Arzneimittel und Therapie

Gonadotropine zur Sterilitätsbehandlung: Aus Urin gewonnen oder gentechnisch pr

Von operativen Eingriffen bis zur Hormonbehandlung stehen eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, um Ehepaaren zu helfen, die ungewollt kinderlos sind. Bei der assistierten Reproduktion werden Gonadotropin-Präparate eingesetzt. Ein hochgereinigtes Präparat, das aus dem Urin postmenopausaler Frauen gewonnen wird, schnitt in einer offenen Vergleichsstudie ähnlich gut ab wie rekombinantes FSH. Es kann möglicherweise zur Kostenminimierung beitragen.

Gonadotropine sind Hormone, die die Funktion der Sexualorgane bei Mann und Frau steuern können. Man kennt drei humane Gonadotropine: Follikel-stimulierendes Hormon (FSH) und luteinisierendes Hormon (LH) aus der Hypophyse sowie Choriongonadotropin (CG oder hCG) aus der Plazenta. Zur Unterstützung der Follikelreifung im Rahmen der extrakorporalen Befruchtung werden Gonadotropine aus dem Urin postmenopausaler Frauen (so genanntes Menotropin, ein Gemisch aus FSH und LH) und seit vier Jahren rekombinantes FSH eingesetzt.

Vier neue Reinigungsschritte

Die Ovarialstimulation mit Menotropinen hat bereits eine lange Tradition. Seit April 2001 steht hochgereinigtes Menotropin (Menogon® HP) zur Verfügung. Gegenüber der Herstellung der Vorläufersubstanz Menogon® mit vier Reinigungsschritten wurden in den Herstellungsprozess von Menogon® HP vier weitere Reinigungsschritte aufgenommen. Auf diese Weise wird eine Reinheit erzielt, die mit der Reinheit von rekombinantem FSH vergleichbar ist.

Verunreinigungen sind ausschließlich menschlichen Ursprungs, bei rekombinantem FSH ausschließlich tierischen Ursprungs. Die biologische Wirksamkeit wurde gegenüber der alten Menotropin-Generation von 100 bis 150 I.E./mg auf 3500 bis 4000 I.E./mg etwa verdreißigfacht.

Infektionsgefahr beachten

Reinheit, Virus- und Prionensicherheit sind sowohl für Gonadotropine aus dem Harn als auch für rekombinantes FSH ein wichtiges Thema. Im Tierversuch ließen sich übertragbare spongiforme Enzephalopathien nicht mit dem Urin infizierter Tiere auslösen. Zumindest theoretisch besteht bei Menotropin ein Risiko, wenn die Urinspenderinnen infiziert sind. Der Urin, aus dem Menogon® HP herstellt wird, stammt von argentinischen Frauen.

Bei Menotropin birgt nur das Ausgangsprodukt – der Urin – ein Infektionsrisiko für prionenbedingte oder virale Erkrankungen. Hier kommt es auf die Effizienz der Reinigungsschritte an. Anders stellt sich die Situation für rekombinantes FSH dar: In mehreren Herstellungsschritten und in der Aufreinigung werden Produkte mit einem – wenn auch geringen – Risiko hinzugefügt. Rekombinantes FSH wird in Zelllinien aus chinesischen Hamsterovarien hergestellt. Die transformierten Zellen werden in Zellkulturen vermehrt, deren Medium oft fetales Kälberserum oder andere tierische Sera oder Proteine enthält. Während der Reinigung werden monoklonale Antikörper murinen Ursprungs eingesetzt.

Große prospektive Vergleichsstudie

In einer offenen, prospektiven Studie wurden Wirksamkeit und Sicherheit von hochgereinigtem Menotropin und rekombinantem FSH im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation/intrazytoplasmatischen Spermieninjektion verglichen.

781 Frauen im Alter von 18 bis 38 Jahren nahmen teil. Randomisiert bekamen 373 Frauen hochgereinigtes Menotropin (Menopur®, entspricht Menogon® HP), 354 rekombinantes FSH (Gonal-F®). Nach Vorbehandlung mit einem GnRH-Analogon (langes Protokoll) injizierten sich die Frauen bis Tag 5 täglich 225 I.E. Gonadotropin subkutan. Danach wurde die Dosis individuell angepasst, wobei sie auf maximal 450 I.E. pro Tag gesteigert werden konnte. Die Behandlung dauerte höchstens 20 Tage. Der Eisprung wurde mit Choriongonadotropin ausgelöst. Die Befruchtung erfolgte als In-vitro-Fertilisation (IVF) oder intrazytoplasmatischer Spermien-Injektion (ICSI). Ein bis drei normal entwickelte Embryonen wurden übertragen.

Primärer Endpunkt war die Zahl der weiterführenden Schwangerschaften (über die 10. Woche hinaus) pro IVF/ICSI-Zyklus. Sie betrug 25% für hochgereinigtes Menotropin und 22% für rekombinantes FSH. Auch die Nebenwirkungen waren vergleichbar.

Können die Kosten gesenkt werden?

Sterilitätsbehandlungen sind teuer. Ob sie ab 2004 noch im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen enthalten sind, ist unklar. Auf der Basis der beschriebenen Vergleichsstudie wurde eine Kostenminimierungsanalyse durchgeführt. Pro Behandlungszyklus mit humanen Menotropinen entstanden Behandlungskosten von 2865 Euro (keine reinen Arzneimittelkosten, sondern auch Kosten für Behandlungsprozeduren, Begleitmedikationen, Krankenhausaufenthalte), pro Behandlungszyklus mit rekombinantem FSH Kosten von 3183 Euro. Die Behandlung mit hochgereinigtem Menotropin war also bei vergleichbarer Wirksamkeit um 318 Euro günstiger.

Erfahrungen aus der Praxis

In der Praxis werden – im Unterschied zur Studie – auch Frauen über 38 Jahre behandelt. Die Dosierung erfolgt individualisiert. Nach einer erfolglosen Behandlung wird gern auf ein anderes Protokoll gewechselt. Auch Mischprotokolle kommen zum Einsatz. Im Vergleich zu Menotropinen lösen hochgereinigte Menotropine deutlich weniger lokale allergische Reaktionen aus. Völlig ausschließen kann man schwere allergische Reaktionen jedoch nicht: Ein Fall von Anaphylaxie trat nach der zweiten Injektion von Menogon® HP bei einer Frau auf, die bereits mit Menogon® behandelt worden war.

Von operativen Eingriffen bis zur Hormonbehandlung stehen eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung um Ehepaaren zu helfen, die ungewollt kinderlos sind. Bei der assistierten Reproduktion werden Gonadotropin-Präparate eingesetzt. Ein hochgereinigtes Präparat, das aus dem Urin postmenopausaler Frauen gewonnen wird, schnitt in einer offenen Vergleichsstudie ähnlich gut ab wie rekombinantes FSH. Es kann möglicherweise zur Kostenminimierung beitragen.

Hilfe bei ungewollter Kinderlosigkeit

Als assistierte Reproduktion wird die ärztliche Hilfe zur Erfüllung des Kinderwunsches eines Paares durch medizinische Hilfen und Techniken bezeichnet, wenn nicht zu erwarten ist, dass dieser Kinderwunsch auf natürlichem Weg erfüllt werden kann. Bereits 1977 wurde erstmals eine In-vitro-Fertilisation (IVF) erfolgreich durchgeführt. Bei besonders schweren Störungen der Samenproduktion wird seit Anfang der 90er Jahre die Technik der intrazytoplasmatischen Spermien-Injektion (ICSI, gesprochen Ixi) für In-vitro-Befruchtungen angewendet. Dabei wird ein einzelnes Spermium direkt in die Eizelle injiziert.

Zur ovariellen Stimulation im Rahmen der assistierten Reproduktion gibt es verschiedene Therapieprotokolle, am häufigsten wird das Long-Protokoll verwendet. Nach einer Down-Regulation der Hypophyse mit GnRH-Analoga (GnRH = Gonadotropin-Releasing-Hormon) beginnt die ovarielle Stimulation zur Follikelreifung mit Gonadotropinen. Die Dosis wird beibehalten, bis sich drei präovulatorische Follikel gebildet haben. Für die letzten Reifungsschritte wird Choriongonadotropin (hCG) gegeben. Anschließend werden die Eizellen transvaginal entnommen. Sie werden in vitro mit den aufbereiteten Spermien des Partners zusammengebracht.

Zum Weiterlesen: Behandlung der weiblichen Unfruchtbarkeit. Med. Monatsschr. Pharm. 2002: 25 (10): 365-7

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