Berichte

Pharmaziehistorischer Nachmittag

Zwei Themen, die mit den Entwicklungen in Deutschland nach 1933 eng verknüpft sind, waren Inhalt der beiden Vorträge des pharmaziehistorischen Nachmittags, den die Landesgruppe Nordrhein der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie am 24. November in Essen veranstaltete.

Chemieunterricht während der NS-Zeit

Dr. Eva-Maria Stoya, Wiesbaden, trug über die Entwicklung des Chemieunterrichtes in der Zeit nach 1933 vor. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Chemieunterricht in den Schulen nicht weiter berücksichtigt. Im Jahre 1905 forderte deshalb die Gesellschaft der Deutschen Naturforscher und Ärzte erstmals eine breitere Vermittlung von Chemiekenntnissen in der Schule. Diese Bestrebungen fanden jedoch mit dem Ersten Weltkrieg ein jähes Ende. Da am Ausklang der Weimarer Republik wenig Geld zur Ausstattung von Chemiesälen und Lehrerfortbildung vorhanden war, verkümmerte der Chemieunterricht auch nach der Einführung der Reformpädagogik Mitte der 20er-Jahre.

Dies sollte sich mit der Machtergreifung Hitlers ändern. Durch geschicktes Taktieren des "Deutschen Fördervereins zur Unterstützung des naturwissenschaftlichen Unterrichts" konnte der Chemieunterricht in den Schulen breitflächig angeboten werden. Inhaltlich standen dabei weniger Formelsprache und Periodensystem im Vordergrund. Vielmehr sollten Inhalte, die die Wehrhaftigkeit verbessern, und - als Konsequenz aus den Erfahrungen des ersten Weltkrieges - der Giftgas- und Luftschutz Schwerpunkte im Unterricht bilden. Außerdem wurden die Schüler zu einem sparsamen und effektiven Umgang mit Rohstoffressourcen angeleitet. Daneben bestimmten auch nationalsozialistische Inhalte die Lehrbücher.

Interessanterweise führte man den Chemieunterricht nicht nur an Jungen-, sondern auch an Mädchenschulen ein. Die dort vermittelten Inhalte bereiteten auf die Aufgaben der Frau als Hausfrau und Mutter in der Gesellschaft vor: Ernährungslehre, Pflege des Kochgeschirrs, das richtige Anzünden des Ofens, daneben Grundwissen zur Gesundheitslehre und den Umgang mit Medikamenten. Allerdings sah die Politik auch für die Mädchen eine breite Ausbildung in Sachen Giftgas- und Luftschutz vor.

Bis 1942 gab es eine Reihe von Schulbüchern für Mädchen und Jungen und die unterschiedlichen Schulformen. Daneben ergänzten je nach - politischem - Bedarf die so genannten Themenhefte das Programm. Ab 1942 konnten die geplanten Reformen jedoch wegen der wachsenden Probleme durch den zweiten Weltkrieg nicht weiter durchgeführt werden.

Richard Brieger und seine Bewerbung in Jerusalem

Der Apotheker und Journalist Dr. Richard Brieger (1887 - 1937) stand im Mittelpunkt des Referates von Dr. Frank Leimkugel, Mülheim/R.

Richard Brieger arbeitete von 1926 bis 1933 als Redakteur der Pharmazeutischen Zeitung. Da er als Jude nach 1933 aus der Redaktion entlassen wurde, suchte er nach einem neuen Lebenserwerb, um seine Frau und zwei Kinder zu versorgen. Aufgrund einer Empfehlung des Berliner Privatdozenten Paul Wolff erhielt er die Chance, sich mit der Hebräischen Universität in Jerusalem in Verbindung zu setzen. Seit einigen Jahren waren der Kanzler der Universität, Jehuda Magnes, und der Botaniker Otto Warburg bemüht, an der Universität einen pharmazeutischen Ausbildungszweig anzusiedeln.

Zu Beginn des Kontaktes mit der Hebräischen Universität formulierte Brieger finanzielle und personell kaum ins Gewicht fallende Vorstellungen darüber, was für die Einrichtung eines Pharmaziestudienganges in Jerusalem benötigt würde. Da um diese Zeit auch der Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitung Georg Urdang (1882 - 1960), ebenfalls jüdischer Herkunft, Kontakt mit der Hebräischen Universität in Jerusalem hatte, dort sogar zu Besuch war, setzte er sich für seinen Kollegen Brieger ein. Nach seiner Rückkehr aus Jerusalem empfahl er deshalb Brieger, ein ausführliches Curriculum zu entwickeln und die für die Umsetzung erforderlichen Räume, Gerätschaften und personelle Besetzung aufzulisten.

Urdang hatte in Jerusalem in zahlreichen Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass die Entscheidung für Brieger und die Errichtung des Studiengangs Pharmazie bereits gefallen sei. Dieser Eindruck war, wie sich herausstellen sollte, leider falsch. Nachdem Brieger ein - auch für heutige Begriffe schon recht modernes - Curriculum und seine Vorstellungen über eine optimale Ausstattung eingereicht hatte, erhielt er einen ablehnenden Bescheid. Die Kosten für das Projekt überstiegen bei weitem die Möglichkeiten der Hebräischen Universität. Brieger starb 1937 an Krebs. Erst 1953 sollte ein Studium der Pharmazie in Israel möglich sein.

Der pharmaziehistorische Nachmittag wurde kulturell durch einen Besuch im Folkwang-Museum und eine Führung durch die dortige William-Turner-Ausstellung abgerundet.

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