apothekertag am 10. und 11. Mai im emsländischen Papenburg. Die gelungene Mischung aus Politik, Wissenschaft und Geselligkeit machte die Veranstaltung zu einem großen Erfolg. Aktuelle Informationen und Hintergründe zu den politischen Bedingungen, unter denen dieser Aufbruch stattfinden kann, vermittelte eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion.

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