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Arzneimitelreport der Gmünder Ersatzkasse: Noch immer Einsparmöglichkeiten bei

BERLIN (ks). Auch im laufenden Jahr steigen die Ausgaben für Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) weiter an. Kurz vor der Veröffentlichung der offiziellen Zahlen zur Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenkassen hat die Gmünder Ersatzkasse (GEK) ihren Arzneimittel-Report 2002 vorgestellt. Der Arzneimittelforscher Gerd Glaeske vom Bremer Institut für Sozialpolitik, Mit-Autor des Reports, sieht nach Auswertung der 21 Millionen Datensätze noch immer Einsparmöglichkeiten.

Die exakten Zahlen zur Finanzentwicklung der GKV stellte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt erst nach Redaktionsschluss vor. Doch schon vorab hieß es, die Arzneimittelausgaben seien im Vergleich zum Vorjahr im ersten Quartal 2002 zwar noch moderat, im April jedoch um 13,2 Prozent angestiegen. Da habe keine millionenschwere Einmalzahlung der forschenden Pharmaindustrie, keine Beitragserhöhung und auch kein rot-grünes Arzneimittel-Sparpaket geholfen.

Weniger umstrittene Arzneimittel, mehr Generika

Der GEK-Arzneimittel-Report, den der GEK-Vorstandsvorsitzende Dieter Hebel und Gerde Glaeske am 3. Mai gemeinsam in Berlin vorstellten, wird der Gesundheitsministerin jedoch Mut machen: Glaeske ist überzeugt, dass im Bereich der Arzneimittel nach wie vor erhebliche Einsparpotenziale schlummern.

So habe die Auswertung der anonymisierten Daten von GEK-Versicherten ergeben, dass

  • noch immer zuviel verordnet werde und rund 12,25 Euro pro Versicherten auf Arzneimittel mit zweifelhaften Nutzen fallen (z. B. nicht sinnvolle Kombinationspräparate),
  • der Generika-Anteil bei umsatzstarken Wirkstoffen (z. B. Omeprazol, Budesonid, Metoprolol) weiter erhöht werden könnte,
  • zu viele neue und teure Medikamente angewendet werden, die keinen sicheren Zusatznutzen garantieren (z. B. könne der Calciumantagonist Nitrendipin häufig erfolgreich eingesetzt werden, eine generelle Substitution mit dem neuen und teuren Amlodipin sei nicht erforderlich.)

Würde hier gewissenhafter verordnet, so Glaeske, ließen sich 13 bis 14 Prozent der Arzneimittelausgaben sparen – Geld genug, um moderne Therapien zu finanzieren. Dem Bremer Pharmakologen liegt es fern, Arzneimittelinnovationen zu verteufeln. Er bezweifelt nicht, dass es Fortschritte in der medikamentösen Behandlung gibt – etwa bei Aids, der Alzheimerdemenz oder Krebs – doch lange nicht alles, was als "Innovation" auf den Markt komme, biete tatsächlich einen größeren Nutzen als bereits bekannte Mittel.

Verordnungen regional höchst unterschiedlich

Glaeske machte auf die regionalen Unterschiede im Verordnungsverhalten der Ärzte aufmerksam: Im Durchschnitt aller Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) betragen die Ausgaben laut Arzneimittel-Report pro 100 GEK-Versicherte 19 716,37 Euro – sie schwanken aber zwischen 25 572,14 Euro in Hamburg und 14 829,18 Euro in Brandenburg. Deutliche Abweichungen finden sich auch im Bereich der umstrittenen Arzneimittel. So belaufe sich deren Anteil in den KVen Berlin und Brandenburg auf 4,4 Prozent, während derartige Präparate in Nordbaden 9,9 Prozent der Verordnungen ausmachten (jeweils pro 100 GEK-Versicherte).

Der Report legt die Schlussfolgerung nahe, dass der Grund für die z. T. erheblichen regionalen Abweichungen eine mangelnde Information der Ärzte sei: In KV-Bezirken, in denen es schon seit langem eine pharmakologische Beratung gibt, wie etwa Hessen, Berlin und Bremen falle der Anteil umstrittener Arzneimittel erheblich geringer aus, erläuterte Glaeske.

Wenige Versicherte benötigen viele Medikamente

Im Auge müsse man auch behalten, dass nur ein geringer Teil der Versicherten den Großteil der Arzneimittelausgaben verursache: So entfallen auf nur 3,84 Prozent der GEK-Versicherten bereits 50 Prozent der Kosten, auf 15,3 Prozent der Versicherten entfallen 80 Prozent. Glaeske kritisierte in diesem Zusammenhang die seitens der Unionsparteien geäußerten Forderungen nach erhöhten Selbstbeteiligungen: Diese träfen vor allem die kleine Gruppe der chronisch Kranken und seien daher nicht mit der sozialen Grundstruktur des Solidarsystems vereinbar.

Um die desolate Finanzlage der Krankenkassen in den Griff zu bekommen, sei es sinnvoller vorhandene Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen. Neben den bereits oben genannten Einsparmöglichkeiten sieht Glaeske weitere Sparansätze: So sollte etwa im Bereich der Antidiabetika auf Insulinanaloga verzichtet und durch Humaninsuline substituiert werden. Zudem könnten Re- und Parallelimporte bei noch patentgeschützten Präparaten weiter gefördert werden.

Bessere Informationen für Ärzte

Auch die Qualitätssicherung liegt Glaeske am Herzen: So fordert er, dass z. B. die Verordnung von Methylphenidat (Ritalin) für Kinder nur durch qualifizierte Ärzte stattfindet (nicht etwa durch Orthopäden oder Laborärzte) und der Verordnungsanstieg kritisch beobachtet werden sollte. Selbst einige Kinder unter sechs Jahren, die das Präparat gar nicht nehmen dürften, würden mit Ritalin behandelt, sagte Glaeske.

Weiterhin fordert der Arzneimittelforscher Zurückhaltung bei der Verordnung der Hormonersatztherapie: 41 Prozent der GEK-versicherten Frauen zwischen 50 und 59 Jahren wenden Hormone an. Häufig würden dabei Estradiol-haltige Mittel bei klimakterischen Beschwerden zum Einsatz kommen, obwohl diese nur angezeigt seien, wenn eine Osteoporose-Behandlung oder -Prävention notwendig sei. Anderenfalls bestehe ein zu hohes Krebsrisiko – dieses ließe sich bei rein klimakterischen Beschwerden durch den Einsatz von Arzneimittel mit dem Wirkstoff Estriol vermeiden.

Glaeskes Fazit: Qualität und Effizienz der Arzneimittelversorgung lassen sich weiter verbessern: Wo möglich, sollten Generika verordnet werden, damit da, wo es nötig ist, auch wirkliche Innovationen angewendet werden können. Auch oder gerade weil sich Glaeske deutlich dafür ausspricht, dass die GKV für Innovationen verlässlich bleiben müsse, befürwortet er die Einführung einer "vierten Hürde", also die Einrichtung eines Instituts, das eine Kosten-Nutzen-Bewertung von neuen Medikamenten vornimmt. Zudem sei es unverzichtbar, Ärzte besser mit industrieunabhängigen Arzneimittelinformationen zu versorgen.

Eine Zusammenfassung der Studie finden Sie im Internet unter .

Auch im laufenden Jahr steigen die Ausgaben für Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) weiter an. Kurz vor der Veröffentlichung der offiziellen Zahlen zur Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenkassen hat die Gmünder Ersatzkasse (GEK) ihren Arzneimittel-Report 2002 vorgestellt. Der Arzneimittelforscher Gerd Glaeske vom Bremer Institut für Sozialpolitik, Mit-Autor des Reports, sieht nach Auswertung der 21 Millionen Datensätze noch immer Einsparmöglichkeiten.  

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