Kommentar

Ärzte: Zu viele Zuzahlungs-Befreiungen

Bonn (im). Die niedergelassenen Ärzte haben die zu große Zahl befreiter Patienten von der Zuzahlung zu den Arzneimitteln kritisiert. Gefordert wurde die Neuordnung der Härtefallregelung.

Dass mehr als 50 Prozent aller Rezepte aufgrund einer Härtefalleinstufung von Zuzahlungen ganz befreit seien, sei nicht vertretbar, so Dr. Manfred Richter-Reichhelm am 27. Mai bei der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Rostock. Der Vorsitzende der KBV, die die rund 115 000 Kassenärzte vertritt, plädierte in seinem Bericht zur Lage darüber hinaus für Festzuschüsse für veranlasste Leistungen wie etwa Arzneimittel-Verschreibungen. Positives Beispiel sei die Zahnheilkunde, wo ein Zuschuss für die Füllung eines kariösen Zahns mit Amalgam bezahlt werde, auch wenn der Patient Kunststoff, Keramik oder Gold wähle.

Forderungen der Ärzte

Die Mediziner beschlossen zehn Forderungen an die neue Bundesregierung nach der nächsten Bundestagswahl. Im Arzneimittelbereich verlangten sie neue Möglichkeiten für die Krankenkassen, in ihren Satzungen Zuschüsse für die Versorgung mit Medikamenten zu gewähren als Abkehr vom "Alles oder Nichts-Prinzip". Künftig sollte der Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen nur notwendige Maßnahmen enthalten, ergänzend dazu könne es Zusatztarife als Satzungsleistungen der einzelnen Kassen geben. Grundsätzlich müssten "versicherungsfremde" Leistungen ganz gestrichen werden. Darunter wird häufig zum Beispiel Mutterschaftsgeld oder Sterbegeld verstanden.

Kassenwahl einschränken

Daneben wurde die Einschränkung der Kassenwahl gefordert, die Versicherten sollen sich wieder länger an eine Einrichtung binden. Zur Zeit können Patienten mit einer sechswöchigen Kündigungsfrist wechseln, müssen aber 18 Monate bei der neuen Kasse bleiben. Richter-Reichhelm verwies auf die Milliarden-Beträge, die der Krankenversicherung heute durch den Wechsel von einer 14-Prozent-Kasse zu einer 12-Prozent-Kasse (jeweils Beitragssätze) fehlten. Da nur Gesunde und Junge wechselten, blieben die Kranken, Alten und teuren Patienten in den Versorgerkassen.

Kanzler vernachlässigt freie Berufe

Zuvor hatte der KBV-Chef mit der rotgrünen Bundesregierung abgerechnet. Der Bundeskanzler habe sich vor allem als Partner der Großindustrie profiliert, sich aber nicht sonderlich um den Mittelstand und die freien Berufe gekümmert. Die Förderung etwa der freien Berufe habe die rotgrüne Koalition unterlassen und stattdessen mittelstandsfeindliche Gesetze vorgelegt, kritisierte der KBV-Chef. Es sei ein Fehler, das Gesundheitswesen isoliert zu betrachten. Mit seinen fast vier Millionen Beschäftigten sei es schließlich der zweitgrößte Wirtschaftsbereich in Deutschland nach der Automobilindustrie.

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