Geschichte

K. MeyerDie ersten Jahre der Gesellschaft für Gesch

Im Rahmen des 35. Internationalen Kongresses für Geschichte der Pharmazie in Luzern wurde soeben das Jubiläum "75 Jahre Internationale Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie" gefeiert. Unter diesem Namen besteht die Gesellschaft allerdings erst seit 1949. Gegründet wurde sie 1926 als "Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie" (GGP). Die GGP war zwar von Anfang an in ihrer Mitgliederzusammensetzung und ihren Arbeitsthemen international ausgerichtet war, jedoch in ihrem strukturellen Selbstverständnis deutschsprachig und deutsch-orientiert. Dies lag nicht zuletzt an dem dominierenden Einfluss von Georg Urdang.

IGGP und DGGP

1999 haben in Florenz mit der Konstituierung der neuen Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (IGGP) die jahrelangen Bemühungen, sie als wirkliche internationale Dachorganisation zu etablieren, einen erfolgreichen Abschluss gefunden. Die Deutsche Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (DGGP) ist als Landesverband neben 13 weiteren internationalen Fachgesellschaften der neuen IGGP beigetreten. Damit wurde die jahrzehntelange enge Verzahnung von IGGP und DGGP, wie sie seit 1949 bestanden hatte, aufgelöst.

Die Ambivalenz zwischen Streben nach Internationalität und deutsch-orientiertem Selbstverständnis lässt sich jedoch bis auf die Gründungsphase der GGP zurückverfolgen. Dabei stellen sich zwei Fragen:

  • Welchen Stellenwert hat die GGP ihrer internationalen Ausrichtung beigemessen?
  • Inwieweit beeinflussten die nationalsozialistisch orientierten Behörden Deutschlands in den frühen 30er-Jahren die Arbeit und das Bild der GGP?

Breites Interesse an der Geschichte des Berufes

Wenn auch Pharmaziegeschichtsschreibung nicht erst seit dem 20. Jahrhundert etabliert ist, wie G. E. Dann schon zum 40. Jubiläum der Gesellschaft 1966 erarbeitet hat [1], so tut sich doch mit der Herausgabe von Hermann Schelenz' "Geschichte der Pharmazie" zu Beginn unseres Jahrhunderts eine neue Dimension auf. Nie zuvor war ein derart umfassendes Standardwerk der Öffentlichkeit präsentiert worden, wenn es auch nicht unumstritten blieb.

Der große Erfolg dieses Werkes weckte in der Kollegenschaft ein breites Interesse an der Geschichte des Berufes, und viele begannen, sich mit dessen vielfältigen Aspekten auseinander zu setzen. Dementsprechend waren pharmaziehistorische Themen in steigendem Maße in den Fachzeitschriften zu finden. Waren beispielsweise in der Pharmazeutischen Zeitung 1913 und 1923 erst 7 bzw. 8 Arbeiten abgedruckt, so stieg in der Folge die Zahl rasch an: 1924: 13, 1925: 11, 1926: 21 und 1927 bereits 29 pharmaziehistorische Aufsätze [2], wodurch die breite Fachöffentlichkeit für die Geschichte ihres Berufes zweifellos sensibilisiert wurde.

Es war jedoch das erklärte Ziel engagierter Kollegen, allen voran Georg Urdang, Redakteur der Pharmazeutischen Zeitung, die Pharmaziegeschichte aus dem Odium der Hobby-Beschäftigung herauszuführen und sie möglichst als Fach an den Universitäten zu etablieren.

Was ist Pharmazie?

Urdang hatte schon sehr früh bei seinem Eintritt in die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung 1919 erkannt, dass die Auseinandersetzung mit den sachpolitischen Themen ohne Bezug zur geschichtlichen Basis nicht möglich war. Die Probleme der Gegenwart waren nur aus der Entwicklung in der Vergangenheit zu verstehen. Folgerichtig bezog er die kulturgeschichtliche Entwicklung konsequent in seine Publikationen mit ein. Als Fazit seiner ständigen Beschäftigung mit der Frage "Was ist Pharmazie?" gelten seine beiden Vorträge 1923 und 1924, die er in seiner Zeitschrift veröffentlichte [3].

Nach Urdangs Auffassung war die Pharmazie keine Wissenschaft; den aus der Pharmazie hervorgegangenen Wissenschaften, wie der Pharmazeutischen Chemie und Botanik, den Arzneiwissenschaften und der Pharmakognosie ordnete er den Status eigenständiger wissenschaftlicher Disziplinen zu. Was blieb für die "Pharmazie" also übrig? "Es bleibt die eigentliche 'Apothekerkunst', die pharmazeutische Technik. Es bleibt der pharmazeutische Stand als solcher, das Apothekergewerbe." [4] Folgerichtig schränkte er die pharmazeutische Geschichtsschreibung auf die vier Hauptkomplexe ein:

  • Das Apothekenwesen,
  • Pharmazeutische Technik,
  • Pharmazeutische Kulturgeschichte,
  • Pharmazeutisch-Biographisches [5].

Pharmaziegeschichte als Hochschulfach

Damit hatte Urdang Maßstäbe vorgegeben, die in den nachfolgenden Bemühungen um eine wissenschaftliche Etablierung der Pharmaziegeschichte in Deutschland, insbesondere an den Universitäten, eine beherrschende Rolle gespielt haben. In Deutschland gab es nämlich damals noch keine Lehraufträge für dieses Fach, im Gegensatz zum benachbarten Ausland, wo in der Schweiz seit 1924 in Basel (Josef Anton Häfliger) und in Österreich seit 1922/23 in Innsbruck (Ludwig Winkler), in Wien (Otto Zekert) und in Graz (Norbert Schniderschitsch) Pharmaziegeschichte gelehrt wurde. Das war enttäuschend angesicht der Bemühungen engagierter Pharmaziehistoriker wie Fritz Ferchl, Hermann Gelder, Georg Urdang und Walter Zimmermann.

Insbesondere Georg Urdang hatte erkannt, dass die geforderte Etablierung dieser Disziplin auch in Deutschland nur gelingen konnte, wenn sie systematisch und wissenschaftlich betrieben wurde. Dazu bedurfte es einer anerkannten Definition dieses Faches und einer präzisen Beschreibung bzw. Abgrenzung ihrer Inhalte. Urdang hat mit seinen Publikationen diese Definition gegeben, die aus heutiger Sicht allerdings nicht unbestritten geblieben ist [6] und als zu eng angesehen wird. Für unser Thema ist es von Bedeutung, dass mit den darin enthaltenen klaren Begriffsbestimmungen das Aufgabengebiet einer zukünftigen wissenschaftlichen Gesellschaft umrissen war.

Gründung der GGP im Jahr 1926

Die Gründung einer pharmaziegeschichtlichen wissenschaftlichen Vereinigung lag also in der Luft, zumal bereits seit 1913 die "Societe d'Histoire de la Pharmacie" in Frankreich existierte, gegründet durch EugŹne-Humbert Guitard [7], deren Wirken jedoch im Wesentlichen auf Frankreich beschränkt blieb. Bemühungen zu einer ähnlichen Gründung auch in Deutschland scheinen schon länger im Gange gewesen zu sein, denn es waren Widerstände aus dem Weg zu räumen, von denen G. E. Dann als Zeitzeuge berichtet [8]. Zu ihnen zählten vor allem Vorbehalte der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft unter Hermann Thoms' Leitung, der eine Beeinträchtigung des wissenschaftlichen Aufgabengebietes der DPhG befürchtete. Urdangs Verdienst war es, diese zerstreut zu haben. Er konnte Thoms schließlich sogar als Förderer und Mitbegründer der neu entstehenden Gesellschaft gewinnen.

Eine Nachricht in der Fachpresse [9] Anfang August 1926, dass nach langen Bemühungen zum ersten Mal ein Lehrauftrag an einer deutschen Universität (in Berlin) für das Fach "Geschichte der Chemie und Pharmazie" erteilt werden solle, scheint den Gründungsakt unprogrammgemäß beschleunigt zu haben. Die Verkoppelung dieser beiden Fächer fand bei den Apothekern lebhafte Ablehnung, vor allem, als bekannt wurde, dass damit ein Chemiker, Geheimrat Dr. Lockemann, betraut wurde. Der Apothekerstand befürchtete, die Pharmaziegeschichte als Anhängsel der Chemiegeschichte, und damit als Geschichte der Arzneiwissenschaften, wiederzufinden. Dies rief die deutschen Pharmaziehistoriker auf den Plan.

Wenige Tage später lud Ludwig Winkler ca. 30 pharmaziegeschichtlich tätige Kollegen auf sein Privatgut [10] nach Hall in Tirol ein, um die Gründung einer pharmaziegeschichtlichen Gesellschaft vorzubereiten. Nur wenige konnten ihr aus Termingründen folgen, sodass sich am 18. August 1926 lediglich Fritz Ferchl, Georg Urdang, Walter Zimmermann aus Deutschland und Otto Raubenheimer aus den USA einfanden. Sie konnten sich jedoch auf 25 weitere schriftliche Zustimmungserklärungen [11] zur Gründung einer wissenschaftlichen Gesellschaft für die Geschichte der Pharmazie stützen.

Bereits das fünfköpfige Gründungskomitee war übernational zusammengesetzt (Österreich, USA, Deutschland), und die Liste der begeistert zustimmenden Pharmaziehistoriker enthielt 5 Schweizer, 5 Österreicher, 2 Jugoslawen, 1 Rumänen, 1 Norweger und 11 Deutsche. Dass unter diesen sieben an der Gründung beteiligten Staaten Deutschland mit 14 Mitgliedern das größte Gewicht hatte, lag nicht nur an der Größe, sondern auch daran, dass aus diesem Land die stärksten Impulse zu dieser Gründung ausgegangen waren.

Die Übereinstimmung der Teilnehmer über Ziele und Aufgaben war sehr weitgehend, sodass in Hall zugleich mit der Gründung bereits eine Satzung, Beschlüsse zu tagesaktuellen Problemen und Richtlinien für die weitere Arbeit verabschiedet werden konnten. Der engere Vorstand setzte sich zusammen aus

  • Ludwig Winkler, Innsbruck, (1. Vorsitzender),
  • Hermann Gelder, Berlin, (2. Vorsitzender und 1. Schriftführer),
  • Georg Urdang, Berlin, (2. Schriftführer),
  • Fritz Ferchl, Mittenwald, (Schatzmeister) und
  • Walter Zimmermann, Illenau, (Leiter der Zentralstelle).

Internationalität mit deutscher Dominanz

Die Gründung ist unter der Firmierung "Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie" erfolgt, eine explizite Erwähnung des Wortes "International" ist zu diesem Zeitpunkt nicht zu finden. Auch die Satzung folgt diesem Duktus und formulierte in § 2: "Zweck und Ziel der Gesellschaft ist die Förderung der pharmazeutischen Geschichtsschreibung und -lehre". Dass jedoch die internationale Ausrichtung sozusagen als selbstverständlich vorausgesetzt wird, geht indirekt aus dem § 5 hervor - darin heißt es: "Die Bekanntmachungen der Gesellschaft werden je nach Bedarf der gesamten Fachpresse der in Betracht kommenden Länder zur Veröffentlichung übergeben." - sowie aus § 7: "Der jährliche Mindestbeitrag beträgt 5 Goldmark oder den Gegenwert in der betreffenden Landeswährung."

Eine klare, durch Satzung gebundene, Aussage zur Internationalität nicht getroffen zu haben, erwies sich im Nachhinein sehr rasch als Mangel, führten doch unterschiedliche Auffassungen führender Mitglieder der GGP zu einem unscharfen Bild in der Öffentlichkeit. In seinem Artikel "Aufbau- und Einigungsziele der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie" [12] hat Walter Zimmermann bereits im Dezember 1926 die GGP als "auf keine politischen oder sprachlichen Grenzen beschränkt" bezeichnet, jedoch an anderer Stelle sehr stark die Interessen der deutschen Mitgliedergruppe in den Vordergrund gestellt: "Die deutschen Mitglieder der Gesellschaft und der deutsche Apothekerstand werden unablässig darum bemüht sein, dem Stand und der Geschichte seiner Kultur das gleiche Recht zu erkämpfen, das man der Pharmakognosie und der pharmazeutischen Chemie ... errungen hat. Wir haben das Vertrauen zu den Leitern der deutschen Wissenschaft, dass sie das Land, das die Väter der Geschichte der Pharmazie Berendes, Peters, Schelenz, Tschirch zu den seinen zählt, nicht hinter anderen zurückstehen lassen, wenn es der deutsche Apothekerstand fordert."

Aus deutscher Sicht mögen diese Formulierungen verständlich gewesen sein - man denke nur an die allgemeine politische Situation des Jahres 1926; nationale Gesellschaften anderer Länder und Sprachgebiete wollten sich dieser neuen deutsch-dominierten Gesellschaft nicht ohne Weiteres anschließen. Dabei war die Zahl der Einzelmitgliedschaften aus dem Ausland höchst respektabel: Die Mitgliederliste von 1927 mit insgesamt bereits 427 Mitgliedern aus 17 Ländern verzeichnete 179 (41,9%) aus Deutschland, 147 (34,4%) aus den USA, 28 (6,5%) aus der Tschechoslowakei, 26 (6,1%) aus Österreich usw., jedoch eine wirkliche internationale Gesellschaft ist damals nicht entstanden.

G. E. Dann hat 1966 in seiner Übersicht [13] durchaus zutreffend geschrieben, dass die GGP den Auftrag, "ihre Aufgaben weder national noch sprachlich zu begrenzen, ... in seiner vollen Bedeutung im Anfang nicht klar erkannt hat." Die Zwiespältigkeit der GGP lässt sich so zusammenfassen:

  • Sie war eine im deutschsprachigen Raum entstandene und durch deutschsprachige Pharmaziehistoriker verschiedener Staaten forcierte Gründung.
  • Die deutschsprachige Gruppe dominierte, nicht zuletzt auch wegen der Mitgliederzahl, von Beginn an die Vereinsgeschicke und die in diesem Kulturraum angesiedelten Themen.
  • Die starke Resonanz in vielen Ländern Europas und in den USA während der Gründungsphase und des ersten Jahres ihrer Existenz machte deutlich, wie sehr die Existenz einer solchen Gesellschaft einem dringenden Bedürfnis entsprach, da viele Länder noch keine eigenen nationalen Gesellschaften hatten.
  • Das hatte zur Folge, dass trotz deutschsprachiger Dominanz automatisch und nahezu selbstverständlich der Gegenstand ihrer Betätigung im gesamteuropäischen Bereich angesiedelt war.
  • Dadurch fanden Pharmaziehistoriker vieler Länder - vielfach solange, bis eigene nationale Gesellschaften entstanden waren - ihre wissenschaftliche Heimat in der neuen Gesellschaft.

Gerade letztere Punkte finden wir in dem ersten Aufruf [14] Walter Zimmermanns, des Leiters der Zentralstelle, wieder. Er beschreibt ganz allgemein sein Aufgabengebiet, wie er es sieht, und die technischen Voraussetzungen dazu und will das Sammeln und Archivieren von Artikeln und allen pharmaziehistorisch interessanten Belegen nicht auf den deutschsprachigen Raum eingegrenzt wissen: "Da die Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie an nationale Grenzen nicht gebunden ist, so werden Verfasser in anderen Sprachen als deutsch, englisch und französisch ersucht, der Einsendung eine kurze Zusammenfassung in einer dieser Sprachen ... beizufügen." Zumindest in diesem Bereich wurden die beiden fremden Sprachen der deutschen gleichgestellt.

Hauptversammlung in Nürnberg 1927

Schon wenige Monate später [15] konnte zur 1. Hauptversammlung am 7./8. Mai 1927 nach Nürnberg eingeladen werden, um die fällige demokratische Legitimation satzungsgemäß von der Mitgliederversammlung einzuholen. Der Vorstand konnte den 40 versammelten Mitgliedern eine stolze Bilanz dieser Monate vorzeigen. Zahlreiche Grußadressen und Glückwünsche von pharmazeutischen Fachorganisationen aus dem In- und Ausland wurden vom Vorsitzenden verlesen. Neben Regularien standen die Berichte der ausländischen Mandatare auf dem Programm.

Ungewöhnlich erfolgreich waren die Bemühungen Prof. Raubenheimers in den USA, der mit 152 Personen die größte Landesgruppe noch vor Deutschland (142 Mitglieder) vorweisen konnte. Sowohl Häfliger (Schweiz), Zintl (Tschechoslowakei) wie auch Baradlay (Ungarn) wiesen bedauernd darauf hin, dass die Werbung neuer Mitglieder lediglich bei denjenigen Pharmaziehistorikern erfolgreich war, die der deutschen Sprache mächtig waren. Auch die immerhin 18 Neumitglieder, die Prof. Orient aus Klausenburg meldete, waren überwiegend im deutschsprachigen Siebenbürgen ansässig. So waren neben den starken Landesgruppen der USA und Deutschlands andere Nationen nur als Einzelmitgliedschaften in der GGP vertreten:

  • Österreich 20
  • Rumänien 18
  • Tschechoslowakei 9
  • Schweiz 6
  • Ungarn 4
  • Jugoslawien 2
  • Niederlande, Spanien, Schweden, Norwegen, Lettland, Estland je 1.

Das war symptomatisch für den Zwiespalt, in dem sich die GGP seit ihrer Gründung befand. Obwohl deutschsprachig dominiert, erhob sie stets den Anspruch auf internationale Betätigung.

Ablehnung der englischen Sprache

Deutlich sichtbar wurde dieser Zwiespalt, als Raubenheimer den Antrag stellte, neben der deutschen die englische als offizielle Verhandlungssprache anzuerkennen [16], um damit den internationalen Anspruch der GGP zu verdeutlichen. Diesem widersprach jedoch Georg Urdang, der in seltener Klarheit Grundsätze formulierte, die die damalige Einstellung des Vorstands und wohl auch aller anwesenden Mitglieder zur Internationalität widerspiegelten. Wegen ihrer Bedeutung sollen sie daher aus dem Tagungsbericht wiedergegeben werden:

"Die Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie sei zwar insoweit international, als sie in der ganzen Welt Mitglieder werbe, die der Pharmaziehistorie Interesse entgegenbrächten, dass sie sich aber klar darüber sei, dass ihre direkte Einflusszone sich doch auf Personenkreise beschränken müsse, die der deutschen Sprache mächtig seien. Den schon bestehenden nationalen Gesellschaften anderer Länder, die dem gleichen Ziele nachstreben, könne und wolle die Gesellschaft in keiner Weise Konkurrenz machen. Sie würde es im Gegenteil begrüßen, wenn sich allenthalben da, wo es noch nicht geschehen sein sollte, ähnliche Gesellschaften bildeten, und sie hat nur den einen ... Wunsch, mit diesen ausländischen Gesellschaften in engster Fühlung ... zu stehen. Aus diesem Grunde könne keine andere Sprache neben der deutschen die offizielle Verhandlungssprache der Gesellschaft sein. ... Dass alle diejenigen Personen, die sich selbst zum deutschen Sprach- und Kulturbezirk zählen, unbedingt in die Einflusssphäre der Gesellschaft gehören, auch wenn sie außerdeutsche Staatsangehörige sind, ist eine Selbstverständlichkeit."

Der lapidare Satz "Die Versammlung schloss sich diesen Darlegungen an" macht deutlich, dass es wohl keine andere gravierende Meinungsäußerung zu diesem Antrag gegeben hat. Urdang hatte wohl die allgemeine Intention in dieser Sache getroffen, was für das damalige Selbstverständnis der GGP von hoher Aussagekraft ist.

Offensichtlich scheint aber die langfristige Auswirkung dieser Einstellung, die immer wieder zum Gegenstand von Erörterungen in den nächsten Jahren wurde, der Versammlung nicht bewusst gewesen zu sein. Ganz abgesehen davon, dass die weitere Mitgliederwerbung im Ausland sich nur auf deutschsprachige Interessenten konzentrieren konnte, musste dies bei allen anderen pharmaziegeschichtlichen Gesellschaften als Bekenntnis zu einer deutschen Gesellschaft gewertet werden. Nichtdeutschen Pharmaziehistorikern blieb somit nichts anderes übrig, als Mitglieder zweier Gesellschaften zu sein, der eigenen nationalen und der neugegründeten Gesellschaft.

Daher konnte G. E. Dann aus der Sicht des Rückblicks nach 40 Jahren nur bedauernd feststellen [17]: "Hätte man aber die anderen großen Kultursprachen - also mindestens Englisch und Französisch, evtl. auch Italienisch und Spanisch - daneben zugelassen (was heute selbstverständlich ist), dann hätte die Gesellschaft vielleicht schneller eine weltweite Entwicklung nehmen können."

Neben der bestätigenden Wahl des Vorstands, einer Satzungsänderung und weiteren Anträgen wurden die Mandatare für Österreich, Schweiz, USA, Holland, Lettland, Tschechoslowakei, Schweden, Ungarn, Jugoslawien und Estland bestimmt. Dieser Umstand - Wahl der Mandatare nach der Ablehnung der englischen Verhandlungssprache - zeigt wiederum die ungebrochene Übereinstimmung der Versammlung mit den von Urdang gemachten Ausführungen. Abgesehen von unserer heutigen rückblickenden Kritik kann die 1. Hauptversammlung jedoch als voller Erfolg und Bestätigung für die Gründung neun Monate zuvor gewertet werden.

Konsoliderung der GGP - Hauptversammlung in Berlin 1929

Die folgenden zwei Jahre waren ausgefüllt mit dem weiteren Aufbau der GGP, der Mitgliederwerbung, der Gründung von Arbeitsgruppen (Berlin-Brandenburg am 28. Oktober 1927), der Herausgabe von Veröffentlichungen usw. Auch zahlreiche pharmazeutische Vereine und Firmen des In- und Auslands hatten sich korporativ der GGP angeschlossen, eine Kooperation mit der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft wurde am 1. März 1929 beschlossen [18].

Inzwischen hatte sich ein zweijähriger Rhythmus bei der Planung der Hauptversammlungen eingestellt; infolgedessen fand die 2. Hauptversammlung vom 2. bis 5. Mai 1929 in Berlin statt. Mit berechtigtem Stolz und als Bestätigung für die Gründung konnte auf ihr gemeldet werden, dass die Mitgliederzahl in den drei Jahren seit der Gründung auf 743 angewachsen war, aus Deutschland kamen davon 392, 17 übrige Länder Europas stellten 203 Mitglieder, während die Mitgliederzahl der USA geringfügig auf 148 zurückgegangen war.

An der strukturellen Verteilung hatte sich somit nichts geändert; das Gros rekrutierte sich aus Deutschland, aus Europa kamen wie bisher zahlreiche Einzelmitglieder, und der große Block amerikanischer Mitglieder hatte relativ abgenommen. Bei ihnen schien auch die ursprüngliche Euphorie, basierend auf der begeisternden Ausstrahlung Raubenheimers, nachzulassen, denn die Beiträge, deren Inkasso Raubenheimer übernommen hatte, waren trotz mehrfacher Mahnung nicht entrichtet worden. Der GGP blieb nichts anderes übrig, als vereinsrechtliche Sanktionen zu ergreifen und die "Veröffentlichungen" nicht mehr nach den USA zu liefern; "es würde sich in Kürze erweisen müssen, ob sie noch als Mitglieder angesehen werden können" [19], heißt es in dem Bericht.

Der Vorstand legte einen völlig neuen Satzungsentwurf vor, der im vereinsrechtlichen Sinne dem Vorstand die Grundlage für eine Geschäftsordnung an die Hand gab [20]. In dieser wurden im § 11 erstmalig die außerdeutschen Mandatare mit ihren Aufgaben (Interessenwahrnehmung der GGP und Vertretung der einzelnen Mitglieder) fixiert.

Als aber Häfliger, Peiser und Baradlay den Antrag stellten, die offizielle Bezeichnung der GGP in "Internationale Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie" zu ändern, wurde dies abgelehnt und damit eine weitere Chance vertan, der Gesellschaft eine neue Dimension zu geben. Immerhin wurde - nach Urdangs Vorschlag - im § 1 als Ziel der Gesellschaft die internationale Betätigung nun in die Satzung aufgenommen: "Sie hat ihren Sitz und ihre Geschäftsstelle in Berlin und soll einen internationalen Mittelpunkt für alle Bestrebungen pharmaziegeschichtlicher Natur bilden" [21].

Es bleibt somit festzuhalten, dass die von Urdang skizzierten Prinzipien inzwischen übereinstimmende Auffassung aller war, auch der außerdeutschen Mitglieder; einen ernsthaften Streit scheint es darüber nicht gegeben zu haben. Denn sonst ließe es sich nicht erklären, dass gleich drei Länder sich um die Wahl zum nächsten Ort der Hauptversammlung bewarben: Baradlay lud nach Budapest, Zekert nach Wien und Häfliger nach Basel ein. Die 3. Hauptversammlung zum ersten Mal in das benachbarte Ausland in die Hand verdienstvoller Mitglieder zu geben, war somit nur folgerichtig. Es wurde entschieden, die Versammlung 1931 nach Wien und 1933 nach Basel einzuberufen.

Erwähnenswert am Rande ist die auf der Berliner Hauptversammlung bekannt gegebene Stiftung der Schelenz-Plakette, die bis heute die bedeutendste Ehrung in der Pharmaziegeschichtsschreibung geblieben ist [22].

Erster Kongress im Ausland - Hauptversammlung in Wien 1931

Die erste Hauptversammlung außerhalb Deutschlands kann als Musterbeispiel für einen harmonisch abgelaufenen Kongress gelten. Das erste Jahrfünft nach der Gründung war vergangen, die GGP hatte sich etabliert, sie war von den Fachverbänden im In- und Ausland anerkannt, eine Reihe wichtiger Einrichtungen war installiert, und die meisten Probleme waren gelöst. Die GGP konnte sich also zufrieden ihrer Hauptaufgabe, wissenschaftliche Pharmaziegeschichte zu präsentieren, widmen.

Die glänzend und mit österreichischem Charme organisierte Veranstaltung konnte einen Rekordbesuch melden: 180 Teilnehmer, darunter 40 aus Deutschland. Die Berichte der Vorstandsmitglieder konnten die gesicherte Etablierung in allen Bereichen feststellen: Eine Steigerung der Mitgliederzahl auf 871, wobei die Landesgruppe USA inzwischen auf 84 "bereinigt" worden war, die Gründung mehrerer deutscher Landesgruppen, ein Kassenpolster von über 9000 RM, die gemeinsame Gründung einer pharmaziehistorischen Bibliothek in Berlin zusammen mit der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, erfolgreiche Publikationsarbeit u. v. m.

Ein anspruchsvolles wissenschaftliches Programm bildete den bedeutendsten Teil der Tagung, wie es einer wissenschaftlichen Gesellschaft angemessen ist. Zum zentralen Mittelpunkt wurde das Wiederauffinden des Originalmanuskriptes von Haydns Oper "Der Apotheker", um das sich mehrere Vorträge rankten. Ausflüge in die Umgebung Wiens, festliche Veranstaltungen und Empfänge sowie eine Einladung des ungarischen Apotheker-Vereins nach Budapest rundeten den Kongress ab.

Pressionen der Nationalsozialisten

Der nächste, für 1933 geplante Kongress in Basel stellte die GGP vor neue Fragen: Zum ersten Mal sollte er in einem mehrsprachigen Land, der Schweiz, stattfinden. Bevor dieser stattfand, ereignete sich in Deutschland ein entscheidender politischer Wechsel: Die Nationalsozialisten mit ihrer ausgeprägt nationalistisch und rassistisch orientierten Weltanschauung übernahmen das politische Ruder.

Die 4. Hauptversammlung in Basel wurde auf Bitten Häfligers um ein Jahr verschoben. Entsprechend einer Notiz in der Fachpresse [23], stand der Umbau des von ihm gegründeten Basler pharmaziegeschichtlichen Museums auf Grund eines bewilligten Kredits des Kantons bevor. Den deutschen Vorstandsmitgliedern stellten sich aber in der Zwischenzeit auf Grund der veränderten politischen Verhältnisse neue Probleme.

Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten begannen deren Bemühungen, die vorhandenen Vereine, Arbeitsgemeinschaften, Verbände usw. in Kultur, Wirtschaft und Handel in die von ihnen gegründeten zentralistischen Organisationen einzugliedern. Auf die beiden führenden Apothekerverbände, den Verband Deutscher Apotheker und den Deutscher Apotheker-Verein, wurde massiv Druck ausgeübt, sich aufzulösen und der nationalsozialistischen Standesgemeinschaft Deutscher Apotheker (St.D.A.) unter Dr. Heber, Magdeburg, beizutreten [24]. Diese Pressionen auf die Fachverbände hatten in den letzten Tagen des März 1933 den gewünschten Erfolg [25] gezeitigt.

Bei der GGP waren die Voraussetzungen jedoch andere: Sie hatte eine anerkannte internationale Ausrichtung, und deshalb konnten die z. T. recht rüden Aufforderungen Dr. Hebers um Eingliederung wenig ausrichten. Die Meinung des Vorstandes war einhellig, dass der internationale Charakter der GGP, die große Zahl ihrer ausländischen Mitglieder und die korporative Mitgliedschaft ausländischer Fachverbände dem entgegenständen. Zudem sei die GGP eine wichtige Plattform, deutsches Kulturgut ins Ausland zu transferieren.

Urdang hatte scharfsinnig die Gefahr erkannt und in Briefen an Winkler die Argumentationslinie formuliert, dass "nur durch den neutralen und internationalen Charakter der Gesellschaft ... eine Plattform gegeben wäre, auf der sich die deutsche Pharmazie mit der ausländischen begegnen und, da ja die Veröffentlichungen in deutscher Sprache erschienen, für die deutsche Kulturgeltung dienen könne, gerade weil irgend eine feste Bindung mit einer offiziellen [nationalsozialistischen] Fachkörperschaft nicht besteht" [26]. Für's erste war die Gefahr einer Gleichschaltung gebannt.

Doch kurz darauf, am 20. Juni, traten Urdang und Prof. Mannich von ihren Vorstandsposten zurück, Urdang wegen seiner jüdischen "Rasse", Mannich wegen seiner grundsätzlichen Einstellung gegen das neue System. Ihre Ämter übernahmen kommissarisch die Nationalsozialisten Dr. Peters (zugleich Standesgeschäftsführer der St.D.A.) und Fiek.

Auch Ernst Urban, Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitschrift, musste am 1. Juli 1933 aus nichtigem Anlass Dr. Skibbe Platz machen. Die Verschiebung der nächsten Hauptversammlung um ein Jahr machte eine außerplanmäßige Vorstandssitzung in München im September 1933 erforderlich. Auf ihr wird deutlich, wie sehr in den wenigen Monaten die nationalsozialistischen Pressionen und Eingriffe das Leben der GGP bereits geprägt haben.

Dass nicht jeder im Vorstand mit den herrschenden Verhältnissen einverstanden war, wird aus den sorgsam gewählten Worten des zweiten Vorsitzenden Dr. Peters bei der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Pharmazierat Dr. Rapp, München, deutlich: "Es solle dadurch, so fuhr Dr. Peters mit erhobener Stimme fort, die Verbindung der alten guten - dieses Wort betonte er besonders - Überlieferung mit dem drängenden, jungen und neuen Geiste verkörpert werden" [27].

Dieser "neue und drängende Geist" scheint auch Pate gestanden zu haben bei einer in München verkündeten Neuordnung, die geeignet sei, "die pharmaziegeschichtliche Seele des deutschen Apothekers zum Kochen zu bringen ..." Gemeint war eine Anordnung der St.D.A., in allen Bezirken Gausachwalter einzurichten, die regelmäßig monatliche Anweisungen zu organisatorischer und sachlicher Arbeit für die GGP erhalten würden. Tieferer Grund dieser Maßnahme war, die Mitarbeit nicht genehmer, insbesondere jüdischer, Kollegen einzuschränken. Die geplante Ernennung von Gausachwaltern durch die Parteiorgane kam aber nur schleppend voran. In mehreren Briefen zwischen Ferchl und Adlung wurde beredte Klage darüber geführt [28]. Ohne Gausachwalter konnten kaum neue Mitglieder gewonnen werden, und so gingen wegen "einer Anzahl Austrittserklärungen, meist von jüdischen Herren des Auslandes" [29], die Beitragseinnahmen zurück. Auch die Herausgabe des "Grundriss der Geschichte der Deutschen Pharmazie" von Urdang und Adlung schien gefährdet.

Vorbereitung der Basler Tagung

Bei der Vorbereitung der Tagung in Basel tat sich eine vorher so nicht gesehene Schwierigkeit auf. Nach Häfliger sei eine Firmierung der Tagung unter "4. Hauptversammlung" in der Schweiz nicht durchführbar, weswegen er vorschlug, nach Basel zum "Internationalen Kongress für Geschichte der Pharmazie und 4. Hauptversammlung der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie" einzuladen [30]. Um den internationalen Charakter zu betonen, wollte er alle ausländischen Mandatare bzw. ihre Vertreter in Basel versammeln.

Über beide Fragen entspann sich eine längere Korrespondenz. Insbesondere Adlung widersprach in einem Brief an Winkler, nachdem er sich mit Urdang abgestimmt hatte, dem vorgeschlagenen Kongresstitel ganz entschieden, begrüßte aber die Idee der Mandataren-Zusammenkunft sehr: "Gegen den Vorschlag des Herrn Prof. Dr. Häfliger, die Tagung zu nennen 'Internationaler Kongress für Geschichte der Pharmazie und 4. Hauptversammlung der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie' haben wir Bedenken. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass die Gesellschaft eine rein deutsche Gründung ist, zu deren Aufgaben gehört, deutsche Kulturgüter auf dem Gebiete der Geschichte der Pharmazie dem Auslande, zu denen wir besonders die romanischen Gebiete rechnen, zugänglich zu machen" [31].

Häfliger war sehr an einem Erfolg seiner Tagung interessiert und machte in Kenntnis der politischen Situation in Deutschland einen Kompromissvorschlag, der dann auch angenommen wurde: "Der Sache u. zumal auch Ihrer lieben u. am Herzen liegenden deutschen Sache wird dadurch sicher kein Eintrag geschehen. Man könnte sich ja auch auf einen Kompromiss einigen, da ich mir denken kann, dass Sie, wie wir, allerlei Rücksichten auf Imponderabilien zu nehmen haben. In Deutschland stellen Sie in Ihrer Presse die Hauptversammlung voran, was für Sie das wichtige ist, u. wir in Basel u. fürs Ausland stellen aus taktischen Gründen den ,Kongress' voran" [32], schrieb er an Adlung und begründete dies an anderer Stelle: "Sie können sich wohl vorstellen, wie schwierig es heute ist, in einem kleinen Lande mit relativ wenigen Interessenten Mittel u. Stimmung zu bekommen für derlei Anlässe. Für eine ,Hauptversammlung' eines Vereins rührt sich hier keine Hand. Es muss dem Organisationskomite gelingen, die Internationalität der Gesellschaft vorzustellen u. dazu Wissenschaftlichkeit u. umfassende Organisation vorzuschicken wenn es in diesen dürren Zeiten Erfolg haben soll." Damit hatte dieser Kompromiss die wichtigste äußere Hürde genommen.

Die deutschen Vorstandsmitglieder konnten sich der dynamischen Ausstrahlung des Organisators und seines Komitees nicht entziehen und akzeptierten, dass mit diesem Kongress in Basel zum ersten Mal ein Schritt in die wirkliche Internationalität gemacht wurde. Am deutlichsten hat das Urdang in einem Brief [33] an Adlung erkannt: "Soeben erhielt ich Ihren Brief und bin erschlagen durch das geradezu phantastische Programm. In dieser Fülle der Darbietungen ist Deutschland durch den Ferchl-Vortrag etwas dünn vertreten. Aber da ist ja nichts mehr zu machen. In jedem Falle handelt es sich hier tatsächlich um eine Veranstaltung, die über den Rahmen einer ,Hauptversammlung der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie' hinausgeht und den ersten ,Internationalen Kongress für Geschichte der Pharmazie' darstellt." Urdangs privat geäußerte Meinung zeigt die Abkehr von seiner bisher kompromisslos vertretenen Linie.

Hauptversammlung und Internationaler Kongress in Basel 1934

Es ist zweifellos Häfligers Verdienst, mit dem in jeder Beziehung glanzvoll verlaufenen Baseler Kongress der GGP nicht nur eine neue Dimension gegeben, sondern auch viele Neuerungen geschaffen zu haben. Schon in den "Vorbemerkungen" des Tagungsberichtes [34] werden seine überragenden Verdienste gerühmt, eine Öffnung zum romanischen Kulturkreis versucht zu haben. Das zeigte sich nicht zuletzt in der Beteiligung von Vertretern von zwölf Hochschulen Europas (Berlin, Leiden, Straßburg, Stuttgart, Innsbruck, Wien, Riga, Madrid, Basel, Bern, Lausanne und Zürich) und Teilnehmern aus 14 Staaten.

Die große Anzahl der anwesenden Hochschullehrer gab Veranlassung, eine Übersicht über den Stand der Verankerung der Pharmaziegeschichte an den europäischen Hochschulen zu geben. Die Berichte ergaben, dass an zahlreichen Hochschulen das Fach inzwischen gelesen wurde, wenn auch nicht immer obligatorisch. Es traf sich gut, dass der Reichsapothekerführer Albert Schmierer als Gast anwesend war, als Prof. Sabalitschka darauf hinwies, dass Deutschland Schlusslicht in Bezug auf den akademischen Unterricht in der Geschichte der Pharmazie sei. Immerhin vermeldete Adlung, der im Reichsgesundheitsamt tätig war, dass Kenntnisse in Pharmaziegeschichte obligatorischer Bestandteil der nächsten Prüfungsordnung für Apotheker werden würden. Um diesem Ziel Nachdruck zu verleihen, wurde eine Resolution in dieser Sache verfasst.

Ferchl musste in Vertretung des erkrankten 1. Vorsitzenden Winkler sein großes diplomatisches Geschick beweisen, als er in Gegenwart Schmierers einige delikate Punkte zu behandeln hatte: "Auf Grund freundschaftlichen Einvernehmens mit der Standesgemeinschaft Deutscher Apotheker", so die offizielle Formulierung im Tagungsbericht [35], hätten Prof. Mannich und Dr. Urdang ihre Vorstandsämter niedergelegt. Jeder wusste damals, dass dies auf Druck der St.D.A. geschehen war, und so stand es auch an anderer Stelle, nämlich in der Begründung, die Häfliger gab, als Urdang zum korrespondierenden Mitglied berufen wurde: "... dass Herr Urdang nicht aus inneren Gründen ..., sondern in Berücksichtigung äußerer Gegebenheiten aus seinen bisherigen Ämtern ausgeschieden sei und die Ernennung eine Pflicht der Dankbarkeit wäre."

Bei der nachfolgenden Neuwahl des Vorstandes wurde Fiek im Amt bestätigt, nicht aber Dr. Peters; an seine Stelle als 2. Vorsitzender der GGP trat Häfliger. Es musste ein Verlust von mehr als 200 Mitgliedern innerhalb des letzten Jahres verzeichnet werden. Dahinter verbirgt sich eine große Zahl von Austritten ausländischer und jüdischer Mitglieder als Folge der veränderten politischen Verhältnisse in Deutschland, der durch neu gewonnene reichsdeutsche Mitglieder nur begrenzt ausgeglichen werden konnte.

Die übrigen Regularien ergaben ein gutes Bild einer blühenden Gesellschaft, deren Vorstand ein enormes Arbeitsprogramm vorzuweisen hatte. Die Zahl der ausländischen Mandatare wurde ergänzt, und dank einer Zusage Schmierers konnten die Kosten für die Herausgabe des Adlung-Urdang'schen Werkes gesichert werden.

Nicht zuletzt das hervorragende wissenschaftliche Programm mit 13 Vorträgen (3 deutsche und 10 ausländische), die Besichtigung des neu eingerichteten Schweizerischen Pharmaziehistorischen Museums und die überwältigende Gastfreundschaft der Schweizer Kollegenschaft bei den festlichen Veranstaltungen haben die Erinnerung an diesen Kongress als einen der glänzendsten in der Geschichte der GGP wachgehalten.

Verlust der Internationalität

Aus der Sicht jener Tage stand der GGP eine Veränderung zu größerer Internationalität bevor, was sich nicht zuletzt darin ausdrückte, dass sich gleich drei bedeutende europäische Hauptstädte um den nächsten Kongress bewarben: Rom, Brüssel und Budapest. Dass es sich anders entwickelte, hing mit den damaligen politischen Verhältnissen in Deutschland zusammen und ist nicht der GGP anzulasten.

Die 5. Hauptversammlung der GGP fand 1936 in Stuttgart in bescheidenerem Rahmen statt; sie war vorgeschalteter Bestandteil des Deutschen Apothekertages und hatte wieder mehr den Charakter eines nationalen wissenschaftlichen Symposiums [36]. 1938 war Budapest als Kongressort ausersehen, doch hatten sich die politischen Koordinaten in Deutschland schon so sehr verschoben, dass dies nicht mehr möglich war. Es fand die 6. Hauptversammlung im bescheidenen Rahmen im Zusammenhang mit der Einweihung des Deutschen Apotheken-Museums in München statt.

Erst mit der Neukonstituierung nach dem zweiten Weltkrieg konnte, basierend auf den Erfahrungen der führenden Mitglieder der GGP aus der Vorkriegszeit, das neue Kapitel, nun unter dem Namen "Internationale Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie", aufgeschlagen werden.

Kastentext: Quellenlage

Mussten wir uns für die ersten Jahre der GGP auf die Berichte und publizistischen Äußerungen in der Fachpresse begnügen, können wir ab 1932 auf einen archivalischen Bestand von Briefen der Vorstandsmitglieder stützen und damit einen intimeren Blick auf die Probleme gewinnen, mit denen die GGP damals zu kämpfen hatte.

Kastentext: Die GGP im Jahr 1931

Fünf Jahre nach ihrer Gründung stand die GGP glänzend da: - Hoher Mitgliederbestand - darunter ausländische Einzelmitglieder und zahlreiche korporative Mitglieder - und eine gute Kassenlage. - Anerkannt bei den Standesorganisationen, staatlichen Stellen und nahezu allen wissenschaftlichen Gesellschaften im In- und Ausland. - Etablierung eigener Institutionen: Pharmaziehistorische Bibliothek in Berlin; Publikationsorgan ("Mitteilungen der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie") sowie mehrere Veröffentlichungen pro Jahr; Schelenz-Plakette zur Ehrung verdienter Pharmaziehistoriker; Zentralstelle zur Sammlung pharmaziegeschichtlicher Publikationen.Erfolgreiche Bemühungen, die Pharmaziegeschichte an den Universitäten zu etablieren. - Starke Ausstrahlung in die Fachöffentlichkeit; Förderung des allgemeinen Interesses an der Pharmaziegeschichte.

Kastentext

Dr. Klaus Meyer (Jg. 1932) studierte Pharmazie in Marburg von 1954 bis 1957. 1961 Promotion bei Professor Hörhammer in München über ein phytochemisches Thema. 1962 Gründung der Wibbelt-Apotheke in Oelde (Verkauf 1996). Zwischen 1963 und 1980 Mitglied in diversen Ausschüssen des Apothekervereins; leitende Tätigkeit in Fortbildungsgremien der Apothekerkammer Westfalen-Lippe und Vorstandsmitglied von 1969 bis 1980.

Seit 1981 Vorsitzender der DGGP-Landes-(Regional-)Gruppe Westfalen-Lippe. 1989 zum Sekretär der IGGP berufen und von 1990 bis 1996 Schatzmeister der DGGP. Von 1991 bis 1995 2. Vorsitzender des Vereins der Freunde des Deutschen Apotheken-Museums. Seit 1996 Vorsitzender der DGGP.

Literatur [1] Dann, G. E., Vierzig Jahre (Internationale) Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie e.V. Eine Übersicht über ihr Werden und ihre Arbeit. Veröffentlichungen der IGGP, N. F. Bd. 30, Stuttgart 1966. [2] Urdang, G., Die "Geschichte der Pharmazie" im letzten Jahrfünft. Pharm. Ztg. vom 22. 9. 1928. [3] Urdang, G., Die pharmazeutische Geschichtsschreibung in Deutschland. Pharm. Ztg. 68 (1923), 53 - 57, und 69 (1924), 1008 - 1010. [4] Ibid. (1923), 53. [5] Ibid. (1924), 1010. [6] Krafft, F., Eine moderne Pharmaziegeschichte. Geschichte der Pharmazie 52, (2000) 27. [7] Guitard, E.-H., Le Cinquantenaire de la première Societe d'Histoire de la Pharmacie. Veröffentlichungen der IGGP, N.F. Bd. 26 (1965), 73 - 78. [8] wie Anm. 1, Seite 17. [9] Pharm. Ztg. 71, vom 14. 8. 1926. [10] Zimmermann, W., Die Gründungstage der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Süddtsch. Apt. Ztg. 41 (1934), 346 / Ferchl, F., a. gl. O., 345. [11] Pharm. Ztg. 71, vom 21. 8. 1926. [12] Zimmermann, W., Aufbau und Einigungsziele der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Apt. Ztg. 41 (1926), 1362. [13] Wie Anm. 1, S. 23. [14] Zimmermann, W., Die Aufgaben der Zentralstelle für Geschichte der Pharmazie. Süddtsch. Apt. Ztg. 66 (1926), 591. [15] Pharm. Ztg. vom 22. April 1927. [16] Pharm. Ztg. vom 11. Mai 1927. [17] Wie Anm. 1, S. 24. [18] Pharm. Ztg. vom 1. Mai 1929. [19] Pharm. Ztg. vom 8. Mai 1929. [20] Wie Anm. 1, Anlage 1. [21] Wie Anm. 1 S. 24. [22] Pharm. Ztg. vom 19. Oktober 1929. [23] Pharm. Ztg. vom 18. 2. 1933. [24] Schröder, G., NS-Pharmazie, Gleichschaltung des deutschen Apothekenwesens im Dritten Reich. Wissenschaftliche Verlagsges. Stuttgart. (1988), 107 - 137. [25] Pharm. Ztg. vom 1. 4. 1933. [26] Briefe Urdang an Winkler vom 17. und 20. Mai 1933. [27] Pharm. Ztg. vom 30. 9. 1933. [28] Briefe von Ferchl an Adlung vom 3. 10. und 23. 11. 1933, von Adlung an Ferchl vom 25. 10. und 3. 12. 1933. [29] Brief von Adlung an Ferchl vom 3. 12. 1933. [30] Brief von Winkler an Peters vom 10. 12. 1933. [31] Brief von Adlung an Winkler vom 7. 1. 1934. [32] Brief von Häfliger an Adlung vom 30. 1. 1934. [33] Brief von Urdang an Adlung vom 8. 4. 1934. [34] Pharm. Ztg. vom 23. 5. 1934. [35] wie Anm. 34. [36] Pharm. Ztg. vom 20. und 24. 6. 1936.

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