Aus Kammern und Verbänden

Pharmaziehistoriker tagten in Edinburgh

Der 37. internationale Kongress für Geschichte der Pharmazie fand vom 22. bis 25. Juni 2005 in der schottischen Hauptstadt Edinburgh statt. 240 Delegierte mit Begleitpersonen nahmen daran teil. Das Programm war mit vier Hauptvorträgen und knapp 100 Kurzvorträgen gut gefüllt. In vier Parallelsitzungen konnte man beispielsweise Referate zu den übergeordneten Themen "Stätten pharmazeutischer Praxis", "Frauen in der Pharmazie", "Arzneipflanzen" oder "Pharmazie und Staat" verfolgen. Die Sitzung der Internationalen Akademie für Geschichte der Pharmazie und Ausflüge in die schottische Landschaft rundeten die gelungene Tagung ab.

 

Grußworte

Der Präsident der British Society for the History of Pharmacy (BSHP), Dr. Stuart Anderson, hatte die Tagung in Edinburgh in herausragender Weise organisiert. Bei der offiziellen Eröffnung des Kongresses verwies er darauf, dass die BSHP eine junge Gesellschaft ist, die 1965 gegründet wurde und heute etwa 250 Mitglieder hat. Weitere Grußworte sprachen die Oberbürgermeisterin von Edinburgh, Lesley Hinds, die Kanzlerin der Scottish Executive of the Royal Pharmaceutical Society of Great Britain, Angela Timoney, sowie Prof. Dr. Francois Ledermann, Präsident der Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (IGGP), und Prof. Dr. Wolf-Dieter Müller-Jahncke, Präsident der Internationalen Akademie für Geschichte der Pharmazie.

Eine Fülle von Vorträgen

Die vier Plenarvorträge beschäftigten sich mit der Geschichte der Pharmazie in Großbritannien bzw. in Edinburgh, mit der Geschichte des Royal College of Surgeons of Edinburgh, das in diesem Jahr sein 500-jähriges Bestehen feiert und ein eigenes Museum unterhält, sowie mit Samuel Hahnemann, dem Begründer der Homöopathie.

Themen aus der deutschen Pharmaziegeschichte waren u. a.: die Mitarbeiter in den ostpreußischen Apotheken um 1850 (Dr. P. H. Graepel) und Apotheker als Kommunalpolitiker (Prof. Dr. Christoph Friedrich). Die Arbeitsgruppe "Artemis" berichtete über Erzählungen von Giftmischerinnen (Prof. Dr. Bettina Wahrig) und den Patentantrag der Friederike Burtz für einen Brustbezug zur Vorbeugung von Mastitis (Dr. S. Landgraf).

Pharmaziehistoriker aus Deutschland boten auch viele internationale Themen dar, so den Madrider Codex "Melleus liquor physicae artis" (Dr. Ute Mauch, derzeitige Stipendiatin der IGGP), die Apotheke des Collegio Romano mit ihren Beziehungen nach Übersee vom 16. bis 18. Jahrhundert (Dr. S. Anagnostou) und altägyptische Therapien bei Frauen (Dr. T. Pommerening). Dr. S. Bernschneider-Reif präsentierte einen Dokumentarfilm aus dem Jahr 1928 über die Amerikafahrt deutscher Apotheker, Dr. C. Staiger und PD Dr. A. Helmstädter beschäftigen sich mit dem Cidre in der Pharmazie, Dr. H. Goetzendorff entführte die Zuhörer in die "Deutsche Apotheke" in Milwaukee, und Dr. G. Helmstädter verfolgte den Einfluss von Thomas Linacre auf die deutsche Medizin.

Pharmaziehistorisch relevante Bibliotheken

Dr. Michael Mönnich von der Universitätsbibliothek Karlsruhe stellte die Pharmazeutische Zentralbibliothek vor, die in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (WLB) als Depositum aufbewahrt wird. Sie stellt eine der weltweit größten Sammlungen von pharmaziehistorisch relevanter Literatur dar. Seit April 2005 sind ihre Bestände im Internet verfügbar: www.pharmazeutische-zentralbibliothek.de.

Die Monographien, Zeitschriften und weitere Materialien können nur im Lesesaal der WLB benutzt werden. Da nur wenig Magazinraum vorhanden ist und die finanziellen Möglichkeiten begrenzt sind, können nur ausgewählte Monographien hinzugekauft werden. Die oft lückenhaften Bestände der Zeitschriften werden durch Tausch mit anderen Bibliotheken ergänzt. In der Zukunft wird das Aussortieren von Dubletten eine der Hauptaufgaben sein.

Für Pharmaziehistoriker sind noch drei weitere Bibliotheken Deutschlands besonders interessant: die Universitätsbibliothek Braunschweig mit dem Sammelschwerpunkt Pharmazie, die Universitätsbibliothek Köln mit dem Sammelschwerpunkt Medizin sowie die Bibliothek des Instituts für Geschichte der Pharmazie in Marburg.

Akademiesitzung

Traditionsgemäß veranstaltete auch die Internationale Akademie der Geschichte der Pharmazie ihre Sitzung während des Kongresses. Der Präsident Prof. Müller-Jahncke und die Generalsekretärin Prof. E. A. Varella stellten die neuen Mitglieder vor: Dr. Rosemary Beresford aus Neuseeland, PD Dr. Axel Helmstädter aus Deutschland und Peter Homan aus Großbritannien. Als erstes korrespondierendes Mitglied wurde Dr. Peter M. Worling aus Edinburgh aufgenommen.

Der "Prix Maria del Carmen Francés" wurde Dr. Michael Nell aus Köln überreicht, der sich mit einer spanischen Ansprache bedankte. Die "Medaille Maria del Carmen Francés" wurde posthum an Leslie G. Matthews und an Leo J. Vanderwiele verliehen. Die "George Urdang Medal" wurde Sabine Knoll Schütze für ihre Arbeit über "Friedrich Hoffmann and the Pharmazeutische Rundschau, a Contribution to the History of American Pharmacy" zugesprochen. Den Festvortrag des Akademieabends hielt Dr. Stuart Anderson über "Community Pharmacy and the Rise of Welfare in Great Britain". Tänze und Musik aus dem Mittelalter und der Renaissance rundeten die Sitzung ab.

Internationale Situation der Pharmaziegeschichte

Eine Podiumsdiskussion thematisierte die Situation der Pharmaziegeschichte in verschiedenen Ländern. Während in den Beneluxländern, in den USA und in Ungarn die Lage teilweise sehr pessimistisch beurteilt und der Mitgliederschwund beklagt wurde, zeigte sich in Deutschland und in Spanien eine positivere Tendenz. Die Unterstützung junger Nachwuchswissenschaftler beispielsweise durch Stipendien und Preise für gute Arbeiten wurde ebenso betont wie das persönliche Engagement der Mitglieder der IGGP, um Kontakte zu knüpfen.

Die Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie in den USA (American Institute for the History of Pharmacy), die kürzlich der IGGP beigetreten ist, zählt nur 500 Mitglieder, während es in den USA etwa 200.000 Pharmazeuten gibt (1 : 400). Mit Newslettern, Broschüren und anderen Informationsmaterialien wurde versucht, etwas für die Pharmaziegeschichte zu tun, die Bemühungen hatten bisher aber wenig Erfolg. Dies mag daran liegen, dass Bürger der USA vor allem an der Zukunft interessiert sind und nicht an der Vergangenheit.

Der ungarische Vertreter betrachtete die Entwicklung pessimistisch: Die pharmazeutischen Kollegen lesen nicht, wissenschaftliche Aspekte interessieren sie nicht, die Deprofessionalisierung schreitet voran, eine pharmaziehistorische Forschung wird von der Politik nicht gewünscht.

Prof. Dr. Olivier Lafont, der Anfang 2006 die Nachfolge von Prof. Dr. Ledermann als IGGP-Präsident antritt, betonte in seinem Schlusswort, dass das Fach mit Enthusiasmus präsentiert werden müsse; nur so könne man neue Interessenten gewinnen. Er lud zum 38. internationalen Kongress für Geschichte der Pharmazie ein, der vom 19. bis 22. September 2007 in Sevilla zum Thema "Drogen und Medikamente von beiden Seiten des Atlantiks" stattfinden wird.

Angela Reinthal, Heidelberg

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