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Unser Gesundheitswesen leidet an Auszehrung und Schwindsucht. Die Kosten laufen davon, die Einnahmen reichen nicht mehr. Vor allem die Ausgaben für Arzneimittel sind dabei wieder einmal in die Schusslinie geraten, sie sind ja auch so schön transparent. Ein Vertreter der Betriebskrankenkassen auf einem Presseseminar: "Im Arzneimittelbereich brennt die Hütte!" Unsere Regierung mit Ulla Schmidt als Gesundheitsministerin weiß, dass gehandelt werden muss, wenn wir nicht bei exorbitanten Beitragssätzen in der GKV oder bei einer Unterversorgung landen wollen - allein es fehlen die Konzepte.

Dringend gesucht: das Rezept für unser krankes Gesundheitswesen! Eine Reform mit vollkommen neuen Ansätzen wurde bis jetzt noch nicht auf den Tisch gelegt. Auch Frau Schmidt kam bisher übers Herumdoktern nicht hinaus. In diese Lethargie des Ministeriums platzte ein Papier aus dem Kanzleramt, das einen neuen Ansatz fürs Gesundheitswesen vorschlägt: die medizinische Versorgung soll in eine Grund- und Wahlleistung aufgeteilt werden. Für sozialdemokratische Ohren könnte man es auch euphemistischer umschreiben in Solidar- und Individualleistungen. Während eine solche Splittung für die Basispolitiker der Regierungsparteien "nicht in Frage" kommt, scheint man in den kanzlernäheren Riegen einen Schritt weiter zu sein und dies nicht gleich als "Ausstieg aus dem solidarischen System" zu sehen. Mit Recht. Wenn die Beiträge nicht uferlos steigen sollen, wenn wir uns den medizinischen Fortschritt gönnen wollen, muss der Leistungskatalog der Kassen abgespeckt werden. Warum besinnen wir uns eigentlich nicht auf den Bismarckschen Gedanken einer Krankenversicherung, die nur für das eintreten soll, was der Einzelne im Krankheitsfall nicht mehr selbst leisten kann. Wir müssen bei weitem nicht so radikal vorgehen, dass nur noch die teuersten Arzneitherapien oder Operationen von der Kasse bezahlt werden.

Ein Durchschnittsverdiener ist heute durchaus in der Lage, im Ernstfall mehr aus der eigenen Tasche zum Erhalt seiner Gesundheit beizusteuern. Seine Grundversorgung wäre gesichert, im ernsten Krankheitsfall würde er auf jeden Fall behandelt - und wenn er gerne auch die kleinen Wehwehchen absichern möchte, so hat er die Möglichkeit, sich freiwillig höher zu versichern. Um die Aufteilung in Grund- und Wahlleistungen wird man kaum herumkommen. Golf bezahlen und Mercedes fahren, wie es in einer Podiumsrunde hieß, geht nun mal nicht. Aber warum stellt man nicht jedem, um im Bild zu bleiben, ein Fahrrad zur Verfügung und wer im Ernstfall mal einen Golf oder einen Mercedes benötigt, kann sich selbst dafür versichern.

Doch selbst wenn man (noch) nicht so weit denken will: es gibt auch einfacher umzusetzende Sparmöglichkeiten oder Geldquellen im Gesundheitswesen, wenn man sie denn sehen will, die sofort greifen. Der Bayerische Apothekertag am vergangenen Wochenende und Podiumsdiskussion auf anderen Veranstaltungen sprachen einige an: 1,5 Mrd. könnten mehr vorhanden sein, wenn die Zuzahlung nicht gekürzt worden wäre. Dies lässt sich doch leicht rückgängig machen oder eine prozentuale Zuzahlung mit ähnlichem Effekt einführen. Befreiungen von der Zuzahlung sollten überprüft und dürften nicht als Kundenbindungsinstrumente der Kassen missbraucht werden.

Warum sollte man nicht endlich die Steuer auf Alkohol und Tabakwaren zweckgebunden dem Gesundheitswesen zuführen? Und dann das Dauerbrennerthema der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel: weg damit. Und versicherungsfremde Leistungen: weg damit. Allein durch solche Maßnahmen könnte man nach vorsichtigen Schätzungen auf einen Beitragssatz von heute 10% und weniger kommen.

Was sicher auch einen Einspareffekt hätte: mehr Transparenz bei den ärztlichen Abrechnungen. Warum bekommt ein Kassenpatient eigentlich bis heute keine Abrechnung über die von seinem Arzt erbrachten Leistungen? Warum wird der aktuelle Punktwert und die Punktezahl für eine ärztliche Leistung dem Versicherten nicht einfach zugänglich gemacht?

Wie gesagt, stattdessen wird am Kleinklein und vor allem im Arzneimittelbereich herumgedoktert. Über das Noli-me-tangere der Offizinapotheker, die Arzneimittelpreisverordnung, wird bereits laut in Politik, Industrie- und sogar ABDA-Kreisen diskutiert. Eine stärkere Drehung oder eine neue Zusammensetzung des Arzneipreises aus z. B. Logistik- und Beratungshonorar sind im Gespräch. Vermutlich wird auch die Quote für Importarzneimittel angehoben werden, was kaum nennenswerte Einsparungen bringt, aber viel Ärger und zusätzlichen logistischen Aufwand. Ähnlich wie die Positivliste, so sie denn kommt, die sogar eher zu einer Verteuerung führen dürfte.

Und wer heute noch glaubt, mit dem Arzneiversandhandel zur Gesundung unseres Gesundheitswesens beitragen zu können, kennt unser Versorgungssystem nicht oder hat noch keinen Schritt weiter gedacht. Welche gefährlichen Blüten der Versand derweil bereits treibt, zeigen einschlägige Internet-Seiten wie www.pillen-online.de. Sogar Name und Anschrift des Betreibers des illegalen Pillenversands sind dort zu finden. Warum geht dagegen keiner vor?

Peter Ditzel

Rezepte fürs kranke Gesundheitswesen

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