Praxis

Arzneimittelsicherheit im Apothekenal

In Apotheken wird die Arzneimittelsicherheit Tag für Tag durch eine Vielzahl von Tätigkeiten gesichert. Die Fälle sind oft skurril und manchmal sogar dramatisch, andere erscheinen für sich allein betrachtet eher unspektakulär. Beeindruckend ist auf jeden Fall die enorme Vielfalt der Alltagsschwierigkeiten. Diese DAZ-Serie soll einen Beitrag dazu leisten, diese große Variationsbreite arzneimittelbezogener Probleme besser zu strukturieren. Gleichzeitig soll sie Einblicke in den Apothekenalltag verschaffen, denn alle präsentierten Fälle stammen aus der Realität.*

In den vorigen beiden Folgen ging es um die Verordnung falscher Arzneimittel. Dies gilt in der Epidemiologie als eines unter vielen arzneimittelbezogenen Problemen, doch konnten viele Varianten dieses Themas aufgezeigt werden.

In dieser Folge soll als weiterer Aspekt die Verordnung falscher Arzneimittel an Kinder hinzukommen. Dies leitet über zu falschen Dosierungen und Konzentrationsangaben, die eine weitere Gruppe arzneimittelbezogener Probleme darstellen.

Falsch verordnete Arzneimittel

In einigen der vorliegenden Fälle wurde offenbar erst in der Apotheke erkannt, dass die Verordnung für ein Kind gedacht war. So berichtete eine Apotheke in Herzogenrath über eine Verordnung über Wick MediNait® für ein gerade erst zweijähriges Kind. Noch krasser ist wohl der Fall eines erst sechs Wochen alten Kindes in Geldern, das Talvosilen® forte Suppositorien verordnet bekam. Diese sind erst ab dem zwölften Lebensjahr angezeigt.

In einer Apotheke in Heimbach legte ein zwölfjähriger Patient ein Rezept über Diclofenac vor, das erst ab 15 Jahren zugelassen ist. Nach telefonischer Rücksprache wurde die Verordnung in Ibuprofen korrigiert. Doch sogar bei diesem Wirkstoff können sich für Kinder Schwierigkeiten ergeben, wenn die Dosierung nicht passt.

Dies zeigt der Fall aus einer Apotheke in Eschweiler. Ein Zahnarzt hatte für ein achtjähriges Kind Ibuprofen Tabletten zu 400 mg verordnet. Die altersangemessene Dosis wäre mit diesen Tabletten kaum zu verabreichen. Durch Korrektur in Ibuprofen Saft war dieses Problem vergleichsweise einfach zu lösen.

Falsche Konzentrationen oder Dosierungen

Darreichungsformen, die für die Dosierung unangemessen sind, leiten zu Verordnungen mit falschen Konzentrationsangaben über. So berichtete die G.-Apotheke in Duisburg über eine Verordnung von Mucosolvan® Saft in der Konzentration für Erwachsene und Schulkinder an ein zwei Monate altes Kind.

Die für Kinder verordnete Konzentration oder Menge ist aber keineswegs in allen Problemfällen zu hoch, manchmal ist sie auch zu niedrig, beispielsweise bei Vomex® Suppositorien mit 40 mg für ein zwölfjähriges Kind.

Meist sind solche Probleme durch Rücksprache mit dem Arzt schnell zu lösen, wenn sie in der Apotheke erkannt werden. Einzelne Ärzte scheinen sogar davon auszugehen, es sei ohnehin alleinige Aufgabe der Apotheken, sich um angemessene Dosierungen und Packungsgrößen zu kümmern.

Dafür spricht jedenfalls das Beispiel, das aus einer Apotheke in Wuppertal berichtet wurde. Für ein siebenjähriges Kind war auf einem Privatrezept "Suprax® Saft OP" verordnet. Die kleinste Packung mit 25 ml Saft hätte nicht einmal für zwei Tage ausgereicht. Daher wurden 100 ml Saft abgegeben.

Nach einer Woche kam die Mutter des Kindes mit einer erneuten Verordnung über "Suprax® Saft OP" und meinte dazu, der Arzt habe gesagt, die Apotheke solle sich um das korrekte Ausfüllen des Rezeptes kümmern. Für die Fallsammlung des Apothekerverbandes fügte der Apotheker die Frage hinzu, warum wohl erneut das gleiche Antibiotikum verordnet wurde, wenn es doch offenbar nicht angeschlagen hatte.

Arzneimittel für Kinder oder Erwachsene?

Probleme mit falschen Konzentrationen oder Dosierungen sind allerdings keineswegs auf Verordnungen für Kinder beschränkt. Sie können auch erwachsene Patienten betreffen. Für die Apotheken sind Dosierungs- und Konzentrationsfehler meist keine schwierigen Fälle, da sie mit pharmazeutischem Sachverstand, etwas gutem Willen und einigen Plausibilitätsbetrachtungen zum Alter des Patienten und zur Dosierung üblicherweise zu klären sind.

Doch im Versandhandel ist dies natürlich ungleich schwerer, was offenbar nicht nur an den fehlenden Rückfragemöglichkeiten liegt. Dies zeigt ein Fall, über den eine Apotheke in Dormagen berichtete. Dort hatte sich ein Kunde über Preise von Hepatitisimpfstoffen informiert, sein Rezept aber nach eigenen Angaben später zu einer niederländischen Versandapotheke geschickt.

Es soll Twinrix® verordnet gewesen sein, worauf er den Kinderimpfstoff erhalten hatte. Dieser stellt gewissermaßen die "kleinste" Packung dar. Doch hätte der richtige Impfstoff leicht aus dem Geburtsdatum des Patienten abgeleitet werden können.

Die Apotheke berichtete weiter, dass die Versandapotheke der Reklamation des Kunden nicht entsprochen hat, da das Rezept falsch ausgestellt worden sei und der Hinweis "für Erwachsene" gefehlt habe. Außerdem sei der günstige Preis, der den Patienten zu diesem Versandgeschäft veranlasst hatte, der in Deutschland gültige Preis eines importierten Kinderimpfstoffes gewesen.

Falsche Sparsamkeit

Über einen anderen Fall von Sparsamkeit am falschen Platz berichtete die D.-Apotheke aus Dinslaken. Ein Schmerzpatient war gemäß Krankenhausentlassungsbericht auf Valoron® N retard 100 mg eingestellt worden, er sollte sechs Kapseln täglich erhalten. Angeblich aus Kostengründen verordnete der Arzt aber das wirkstoffgleiche Generikum Tilidalor®, das nur in der 50-mg-Dosis erhältlich ist. Die Dosierung sollte ebenfalls sechs Kapseln täglich lauten. Nach Rücksprache konnte eine Erhöhung der Dosierung auf zwölf Kapseln täglich erreicht werden.

Schwierige Konzentrationsangaben

Typische Fälle mit fehlerhaften Konzentrationsangaben betreffen Rezepturen. Verrutschte Kommastellen kommen bei den hochwirksamen und daher niedrig dosierten Wirkstoffen ebenso vor wie bei den Salbengrundlagen. Im letzteren Fall würde sich gleichzeitig eine falsche Gesamtmenge und eine falsche Konzentration aller Wirkstoffe ergeben. Glücklicherweise führen solche Fehler meist zu so absurden Verordnungen, dass sie vergleichsweise leicht zu erkennen sind.

Doch auch bei Verordnungen über Fertigarzneimittel wird über Fälle berichtet, bei denen die Konzentration nicht zur Dosierung passt oder die Konzentrationsangabe ganz fehlt. In einem solchen Fall bei Clonid-Ophtal® Augentropfen erhielt eine Apothekerin aus der J.-Apotheke in Düsseldorf vom verordnenden Arzt die Aufforderung, die schwächste Konzentration, d. h. 1/16% abzugeben.

Nach drei Tagen kam die Patientin allerdings mit der Information zurück, die Augentropfen sollten unkonserviert sein. So ist allerdings nur die Konzentration 1/8% lieferbar. Die korrekte Verordnung wäre "Clonid-Ophtal® 1/8% sine" gewesen.

Auch formale Probleme ...

Diese Beispiele zeigen, dass auch anscheinend nebensächliche formale Kleinigkeiten auf den Rezepten für die Patienten große Bedeutung haben können. Der Übergang von wichtigen Details für die Verordnung zu rein bürokratischen Formalia ist dabei fließend, denn die Angabe des Geburtsdatums dient eben nicht nur der Abrechnung, wie die Beispiele über Verordnungen für Kinder gezeigt haben.

Daher sollten auch die Formalitäten beachtet werden. Aus den Apotheken wird allerdings über vielfältigen Korrekturbedarf und die verschiedensten Unklarheiten bezüglich der formalen Aspekte von Rezepten berichtet.

Aus einzelnen Apotheken wurde berichtet, dass vielfach Verordnungen über nicht mehr oder noch nicht lieferbare Arzneimittel vorgelegt werden. Dabei geht es keineswegs nur um zeitweilige Lieferengpässe bei einzelnen Großhändlern, sondern auch um Arzneimittel, die vom Hersteller nicht ausgeliefert werden oder außer Handel gesetzt wurden. Solche Verordnungen erfordern stets eine Rücksprache mit dem Arzt und führen zu erhöhtem Beratungsbedarf.

... führen zu ernsthaften Sorgen

Mitunter entspricht auch die Zahl der verordneten Arzneimittel nicht den Erwartungen der Patienten. In der Apotheke stellt sich dann die Frage, ob hier bewusst eine Medikation geändert bzw. abgesetzt oder ob ein Arzneimittel vergessen wurde. Ebenso großes Erstaunen bei den Patienten lösen zusätzliche unbekannte Arzneimittel aus, über deren Anwendung sie nichts wissen. Andererseits erkennen manche Patienten falsche Konzentrationen und Packungsgrößen. Alle diese Fälle erfordern Rücksprachen beim Arzt.

Der Ärger über solche Verordnungen wächst, wenn die Rücksprache das Problem nicht löst, sondern zu neuen Problemen führt. Sprechstundenhilfen, die die Bedeutung des Problems nicht erfassen können, aber nicht zum Arzt durchstellen wollen, sind ebenso kontraproduktiv wie "endlose" Telefonwarteschleifen.

Selbstverständlich stören solche Telefonate den Praxisablauf, aber sie stören den Arbeitsablauf in der Apotheke nicht weniger. Manche Frustrationen, die in den Meldungen der Apotheken anklingen, könnten sicher vermieden werden, wenn die Vertreter der unterschiedlichen Heilberufe mehr Verständnis für die Arbeit des anderen aufbringen würden. Denn letztlich dienen alle Bemühungen den Patienten.

Die Tücken der EDV

Eine weitere Quelle für formale Probleme auf Rezepten ist die Praxis-EDV der Ärzte, die nicht immer das tut, was sich ihre Betreiber wünschen. So wird aus einer Apotheke in Bergheim über vier einzelne Rezepte für die vier Bestandteile einer Rezeptur und über vollständig misslungene Rezeptdrucke berichtet.

Während solche Pannen manchmal eher komisch anmuten, sind andere EDV-Probleme sogar beabsichtigt. Denn einige Praxiscomputer drucken automatisch das billigste Generikum aus, ob dies nun lieferbar ist oder nicht. Dies führt zur Rücksprache und Korrektur des Rezeptes. Solche Probleme könnten allerdings vermieden werden, wenn die Rezepte schon in der Praxis handschriftlich korrigiert werden oder eine andere Software gewählt würde.

Rezepte – Wortlaut und Bedeutung

Alle diese Fälle bekräftigen die Erkenntnis, dass Rezepte keineswegs immer so gemeint sind, wie es ihrem Wortlaut entspricht. Die daraus resultierenden Probleme sind umso besser zu handhaben, je kürzer die Informationswege zwischen Apotheke, Patient und Arzt sind. Apotheken vor Ort können sich auf die Besonderheiten des benachbarten Arztes einstellen – und sei es auf die Probleme, die ihm sein Praxiscomputer bereitet.

Diese Erfahrungen sprechen nicht nur gegen Arzneimittelversandhandel, sondern zeigen auch, welche enormen Schwierigkeiten die Informationsübertragung von den Arztpraxen zu einem zentralen Server für Verordnungen auslösen würde. Das elektronische Rezept – in welcher Form es auch kommen mag – muss sich diesen Alltagsproblemen stellen.

Mögliche Fehler und ihre Entstehung

Aufgrund der in dieser Folge beschriebenen Erfahrungen muss die Liste der arzneimittelbezogenen Probleme gegenüber der vorangegangenen Folge um diese Punkte ergänzt werden:

  • falsche Altersgruppe,
  • sonstige falsche Konzentrationsangabe,
  • falsche Dosierung,
  • formale Fehler.

Aus der Perspektive der Patienten und des Versorgungsprozesses scheinen nach den bisher im Rahmen dieser Serie vorgestellten Praxisberichten die folgenden Versorgungssituationen besonders fehleranfällig zu sein:

  • Entlassungen aus dem Krankenhaus,
  • Umstellungen einer Dauermedikation,
  • Generika- oder Importarzneimittelwechsel,
  • Arzneimittelallergien in der Anamnese,
  • Schwangerschaft oder Stillzeit,
  • Kinder,
  • Rezepturen,
  • (Reise-)Impfungen.

Diese Liste wird in weiteren Folgen zu ergänzen sein. In der nächsten Folge wird die Darstellung arzneimittelbezogener Probleme mit den Wechselwirkungen fortgesetzt. Außerdem werden Leistungen der Apotheken im Rahmen der Selbstmedikation der Patienten präsentiert.

In der 3. Folge der Serie "Arzneimittelsicherheit im Apothekenalltag" geht es wieder um falsche Angaben auf Rezepten. So werden Arzneimittel für Kinder verordnet, die für sie nicht zugelassen oder geeignet sind, oder es werden Arzneimittel in falschen Konzentrationen oder Dosierungen verordnet, oder die Rezepte sind mit manchen skurrilen Angaben versehen.

Einzelne Ärzte scheinen davon auszugehen, es sei ohnehin alleinige Aufgabe der Apotheken, sich um angemessene Dosierungen und Packungsgrößen zu kümmern.

Für die Apotheken sind Dosierungs- und Konzentrationsfehler meist keine schwierigen Fälle, da sie mit pharmazeutischem Sachverstand üblicherweise zu klären sind. Doch im Versandhandel ist dies ungleich schwerer.

Manche Frustrationen könnten sicher vermieden werden, wenn die Vertreter der unterschiedlichen Heilberufe mehr Verständnis für die Arbeit des anderen aufbringen würden.

Die Erfahrungen sprechen nicht nur gegen Arzneimittelversandhandel, sondern zeigen auch, welche enormen Schwierigkeiten die Informationsübertragung von den Arztpraxen zu einem zentralen Server für Verordnungen auslösen würde.

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