Praxis

Warum doppelt nicht besser ist

Praktische Beispiele aus dem Apothekenalltag zeigen, wie wichtig die Aufklärung möglicher Wechselwirkungen ist. In manchen Fällen kann die Intervention in der Apotheke sogar lebenswichtig sein und darf daher nicht unterbleiben. Ähnliches gilt für Doppel- und Pseudodoppelverordnungen, die ebenfalls in dieser neuen Folge unserer Serie zur Arzneimittelsicherheit vorgestellt werden.

Bereits in der vorigen Folge wurde über zahlreiche Fälle berichtet, in denen mögliche oder wahrscheinliche Wechselwirkungen verschiedener Arzneimittel für den gleichen Patienten in Apotheken erkannt wurden. Der angemessene Umgang mit solchen Situationen gilt in Apotheken vielfach als Gratwanderung. Der potenziellen, vielleicht auch nur theoretischen Gesundheitsgefahr steht eine mögliche Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Patient, Arzt und Apotheker gegenüber. Ob eine denkbare Interaktion wegen eines wichtigen Therapiezieles bewusst in Kauf genommen wird oder einfach übersehen wurde, ist dem Rezept nicht immer anzusehen. Anhand der Meldungen aus verschiedenen Apotheken lässt sich nicht abschätzen, wie häufig Verordnungen mit Wechselwirkungen sind. Einen deutlichen Anhaltspunkt für eine solche quantitative Betrachtung liefern aber die Meldungen aus einer Apotheke in Weimar. Das sehr dokumentationsfreudige Team aus dieser Apotheke meldete der DAZ-Redaktion 32 identifizierte beachtliche Wechselwirkungen aus einem Zeitraum von 17 Monaten, wobei offen bleibt, wie viele Interaktionen in dieser Zeit insgesamt erkannt wurden. Allein die Hochrechnung der gemeldeten Fälle würde deutschlandweit auf fast eine halbe Million Wechselwirkungen pro Jahr schließen lassen.

Gemeldete Wechselwirkungen – und die Reaktionen

Die Dokumentation aus Weimar ermöglicht zudem abzuschätzen, wie sich Wechselwirkungen auf verschiedene Typen verteilen, auch wenn dies keine repräsentative Analyse sein kann. Bei 23 von 32 erfassten Wechselwirkungen verordnete jeweils ein Arzt die beiden Arzneimittel, nur drei Fälle ergaben sich erkennbar aus Verordnungen verschiedener Ärzte, fünfmal war diese Zuordnung unklar und ein Problem ergab sich aus der Selbstmedikation. Acht Interaktionen wurden mit Hilfe von Kundenkarten erkannt. Die Verordner reagierten in fünf Fällen nicht, in sieben Fällen waren die potenziellen Gefahren bereits bekannt und die Patienten wurden engmaschig kontrolliert oder zu einem besonderen Einnahmeverhalten instruiert, in sieben weiteren Fällen wurden solche Schutzmaßnahmen aufgrund der Intervention der Apotheke veranlasst. Sieben Verordnungen wurden nach der Meldung aus der Apotheke geändert oder gestrichen, sechsmal war keine Klärung herbeizuführen oder das Ergebnis wurde nicht dokumentiert. Mindestens sieben ermittelte Interaktionen können als potenziell lebensbedrohlich eingestuft werden, nur in einem Fall handelte es sich um einen klaren Fehlalarm, weil eine verordnete Ringer-Lösung nicht innerlich angewendet, sondern zur äußerlichen Spülung dienen sollte.

Inhaltlich weist die Dokumentation aus Weimar einige typische Fälle auf, die mit geringen Variationen mehrfach vorkamen. Daher bietet sich auch für andere Apotheken an, besonders aufmerksam auf diese offenbar besonders praxisrelevanten Fehlkombinationen zu achten:

  • Betasympathomimetika zur Asthmatherapie und Betablocker systemisch zur Blutdrucksenkung oder als Augentropfen: Die Wirkungen können sich aufheben, mit einem Asthmaanfall als Folge (zwölf Fälle).
  • kaliumsparende Diuretika, besonders Spironolacton (z. B. Kaliumcanrenoat in Aldactone®), und Kalium: Hyperkaliämie und möglicherweise Herzstillstand können die Folge sein (sechs Fälle).
  • Kombination mehrerer gerinnungshemmender Arzneimittel, beispielsweise Heparin-Derivate und ASS, die die Gerinnung zu stark herabsetzen und zu Blutungen führen können (drei Fälle).
  • Kombination von Doxycyclin mit Kationen, beispielsweise aus Bismut-, Calcium- oder Eisenpräparaten, die das Antibiotikum binden und damit unwirksam machen können (drei Fälle).

Außerdem wurde über eine Kombination des Antibiotikums Doxycyclin und des Aknemittels Isotretinoin berichtet, bei der er es zu einer Erhöhung des Schädelinnendruckes kommen kann.

Die zahlreichen Beispiele aus nur einer Apotheke zeigen, welche große praktische Bedeutung Wechselwirkungen im Versorgungsalltag haben. Die guten Erfahrungen aus solchen Apotheken sollten noch mehr Apothekenteams Mut machen, erfasste Interaktionen mit den Ärzten zu klären und möglichst weiterführende Vorschläge zur Lösung der Probleme zu machen. Je besser der persönliche "Draht" zum Verordner ist, umso mehr Erfolg dürfte dies versprechen. Dies kann als wichtiger Vorteil einer dezentralen Arzneimittelsorgung betrachtet werden, die niederschwellige Kontakte auf der Grundlage persönlicher Bekanntheit und gegenseitigen Vertrauens ermöglicht.

Doppelverordnungen von verschiedenen Ärzten

Als eine spezielle Form von Wechselwirkungen können Doppelverordnungen interpretiert werden. Dies sind zwei- oder mehrfache Verordnungen gleicher oder in ihrer Wirkung entsprechender Arzneimittel für einen Patienten. Möglicherweise noch öfter als andere Fälle von Wechselwirkungen resultieren sie aus der fehlenden Kommunikation zwischen Ärzten. Es ist immer wieder erstaunlich, dass etliche Patienten offenbar die gleichen Krankheiten von unterschiedlichen Ärzten behandeln lassen, dabei aber nicht über die Medikation des jeweils anderen Arztes berichten und offenbar auch kein Problem in der Anwendung der Medikationen unterschiedlicher Ärzte sehen, solange die Packungen der verordneten Arzneimittel nicht vollkommen identisch sind.

Doppelverordnungen kommen in verschiedenen Varianten vor: Zwei Ärzte können jeweils das genau gleiche Arzneimittel oder zwei wirkstoffgleiche Generika verordnen. Zu ähnlichen Problemen führen Pseudodoppelverordnungen, bei denen Arzneimittel aus der gleichen Produktgruppe mit zwei verschiedenen Wirkstoffen, aber gleichartiger Wirkung verordnet werden.

Die nachfolgend genannten Arzneimittel wurden beispielsweise für den jeweils gleichen Patienten von verschiedenen Ärzten verordnet:

  • zwei verschiedene Enalapril-Generika in Lindlar,
  • Isoptin® 120 (Verapamil) und ein Verapamil-Generikum in der gleichen Konzentration in Heimbach.

Das Beispiel des bereits in der höchsten gebräuchlichen Konzentration verordneten Verapamil zeigt, wie leicht Doppelverordnungen zu gefährlichen Überdosierungen führen können.

Die nachfolgenden Beispiele für Pseudodoppelverordnungen wurden aus einer Apotheke in Riesa gemeldet:

  • Antra® (Omeprazol) vom Hausarzt und Pantozol® (Pantoprazol) vom Gastroenterologen: zwei nahe verwandte Protononenpumpenblocker.
  • Betamethason-Salbe und Triamcinolon-Spiritus vom Dermatologen und Dexamethason-Salbe und Dermatop® Lösung (Prednicarbat) vom Hausarzt: insgesamt vier Zubereitungen mit Corticoiden unterschiedlicher Wirkstärke.
  • Aknemycin® Plus Lösung (Erythromycin und Tretinoin) vom Hautarzt und eine andere Erythromycin enthaltende Lösung vom Kinderarzt: zwei Zubereitungen mit dem Antibiotikum Erythromycin zur äußerlichen Anwendung.

Aus dieser Apotheke stammt auch ein Beispiel aus der Selbstmedikation. Eine Kundin verlangte aufgrund der Empfehlung einer Bekannten Grippostad® C. Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie bereits Präparate mit Acetylsalicylsäure und Paracetamol einnimmt. Das weitere Produkt mit Paracetamol hätte damit zu einer Überdosierung führen können.

Doppelverordnungen vom gleichen Arzt

Doch stammen Doppelverordnungen ebenso wie andere Verordnungen mit Wechselwirkungen keineswegs immer von verschiedenen Ärzten, es wurden sogar mehr Doppelverordnungen vom gleichen Arzt gemeldet. Die meisten dieser Fälle können zwei verschiedenen Konstellationen zugeordnet werden. Eine typische Konstellation entsteht aus organisatorischen Pannen. Dies kann ein Zettel sein, der in einer Arztpraxis nach Ausstellung des ersten Rezeptes nicht weggeworfen wird und am nächsten Tag zu einer neuen Verordnung führt, wie in einem Fall aus Krefeld. Häufiger wurde über organisatorische Pannen in Alten- und Pflegeheimen berichtet. So wurden – vermutlich von verschiedenen Pflegekräften – gleiche Rezepte an zwei aufeinander folgenden Tagen oder zumindest mehrfach innerhalb eines kurzen Zeitraums in der Arztpraxis "bestellt".

Aus einer Apotheke in Krefeld wurde über 17 solcher Fälle bei Heimpatienten berichtet. Dabei waren unterschiedliche Arten von Arzneimitteln betroffen, Insuline, Asthmapräparate, Blutdrucksenker, Lipidsenker, diverse Psychopharmaka, aber auch Verbandstoffe.

Eine andere Form der Fehlorganisation im Heim wurde bei einer Patientin deutlich, der vom gleichen Arzt innerhalb weniger Wochen mehrfach das Antiepileptikum Carbamazepin 400 mg in einer Packungsgröße von jeweils 50 Retardtabletten verordnet wurde. Durch die Intervention der Apotheke wurde die Verordnung auf die wesentlich kostengünstigere Packung mit 200 Retardtabletten umgestellt.

Wesentlich problematischer erscheinen zwei andere Fälle aus dieser Dokumentation der Pannen im Heim. Dabei wurden gleich drei Verordnungen über jeweils 20 Tabletten Flunitrazepam 1 mg für einen Patienten innerhalb von zehn Tagen und zwei Verordnungen über 50 Tabletten Tavor® 0,5 (Lorazepam) für die gleiche Patientin am gleichen Tag vorgelegt. Es sollte besonders nachdenklich stimmen, dass in der betroffenen Arztpraxis Rezepte über Arzneimittel mit hohem Abhängigkeitspotenzial offenbar ohne Schwierigkeiten zu erhalten sind, wie im Fall dieser beiden Benzodiazepine. In finanzieller Hinsicht führen die Bemühungen, solche Doppelverordnungen zu erkennen, für die Apotheken zu Verlusten. Denn als Ergebnis sind die "überzähligen" Verordnungen stets zu streichen. Einen Ersatz für die Mühen erhalten die Apotheken nicht, obwohl dies auch zur Einsparung überflüssiger Ausgaben der Krankenkassen führt. In einigen Hausapothekenverträgen zeichnet sich hierzu allerdings endlich eine Honorarregelung ab.

Misslungene Therapieumstellungen

Die andere Variante der Doppel- und Pseudodoppelverordnungen vom gleichen Arzt betrifft Verordnungen entsprechender oder ähnlicher Arzneimittel bei Therapieumstellungen. Mitunter ist den Patienten nicht bewusst, dass die Therapie umgestellt wird und ein Arzneimittel als Ersatz für ein anderes Präparat dienen soll. Solange noch Reste des bisher angewendeten Produktes vorhanden sind, werden dann möglicherweise beide Arzneimittel eingenommen, was zu einer erheblichen Überdosierung führt. Dies fiel beispielsweise bei Umstellungen von Aequamen® (Betahistin) auf ein Betahistin-Generikum und vom Original-Lipidsenker Sortis® (Atorvastatin) auf ein Simvastatin-Generikum in einer Apotheke in Aldenhoven auf.

Manchmal wird eine solche Umstellung aber auch in der ärztlichen Kartei nicht richtig dokumentiert und das "alte" Arzneimittel wird zusätzlich weiter verordnet, wie bei einer Umstellung auf das Generikum eines Antidiabetikums in einem Fall in Erfurt und bei der gleichzeitigen Verordnung des ACE-Hemmers Delix® (Ramipril) als Originalpräparat und seiner generischen Bezeichnung Ramipril in Heimbach. Ein vergleichbarer Fall einer Pseudodoppelverordnung wurde in Riesa erkannt, wo die Betablocker Propranolol und Atenolol für die gleiche Patientin verordnet wurden. Ein weiterer Fall wurde aus Heimbach berichtet, wo eine Patientin die Antidiabetika Glimepirid und Glibenclamid verordnet bekam. Wenn sich solche Doppelmedikationen erst einmal in einer Kartei "eingeschlichen" haben, besteht die Gefahr, dass sie über längere Zeit weiter geführt werden, wenn aus der Apotheke nicht interveniert wird.

Doppelt und dreifach gefährlich

Einige Doppelverordnungen vom gleichen Arzt können allerdings nicht den beiden oben genannten "typischen" Kategorien zugeordnet werden, wie ein weiteres Beispiel aus der gleichen Apotheke in Heimbach zeigt. Dort wurde ein Rezept über Novaminsulfon Tropfen, Diclofenac 50 mg Tabletten und Arthrex® duo vorgelegt. Letzteres enthält ebenfalls den Wirkstoff Diclofenac, so dass eine klassische Doppelverordnung vorlag. Insgesamt wurden damit drei Schmerzmittel verordnet.

Dabei hätte die verordnete Dosierung zu einer Tagesdosis von 250 mg Diclofenac und so zu einer deutlichen Überdosierung mit einem erhöhten Risiko einer Magenblutung geführt. Der Patient ging jedoch davon aus, mit dem dritten Präparat auf dem Rezept ein Arzneimittel zum Magenschutz zu erhalten. Offensichtlich bestand in der Arztpraxis die gleiche falsche Annahme. Eine Rücksprache der Praxis mit der behandelnden Schmerzambulanz ergab schließlich, dass als drittes Arzneimittel der Protonenpumpenblocker Omeprazol verordnet werden sollte. Wo der Fehler entstanden war, blieb offen.

In einer Apotheke in Saarburg wurde die Pseudodoppelverordnung eines Arztes erkannt, der auf einem Rezept zwei Antibiotika vom Typ der Gyrasehemmer, Levofloxazin und Ofloxacin, verordnet hatte. Aufgrund der weitgehend übereinstimmenden Wirkungsspektren war eines dieser Antibiotika überflüssig. Es hätte nur die Gefahr von Nebenwirkungen erhöht.

Über einen in doppelter Hinsicht krassen Fall einer Doppelverordnung wurde aus Oberhausen berichtet. Dort wurden auf dem gleichen Rezept Novodigal® und Digotab®, zwei Beta-Acetyldigoxin-Präparate mit unterschiedlichen Handelsnamen, verordnet. Obwohl schon eine Doppelverordnung auf nur einem Rezept bemerkenswert ist, verdient hier der betroffene Arzneistoff noch stärkere Beachtung. Denn das Herzglykosid weist nur eine geringe therapeutische Breite auf, so dass dieses Rezept sicher in die Kategorie lebensbedrohlich gehört. Ursache soll die Vorgehensweise einer Arzthelferin gewesen sein, die zusätzlich zur alten Medikation des Hausarztes die Krankenhausmedikation auf das Rezept geschrieben hat.

Dieses extreme Beispiel zeigt, dass sogar die Verordnung des richtigen Arzneimittels lebensgefährlich sein kann. Es sollte zudem eine Mahnung sein, auf Doppelverordnungen zu achten, in Zweifelsfällen Kontakt mit dem Arzt aufzunehmen und nicht darauf zu vertrauen, ein merkwürdig anmutendes Rezept habe schon seine Richtigkeit. Verantwortungsbewusste Ärzte sollten sich über kritische Rückfragen aus Apotheken freuen, denn sie sind für die Verordner ein Schutz vor den auch für sie möglicherweise schwerwiegenden Folgen kleiner organisatorischer Pannen. In der nächsten Folge werden einige Arzneimittelgruppen vorgestellt, die sich im Apothekenalltag als besonders anfällig für Verordnungsfehler und andere Versorgungsprobleme erwiesen haben.

Doppelt wirksam?

Über einen besonders kuriosen Fall, der wohl kaum in eine systematische Kategorie passt, wurde aus einer Apotheke in Bad Königshofen berichtet. Eine 50jährige Patientin kam im Sonntagsdienst in die Apotheke und hatte vergessen, sich die "Pille" verschreiben zu lassen. Für einen Hinweis an den ärztlichen Bereitschaftsdienst sollte in der Apotheke der Name des Kontrazeptivums ermittelt werden, an den sich die Patientin nicht erinnern konnte. Die Suche in der Patientendatei ergab eine länger zurückliegende Eintragung. Bei einem Blick auf die Packung meinte die Patientin: "Das ist die falsche, das bekomme ich vom Frauenarzt gegen die Wechseljahre. Der Hausarzt schreibt mir eine weiß-grüne Schachtel auf." So stellte sich heraus, dass die Frau zehn Jahre lang gleichzeitig zwei verschiedene Hormonpräparate eingenommen hatte.

Arzneimittelsicherheit

Im Rahmen einer Serie zur Arzneimittelsicherheit, die im Jahr 2003 in der DAZ erschien, hatten wir dazu aufgerufen, Fälle zu dokumentieren, bei denen durch Interventionen in Apotheken wesentliche Beiträge zur Arzneimittelsicherheit geleistet wurden. Dazu gehören sowohl Korrekturen fehlerhafter Verordnungen als auch besondere Distributions- oder Serviceleistungen. Auch der Apothekerverband Nordrhein hat mehrfach zur Sammlung solcher Fälle aufgerufen. Die Auswertung der zahlreichen daraufhin eingegangenen Meldungen wird im Rahmen der hier vorliegenden Serie veröffentlicht. Die bisher veröffentlichten Folgen sind in DAZ 36 S. 51, DAZ 38 S. 86 und DAZ 40 S. 78 erschienen.

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