Praxis

Von Kontraindikationen und Wechselwirkungen

Ein Arzneimittel ist nicht von sich aus gut oder schlecht, wirksam oder gefährlich, unbedenklich oder problematisch in der Anwendung. Es kommt auf die Indikation, den behandelten Patienten und die gleichzeitig angewendeten anderen Arzneimittel an. Der Einsatz eines Arzneimittels kann daher erst umfassend bewertet werden, wenn genauso umfassende Daten über den individuellen Patienten und seine Medikation vorliegen. In der dritten Folge unserer Serie zur Arzneimittelsicherheit werden Beispielfälle vorgestellt, in denen in Apotheken wichtige Kontraindikationen und mögliche Wechselwirkungen festgestellt wurden. Während unangemessene Verordnungen für Kinder meist recht gut zu erkennen sind, hilft in vielen anderen Fällen nur eine gut gepflegte Patientendatei.

In der vorigen Folge wurden Fehler bei der Dosierung von Arzneimitteln für Kinder vorgestellt. Ein weiteres wichtiges Problem bei Rezepten für Kinder ist die Auswahl eines passenden Wirkstoffes für die jeweilige Altersgruppe. So kann auch das Alter eines Kindes Anlass für eine Kontraindikation sein, weil viele gängige Arzneistoffe erst ab einem bestimmten Lebensalter zugelassen sind. Bei manchen Erkrankungen, insbesondere im Rahmen der Krankenhausbehandlung, bleibt oft keine andere Wahl als die Off-label-Anwendung eines nicht ausdrücklich für Kinder zugelassenen Arzneimittels. Bei den alltäglichen Behandlungen häufiger Erkrankungen, die den weitaus größten Teil der Arbeit in Apotheken betreffen, sollte dies aber kein Argument sein, weil für diese Situationen zumeist Arzneimittel mit einer Zulassung für Kinder verfügbar sind. Das Problem scheint dann nicht unbedingt der Mangel an Alternativen zu sein, sondern das Bewusstsein, im entscheidenden Moment an die begrenzten Anwendungsmöglichkeiten gängiger Arzneistoffe zu denken, wie die folgenden Beispiele nahe legen.

Für Kinder geeignet?

Ein typisches Beispiel ist Diclofenac, für das ein Lebensalter unter sechs Jahren als Kontraindikation gilt. Bei Kindern unter 15 Jahren liegen gemäß Fachinformationen keine Erfahrungen vor, es wird aber unter ärztlicher Aufsicht an Kinder verabreicht, was eine typische Off-label-Anwendung darstellt. Für diesen Fall wird eine Dosierung von 2 bis 3 mg pro kg Körpergewicht pro Tag, verteilt auf zwei bis vier Einzelgaben, empfohlen.

Aus einer Apotheke in Bretten wurde über ein Diclofenac-Rezept für ein zwölfjähriges Kind berichtet, das auf Ibuprofen umgestellt wurde. In Attendorn wurde Diclofenac Gel für ein noch nicht ganz vierjähriges Kind verordnet, obwohl auch die äußerliche Anwendung erst ab sechs Jahren vorgesehen ist. In Bergisch Gladbach wurde in einem Krankenhaus für ein 13-jähriges Mädchen Diclofenac 50 mg mit der Dosierung dreimal täglich ein Zäpfchen verordnet. Bei einem Gewicht des Kindes von 40 kg war dies eine Überdosierung gegenüber der obigen Empfehlung. Mit dem Krankenhausarzt wurde eine Umstellung auf dreimal täglich ein Diclofenac 25 mg Suppositorium vereinbart.

Auch bei anderen Wirkstoffen sind solche Probleme anzutreffen, wie die folgenden Beispiele zeigen:

  • Verordnungen von Sedotussin® Suppositorien (Pentoxyverincitrat) für ein zehn Monate altes Kind (Fall aus Lindlar) und ein 19 Monate altes Kind (Fall aus Attendorn), obwohl diese erst ab dem Alter von zwei Jahren anzuwenden sind.
  • Verordnung von Sedotussin® Suppositorien in zu hoher Dosierung: nach Rücksprache umgestellt auf Prospan® Suppositorien (Fall aus Korbach).
  • Verordnung von Ophtalmin® N Augentropfen (Tetryzolin-HCl) für ein Kind unter zwei Jahren, obwohl dieses Arzneimittel nicht für diese Altersgruppe vorgesehen ist (Fall aus Korbach).
  • Verordnung von Ciprofloxacin, das in der Wachstumsphase kontraindiziert ist, für ein 15-jähriges Mädchen: nach Rücksprache umgestellt auf Cotrim® forte (Fall aus Bonn).

Aus einer Apotheke in Duisburg wurde über eine Verordnung von Paracetamol comp. für ein neunjähriges Kind berichtet. Dabei war aber nicht das Kombinationspräparat mit dem für Kinder dieser Altersgruppe kontraindizierten Codein gemeint, sondern nur Paracetamol ohne "comp.". Eine Woche nach dem diesbezüglichen Anruf in der Praxis wurde in der gleichen Apotheke wiederum ein Rezept vom gleichen Arzt für ein anderes neunjähriges Kind über Paracetamol comp. vorgelegt. Beide Rezepte wurden vom Computerdrucker ausgedruckt. Vermutlich wurde hier eine standardisierte Vorgehensweise nach der ersten Rückmeldung aus der Apotheke nicht grundsätzlich korrigiert.

Kontraindikationen

Im Vergleich zu anderen Kontraindikationen können Verordnungen, die für die betreffende Altersgruppe ungeeignet sind, in Apotheken einfach erkannt werden, weil das Geburtsdatum auf den Rezepten aufgedruckt ist. Die obigen Beispiele sollten als Ansporn dienen, diese wertvolle Information zu nutzen. Verordnungen individuell kontraindizierter Arzneimittel kommen aber nicht nur bei Kindern vor, sondern können auch Erwachsene betreffen. Dabei geht es um Anwendungsbeschränkungen wegen bestehender Krankheiten, Unverträglichkeiten, Allergien oder wegen einer Schwangerschaft. Abgesehen von einer fortgeschrittenen Schwangerschaft sind diese Fälle in der Apotheke nur zu erkennen, wenn entsprechende Patientendaten gespeichert werden. Anderenfalls bleibt wieder nur das persönliche Gespräch als entscheidende Informationsquelle.

Über zwei Beispiele, bei denen Kontraindikationen im Zusammenhang mit sichtbaren Schwangerschaften erkannt wurden, liegen Berichte aus einer Korbacher Apotheke vor. Verordnet waren dabei Clioquinol bzw. Ciprofloxacin. Gyrasehemmer wie Ciprofloxacin sind wegen möglicher Störungen in der Wachstumsphase sogar bei Jugendlichen unter 18 Jahren kontraindiziert. In Kirchzarten wurde ein Rezept eines Gynäkologen über einen Gyrasehemmer mit dem ausdrücklichen Vermerk "Gravidität" vorgelegt. Nach Intervention aus der Apotheke wurde die Verordnung korrigiert, allerdings stellte sich später heraus, dass die Patientin gar nicht schwanger und der entsprechende Vermerk auf dem Rezept falsch war.

Aus einer Erfurter Apotheke wurde über die Verordnung lactosehaltiger Tabletten für einen Patienten mit Lactoseintoleranz berichtet. In einer Apotheke in Attendorn fiel ein Rezept über Ibuprofen für einen Patienten mit sehr empfindlichem Magen und Magenbluten in der Anamnese auf. Die Verordnung wurde auf Paracetamol umgestellt.

In Duisburg verordnete ein Zahnarzt Dolomo® TN. Das codeinhaltige Schmerzmittel war für eine Patientin bestimmt, die an einem Programm zur Methadon-Substitution teilnimmt und daher kein zusätzliches Opiat erhalten darf. Aus der Apotheke wurde dieser Fall mit der Bemerkung "fast schon ein Klassiker" kommentiert, was auf eine beträchtliche Häufigkeit dieses Problems hindeutet.

Allergien erkennen und beachten

Die meisten Meldungen im Zusammenhang mit individuellen Kontraindikationen betreffen aber nachgewiesene Allergien. In den diesbezüglichen Meldungen ging es stets um Antibiotika, deren Verordnungen daher in dieser Hinsicht besonders sorgfältig hinterfragt werden sollten. Aus Apotheken in Lindlar, Heinsberg und Wuppertal wurde über Verordnungen von Amoxicillin oder Penicillin V für Patienten mit Penicillin-Allergie berichtet. Bei der Amoxicillin-Verordnung in Wuppertal brachte der Satz "Hier sind ihre Penicillin-Tabletten" bei der Abgabe den entscheidenden Hinweis. Die offensichtlich schwangere Patientin war daraufhin sehr überrascht, denn sie hatte eine Penicillin-Allergie und war davon ausgegangen, dass dies bei der Verordnung berücksichtigt wurde.

In einer Apotheke in Heimbach sollte ein Rezept über einen Erythromycin-Saft für ein Kind beliefert werden. Auf die Frage nach etwaigen Unverträglichkeiten gegen Arzneimittel nannte die Mutter eine "Antibiotikaallergie" des Kindes. Angesichts dieser ungenauen Aussage wurde in der Praxis nachgefragt und eine Allergie gegen Erythromycin bestätigt, die aber offenbar bei der Verordnung nicht berücksichtigt wurde. Die Verordnung wurde in Cefuroxim Saft geändert.

Angesichts der Vielzahl verfügbarer Antibiotika für die gängigen Indikationen ist die Suche nach Alternativen in diesen Fällen meist kein großes Problem. Doch zeigen die Beispiele, dass eine Rückfrage sogar dann angebracht sein kann, wenn die Information über eine Allergie in der Arztpraxis vorliegt.

Wechselwirkungen häufig und praxisrelevant

Ein häufigeres Problem als solche Kontraindikationen scheinen aber Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln zu sein. Zumindest in den Meldungen, die aufgrund der Aufrufe des Apothekerverbandes Nordrhein und der DAZ eingegangen sind, wurde häufiger über Interaktionen als über Kontraindikationen berichtet.

Auch gegenüber den vor zwei Jahren ausgewerteten Berichten wurden Wechselwirkungen häufiger gemeldet. Allerdings stammen auffallend viele Meldungen zu diesem Problem aus relativ wenigen Apotheken. Dies lässt eine große "Dunkelziffer" erwarten. Zugleich sollten die durchweg positiven Erfahrungen aus diesen Apotheken andere Apotheker ermuntern, gezielt auf Wechselwirkungen zu achten.

Über die offenbar verbreiteten Doppel- und Pseudodoppelverordnungen, die als eine spezielle Form von Wechselwirkungen interpretiert werden können, wird in einer späteren Folge berichtet. Unter den Wechselwirkungen können als weitere Besonderheit solche Fälle abgegrenzt werden, bei denen die Arzneimittel nicht vollkommen inkompatibel sind, aber ein zeitlicher Abstand bei der Einnahme eingehalten werden muss. Ein praxisrelevantes Beispiel bildet die Kombination von Doxycyclin mit Antacida. Es kann nicht vorausgesetzt werden, dass solche Einnahmehinweise vom Arzt vermittelt werden.

Problemfall Ärztemuster

Die Beratungsfunktion der Apotheke wird aber ausgehebelt, wenn die Patienten Ärztemuster erhalten, wie im Fall einer Patientin in Bergneustadt. In der Apotheke fiel bei einem Rezept über Calcimagon® auf, dass die Patientin zuvor bereits Fosamax® erhalten hatte. Daher wurde sie aufgefordert, die beiden Arzneimittel nicht zusammen anzuwenden. Genau das hatte sie aber bisher getan. Gleichzeitig mit dem früheren Rezept über Fosamax® hatte sie vom Arzt bereits eine Packung Calcimagon® erhalten, aber ohne den Anwendungshinweis.

Die Resorption des vergleichsweise teuren und zu Lasten der Krankenversicherung verordneten Bisphosphonats dürfte durch das geschenkte Calciumpräparat weitgehend verhindert worden sein - und damit auch die gewünschte Wirkung.

Kommunikation - Probleme und Lösungen

Weitaus häufiger als solche Wechselwirkungen, die durch eine geschickte Anwendungsweise verhindert werden können, sind Verordnungen grundsätzlich zueinander inkompatibler Arzneimittel. Die unvereinbaren Verordnungen stammen mitunter vom gleichen Arzt. Häufiger scheint aber das klassische Problem der Kommunikation zwischen verschiedenen Verordnern zu sein, die nichts voneinander wissen. Offenbar berichten die Patienten ihren Ärzten nicht ausreichend über ihre sonstige Medikation.

Dies verdeutlicht, wie wichtig die Einführung von Patientendateien ist, beispielsweise im Rahmen der Funktion als Hausapotheke und in der pharmazeutischen Betreuung. Denn die Ärzte haben praktisch meist keine andere Chance, von der Medikation durch andere Ärzte zu erfahren, und sind daher in aller Regel dankbar für die wertvollen Hinweise aus der Apotheke. Doch auch in Fällen, bei denen die inkompatiblen Arzneimittel vom gleichen Arzt verordnet wurden, wurde über sehr positive Reaktionen der Ärzte und Patienten berichtet.

Die Kommunikation mit den Ärzten wird durch die persönliche Bekanntheit des Apothekers erleichtert und auch die Patienten können im persönlichen Gespräch "diplomatisch" informiert werden. Damit bietet die dezentrale Versorgung durch eine Apotheke in der Nachbarschaft des Arztes große Vorteile für die Lösung von Interaktionsproblemen, sofern die Apotheker diese günstigen Bedingungen nutzen. Beim Arzneimittelbezug auf dem Versandweg dürften einer solchen Kommunikation dagegen zusätzliche Hürden entgegen stehen.

Beispiele aus dem Alltag

Es kann auch nicht vorausgesetzt werden, dass die Patienten die entscheidenden Hinweise zur richtigen Anwendung ihrer Arzneimittel oder gar mögliche Wechselwirkungen eigenständig aus den Packungsbeilagen entnehmen können. Dies gilt erst recht für Patienten mit Hörproblemen und eingeschränkter Verständnisfähigkeit, wie im Beispiel einer 85-jährigen Patientin in Essen. Sie bekam von einem Orthopäden Diclofenac 50 mg Tabletten verordnet. Erst in einem ausführlichen Gespräch in der Apotheke stellte sich heraus, dass sie unter Asthma leidet. Auf eine frühere Anwendung des Wirkstoffes hatte sie bereits mit einem Asthmaanfall reagiert. Die beträchtliche für eine so ausführliche Anamneseerhebung erforderliche Zeit wurde offenbar in der Arztpraxis nicht aufgewendet.

Ähnliche Probleme können aber alle Patienten betreffen und sind keineswegs auf Fälle mit erschwerter Kommunikation begrenzt, wie die folgenden Beispiele aus einer Apotheke in Heimbach zeigen:

  • Verordnung von Ciprofloxacin für eine Patientin mit Theophyllin-Dauermedikation: Die Kombination kann die Theophyllin-Wirkungen und -Nebenwirkungen verstärken. Da die Patientin bereits über Schlafstörungen berichtete, wurde nach Rücksprache ein anderes Antibiotikum ausgewählt.
  • Verordnung von Aponal® 10 (Doxepin) und Avalox® 100 (Moxifloxacin): Als Folge einer Interaktion sind QT-Zeit-Verlängerungen und Schlafstörungen möglich. Die Patientin hatte dem Arzt bereits über Unruhe und Herzprobleme berichtet. Diese Probleme soll er auf den Alkohol in den gleichzeitig angewendeten Echinacea-Tropfen zurückgeführt haben. Nach der Information durch die Apotheke wählte der Arzt ein anderes Antibiotikum aus.
  • Gespräch mit einem Patienten mit Phenprocoumon-Dauermedikation: Der Patient klagte über Ohrensausen und berichtete, dass der Arzt ihm dagegen ein Ärztemuster Gingium® 80 gegeben hatte. Die Kombination von Phenprocoumon und dem Trockenextrakt aus Ginkgo biloba-Blättern, insbesondere in der hohen Dosierung, kann die Blutungsneigung verstärken. Der Arzt bat daraufhin, das Muster vom Patienten zurückzunehmen.
  • Verordnung über Selegilin 10 Tabletten für eine Patientin, die regelmäßig von einem anderen Arzt Paroxetin 20 verordnet bekommt: Die Kombination kann nach wenigen Stunden zu einem Serotoninsyndrom führen, das in schweren Fällen lebensbedrohlich ist. Der Arzt bat nach Rücksprache, das Rezept nicht zu beliefern, da er sich mit dem Fall näher befassen wollte.
  • Verordnung eines Onkologen über Ixoten® (Trofosfamid) für einen Patienten mit Allopurinol-Dauermedikation: Allopurinol kann die Toxizität von Trofosfamid verstärken. Nach Rücksprache setzte der Arzt die Dosierung von dreimal auf zweimal täglich eine Tablette herab.
  • Nach Krankenhausentlassung Verordnung von Aquaphor® (Xipamid) und Spironolacton für einen Patienten mit Allopurinol-Dauermedikation: Xipamid kann in dieser Kombination die Allopurinol-Wirkung vermindern und damit einen Gichtanfall auslösen. Nach Rücksprache wurde dieses Diuretikum abgesetzt und eine engmaschigere Blutdruckkontrolle veranlasst.

Aus einer Apotheke in Riesa wurde über die folgenden Inkompatibilitäten berichtet:

  • Verordnung von Berlocombin® (Trimethoprim, Sulfamerazin) für einen Patienten mit Phenprocoumon-Dauertherapie: Mögliche Verstärkung der Phenprocoumon-Wirkung und damit verlängerte Blutungszeit durch das Sulfonamid. Der Hausarzt wurde über die Verordnung des anderen Arztes informiert, setzte die Phenprocoumon-Dosis herab und bestellte den Patienten früher zum Gerinnungstest.
  • Verordnung von Mizolastin und Cimetidin: Durch Interaktion im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Abbau über Cytochrom P450 3A4 sind klinisch relevante Wechselwirkungen zu befürchten. Der Arzt akzeptierte den Vorschlag, Ranitidin statt Cimetidin einzusetzen.
  • Gleichzeitige Vorlage von zwei Rezepten von verschiedenen Ärzten über Ofloxacin und Penicillin für eine Patientin mit ASS-Dauermedikation: Die gleichzeitige Anwendung von zwei Antibiotika gegen verschiedene Erkrankungen dürfte sich erübrigen. Der Hausarzt, der Penicillin verordnet hatte, zog diese Verordnung zurück. Um eine mögliche Verzögerung der Elimination des Gyrasehemmers durch Acetylsalicylsäure zu vermeiden, empfahl der Apotheker, ASS mittags zu nehmen und so einen großen zeitlichen Abstand zur übrigen Medikation zu erreichen.

Nicht jede denkbare Interaktion muss zu einer Veränderung der Verordnung führen. Doch auch in solchen Fällen kann ein Gespräch mit dem Arzt Klarheit verschaffen. So fiel in einer Apotheke in Korbach die gleichzeitige Verordnung von Kalium-Duriles® (Kaliumchlorid) und Spironolacton auf einem Rezept auf. Dies wurde nicht verändert, weil der Arzt angesichts des niedrigen Kaliumspiegels keine Gefahr für eine Hyperkaliämie sah.

In der gleichen Apotheke wurde für einen Patienten mit Carbamazepin-Dauermedikation Paracetamol verordnet, dessen Hepatotoxizität durch diese Kombination erhöht werden kann. Nach Rücksprache wurde stattdessen Ibuprofen verordnet. Eine ähnliche Wechselwirkung fiel in einer Apotheke in Attendorn auf.

Einer Patientin mit Phenobarbital-Dauermedikation wurde Paracetamol verordnet, wobei die gleiche Wechselwirkung durch Enzyminduktion auftreten kann. Da diese Patientin bereits ein Leberkoma erlitten hatte, wurde auch sie auf Ibuprofen umgestellt. Demnach können sogar gängige Wirkstoffe aus der Selbstmedikation in manchen Konstellationen Auslöser für ernsthafte Komplikationen werden. Auch wenn die befürchteten Probleme nicht eintreten müssen, erscheint es angesichts der meist unproblematischen Alternativen geboten, solche möglichen Folgen zu beachten.

Und immer wieder Statine

Daher sollten auch Selbstmedikationswünsche und einzelne Verordnungen gängiger Wirkstoffe routinemäßig auf mögliche Interaktionen geprüft werden, wenn entsprechende Patientendaten vorliegen. In manchen Fällen ist aber der Gedanke an eine Interaktion so nahe liegend, dass sich jede weitere Prüfung erübrigt. So wurden auch nach der medienwirksamen Marktrücknahme von Lipobay® immer noch Verordnungen gefunden, bei denen ein Statin mit dem Antibiotikum Klacid® (Clarithromycin) kombiniert wurde. Dies mag ein überzeugender Beleg dafür sein, wie wichtig die Kontrollfunktion der Apotheke ist. Über weitere Fälle von Wechselwirkungen wird in der nächsten Folge berichtet.

Serotoninsyndrom

Werden zwei Arzneistoffe gemeinsam verabreicht, die die Serotoninkonzentration erhöhen, so kann es zu einem Serotoninüberschuss im Gehirn kommen. Anzeichen für ein so genanntes Serotoninsyndrom sind Agitiertheit, Verwirrtheit, Tremor, Myoklonien, Schwitzen, Diarrhö, Fieber oder Schüttelfrost.

Häufige Auslöser sind die Kombination aus Omeprazol und Citalopram, Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) und MAO-Hemmern oder die gemeinsame Gabe von Johanniskrautextrakten mit Antidepressiva wie Paroxetin, Sertralin, Trazodon oder Nefazodon. Auch Tramadol hemmt die Serotoninwiederaufnahme und kann ein Serotoninsyndrom auslösen, wenn es zusammen mit Antidepressiva wie SSRI, mit Trizyklika wie Amitriptylin, Clomipramin, Venlafaxin oder Moclobemid gegeben wird.

 

Serie: Arzneimittelsicherheit

Im Rahmen einer Serie zur Arzneimittelsicherheit, die im Jahr 2003 in der DAZ erschien, hatten wir dazu aufgerufen, Fälle zu dokumentieren, bei denen durch Interventionen in Apotheken wesentliche Beiträge zur Arzneimittelsicherheit geleistet wurden. Dazu gehören sowohl Korrekturen fehlerhafter Verordnungen als auch besondere Distributions- oder Serviceleistungen. Auch der Apothekerverband Nordrhein hat mehrfach zur Sammlung solcher Fälle aufgerufen. Die Auswertung der zahlreichen daraufhin eingegangenen Meldungen wird im Rahmen der hier vorliegenden Serie veröffentlicht. Die bisher veröffentlichten Folgen sind in DAZ 36 S. 51 und DAZ 38 S. 86 erschienen.

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