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GEK-Arzneimittelreport: Der Wohnort entscheidet über die Arzneimittelversorgung

BERLIN (ks). Die Menge, die Ausgaben und die Qualität verordneter Arzneimittel variieren je nach Region ganz erheblich Ų dies ist einer der auffälligsten Befunde des Arzneimittel-Reports 2004 der Gmünder Ersatzkasse (GEK). Der Bremer Pharmakologe und Sachverständigenratsmitglied Prof. Dr. Gerd Glaeske, bekanntester Mit-Autor des in diesem Jahr zum vierten Mal erschienenen Reports, erklärte bei dessen Vorstellung am 9. Juni in Berlin, ihm werde "ganz schwindelig über die Abweichungen".

Die Auswertung von 21 Millionen Datensätzen von 1,4 Millionen GEK-Versicherten hat folgendes Bild ergeben: Nordbaden ist Spitzenreiter in Sachen Arzneimittelverordnungen. Hier wurden im vergangenen Jahr 26 Prozent mehr Packungen verschrieben als im Bundesdurchschnitt. Die Ausgaben für Arzneimittel sind gar um 30 Prozent höher. Auf Platz zwei bei den Ausgaben liegt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hamburg, bei den verordneten Packungen folgt das Saarland der KV Nordbaden.

Auch in Bremen, Koblenz und Bayern wird überdurchschnittlich viel verordnet. Die KVen der östlichen Bundesländer nehmen hingegen die hintersten Plätze bei diesem Ranking ein. Ähnlich sieht es bei der Verordnung so genannter umstrittener Arzneimittel aus: In Nordbaden und Bayern wurden besonders viele Venen-, Gallen und Lebermittel, Immunstimulanzien oder verdauungs- und durchblutungsfördernde Mittel verordnet (Anteil an den Gesamtausgaben 8,1 bzw. 7,2 Prozent).

In den KVen Hessen, Rheinhessen, Hamburg, Berlin und Sachen-Anhalt ist der Ausgabenanteil der GEK für diese "fragwürdigen Arzneimittel" vergleichsweise gering (3,9 bis 3,7 Prozent). Insgesamt sei bei der GEK jedoch noch immer jede elfte verordnete Packung ein umstrittenes Arzneimittel, erklärte Glaeske – allein hier ließen sich 16,6 Mio. Euro sparen. Besserung ist in Sicht, denn seit diesem Jahr werden verschreibungsfreie Arzneimittel, zu denen die umstrittenen zählen, ohnehin nicht mehr von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattet.

Zu viel Pharmareferenten, zu wenig Fortbildung

"Mit einer anderen Alters- und Bedarfsstruktur hat das wenig zu tun", erläuterte Glaeske diese Befunde. Da den Autoren der Studie keine Diagnosedaten zur Verfügung stehen, können sie über die Gründe der unterschiedlichen Verordnungsweise nur mutmaßen. Doch dem Bremer Pharmakologen zufolge sind die regen Besuche der Pharmareferenten bei Ärzten ursächlich für diese Entwicklung. Durchschnittlich werde ein Arzt pro Tag von sieben Arzneimittelvertretern besucht.

Den Ärzten, die noch immer gehäuft umstrittene Arzneimitteln verschreiben, würde Glaeske am liebsten eine Fortbildung in Pharmakotherapie verordnen. Die Zahlen zeigen, dass etwa in Hessen, wo bereits seit einiger Zeit Ärzteberatungen auf diesem Gebiet stattfinden, der Ausgabenanteil für umstrittene Arzneimittel lediglich 3,6 Prozent beträgt, während er in Nordbaden noch bei 8,1 Prozent liegt.

Die Zitrone ist noch nicht ausgequetscht

Glaeskes Fazit zur Auswertung der GEK-Arzneimitteldaten: "Die Sparzitrone ist überhaupt noch nicht ausgequetscht". Es gebe noch immer Einsparpotenziale – rechne man all diese zusammen, komme man bei der GEK auf einen möglichen Sparbetrag von 52 Mio. Euro bzw. 0,3 Beitragssatzpunkten. Und diese Größenordnung kann dem Arzneimittelexperten zufolge auf die gesamte GKV übertragen werden. Jedenfalls passe sie zu dem, was auch der Sachverständigenrat im Gesundheitswesen schätzt, erklärte Glaeske.

Die möglichen Einsparungen sollten die Krankenkassen für echte Innovationen nutzen, sagte er weiter. Denn dass es diese im Arzneimittelbereich gibt, bestreitet auch Glaeske nicht. Eine gewisse Sorge bereitet dem Sachverständigenratsmitglied allerdings der Bericht der Task Force zur Verbesserung der Standortbedingungen für die Pharmaindustrie in Deutschland. Zwar hat auch er Verständnis, dass die Arzneimittelhersteller Planbarkeit einfordern.

Er fürchtet aber, durch den beabsichtigten Umbau des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte könnte nach dem Zulassungsverfahren "keine vernünftige Differenzierung" der Arzneimittel möglich sein. Dies widerspräche dem Sinn und Zweck der Einrichtung eines Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. "Der Zulassungsprozess darf nicht zur Folge haben, dass alle Arzneimittel in die Erstattungspflicht kommen", unterstrich Glaeske. Denn nicht alles, was zugelassen ist, sei auch innovativ. Er hoffe daher dringend, dass eine Differenzierung im Sinne einer Nutzenbewertung auch nach dem Task Force-Bericht stattfinden soll.

GEK-Chef-Hebel: Arzneimittelausgaben sinken weiterhin

Einen Überblick über die aktuelle Entwicklung der Arzneimittelausgaben seiner Krankenkasse gab der GEK-Vorstandsvorsitzende Dieter Hebel anlässlich der Vorstellung des GEK-Arzneimittel-Reports. Entgegen der Prognosen einiger Zweifler, sind die Ausgaben auch über das erste Quartal hinaus rückläufig: Noch im März gaben viele Beobachter zu bedenken, der Rückgang der Ausgaben sei lediglich auf die Vorzieheffekte zum Jahresende 2003 zurückzuführen. Doch nun zeige sich, dass sich der Trend auch im April fortgesetzt habe, sagte Hebel. Der GEK-Chef erläuterte weitrhin, dass die Rabatte im laufenden Jahr gegenüber 2003 rückläufig seien.

Der Großhandelsrabatt fiel weg, die Apotheken müssen nur noch zwei Euro pro Packung an die GKV abführen. Dies werde nur teilweise durch die höheren Herstellerrabatte kompensiert. Der Gesamtabschlag falle hingegen höher aus als noch im letzten Jahr. Grund seien die erhöhten Zuzahlungen der Versicherten. Sie sind bei der GEK von fast sieben auf etwas über elf Prozent angestiegen.

GEK schließt Vertrag mit 4. Versandapotheke

Hebel betonte erneut, dass die Apotheken mit ihrer neuen Preisbildung und der neuen Rabattregelung die großen Gewinner der Gesundheitsreform seien. Zudem gab der GEK-Chef bekannt, nun mit einer vierten Versandapotheke einen Vertrag abgeschlossen zu haben. DocMorris, die Europa Apotheek Venlo und Sanicare beliefern GEK-Versicherte schon seit längerem zu besonderen Konditionen. Nun ist auch die Luitpold-Apotheke aus Bad Steben mit im Boot.

Hebel erläuterte die Vorteile: Der Preise für die frei verkäuflichen und apothekenpflichtigen Arzneimittel liegen mindestens 15 Prozent unter den empfohlenen Herstellerabgabepreisen. Bestellungen bei der Luitpold-Apotheke zu Lasten der GEK werden stets ohne Versandkosten geliefert, bei Privatbestellungen gilt dies ab einem Bestellwert von 20 Euro. Zudem stunde die Apotheke auf Wunsch die Zuzahlung auf Zeit.

Der GEK-Arzneimittelreport ist im Internet unter www.gek.de/presse/studien/ index.html zu finden.

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