Zahnpflege

R. Neubert, F. EggertFluoridhaltige Zahnpasten

Die wichtigste Voraussetzung für eine effektive Kariesprophylaxe mit fluoridhaltigen Zahnpasten ist die rasche Freisetzung der Fluoride beim Zähneputzen, damit diese mit dem Zahnschmelz reagieren können. Die Bioverfügbarkeit der Fluoridionen hängt nicht nur von der Fluorverbindung selbst, sondern auch von den in der Zahnpasta enthaltenen Abrasivstoffen ab, denn diese können mir Fluor zu schwerlöslichen Salzen reagieren. Ein In-vitro-Test von fünf fluoridhaltigen Zahnpasten zeigte u. a. bei Präparaten, die Calciumcarbonat oder Calciumhydrogenphosphat-dihydrat enthalten, eine um 50% verringerte Bioverfügbarkeit der Fluoridionen.

Für die Kariesprophylaxe mit Fluoriden kommt hierzulande den fluoridhaltigen Zahnpasten und den Fluoridtabletten die größte Bedeutung zu; denn obwohl die Trinkwasserfluoridierung eine optimale Form der Fluoridversorgung breiter Bevölkerungsschichten darstellt, hat sie sich in der Bundesrepublik nicht durchgesetzt. Die Karieshemmung fluoridhaltiger Zahnpasten wird in der Literatur mit 20 bis 30% angegeben.

Fluorverbindungen in Zahnpasten

Fluoridhaltige Zahnpasten enthalten unterschiedliche Fluorverbindungen. Die Konzentration der Fluoridionen beträgt in den gängigsten Präparaten 0,1 bis 0,15%, entsprechend 1000 bis 1500 ppm. Die Zahnpasten können nur dann kariesprophylaktisch wirken, wenn die Fluoride beim Zähneputzen in Lösung gehen. Nur gelöstes, ionisches Fluorid ist biologisch verfügbar und kann in den Zahnschmelz eingebaut werden.

Die freie Verfügbarkeit von Fluoriden ist allerdings eingeschränkt, wenn sie mit anderen Inhaltsstoffen der Zahnpasta reagieren können. Hier spielen insbesondere die als Abrasivstoffe bzw. Putzkörper zugesetzten Calciumsalze eine Rolle. So verbindet sich beispielsweise Natriumfluorid mit Calciumcarbonat oder Calciumphosphat zu schwerlöslichem Calciumfluorid. Zahnpasten dieser Zusammensetzung entfalten keine kariesprophylaktische Wirkung. (Die Beeinträchtigung der Wirkung von Fluoridtabletten im Zusammenhang mit calciumreicher Nahrung ist schon länger bekannt.)

Heute ist Natriummonofluorphosphat die meistgebrauchte fluoridhaltige Wirkkomponente in Zahnpasten. Es bleibt trotz seiner Reaktion mit calciumhaltigen Putzkörpern löslich, sodass es reaktive Fluoridionen an den Zahnschmelz abgeben kann.

Das im Natriummonofluorphosphat kovalent gebundene Fluorid wird weniger leicht durch die genannten Putzkörper inaktiviert als Natriumfluorid oder Zinnfluorid. Denn obwohl Monofluorphosphat-Ionen durch Speichel oder Plaque hydrolysiert werden können, erreicht ein guter Teil die Zahnoberfläche unverändert und diffundiert in den Schmelz. Die Diffusion von Monofluorphosphat-Ionen in den Speichel erfolgt wesentlich langsamer als die Diffusion von Fluoridionen [1].

Methode und Prüfpräparate

Die Bestimmung von Fluorid erfolgte direktpotentiometrisch mit einer ionenselektiven Lanthanfluorid-Einkristall-Membranelektrode für den Messbereich von kleiner 10-6 mol/l F- bis zur Fluorid-Sättigung. Durch serielle Verdünnung einer konzentrierten Stammlösung von 1000 ppm Fluorid aus getrocknetem Natriumfluorid über 100 ppm, 10 ppm, 1 ppm 0,1 ppm und 0,01 ppm wurde eine Eichkurve aufgestellt (n = 3, Mittelwert ± Standardabweichung, Temperatur = 30 Grad Celsius ± 1 Grad Celsius, konstante Rührgeschwindigkeit, Zeitintervall für die Messung: 3 min; Tab. 1 und Abb. 1).

Als In-vitro-Liberationsmodell wurde eine Messzelle nach dem Membranmodell von Dibbern benutzt (Abb. 2). Mit Magnetrührern wird für eine gleichmäßige und ausreichende Durchmischung der Lösung gesorgt. Es wurden jeweils unter gleichen Bedingungen, wie sie zur Erstellung der Eichkurve dienten, 10,0 ml Analysenlösung (bzw. Standard bekannter Konzentration) mit 500,0 mg Zahnpasta bzw. 300,0 mg Gel und 1,0 ml TISAB® ad 10,0 ml Aqua destillata versetzt und nach gutem Mischen in das Donorkompartiment gegeben (Abb. 2). Um konstante Versuchsbedingungen zu erzielen, wurde immer bei gleicher Rührgeschwindigkeit in Intervallen von drei Minuten bei 30 Grad Celsius gemessen.

Die fünf untersuchten Zahnpasten A (elmex®, Fa Wybert), B (elmex® sensitive, Fa. Wybert), C (Blendamed®, Fa. Procter und Gamble), D (Blendax® Antibelag, Fa. Procter und Gamble) und E (Zendium®, Fa. Wybert), die in Apotheken erworben worden waren, unterscheiden sich hinsichtlich Fluoridwirkstoff und Putzkörper (Tab. 2); das untersuchte Gel (elmex gelée, Fa. Wybert) besitzt keinen Putzkörper. Bei TISAB (Total Ionic Strength Adjustment Buffer) handelt es sich um ein Reagenz: Es enthält einen Acetat-Puffer, um das Fluorid aus Flusssäure freizusetzen, und Cyclohexandiamintetraessigsäure (CDTA) oder Citrat, um das an Aluminium, Eisen oder andere Kationen gebundene Fluorid freizusetzen.

Zur Gesamt-Fluorid-Bestimmung soll in allen Eich- und Messlösungen die ionale Stärke gleich sein und sämtliches in der Probe vorhandenes Fluorid freigesetzt sein. Der (mithilfe von TISAB erzielbare) optimale pH-Wert soll zwischen 5 und 8 liegen; dabei beträgt die ionale Stärke etwa 0,5 mol/l.

Obwohl die LaF3-Membranelektrode eine hohe Spezifität besitzt, können andere Anionen (Citrat, Phosphat, Hydrogencarbonat), aber auch einige Kationen (Wasserstoff, Eisen) die Messung stören.

Alle Versuche wurden unter den gleichen Bedingungen durchgeführt. Nach dem Eintauchen der LaF3-Membranelektrode und der Bezugselektrode wurde der konstante Endwert in Millivolt abgelesen; mithilfe der Eichkurve wurden dann die Fluorid-Konzentrationen der Probelösungen ermittelt (Tab. 3)

Die Untersuchung berücksichtigt nicht die Verweilzeit der geprüften Zahnpasten beim Großhändler oder Hersteller mit eventuellen hohen ungünstigen Temperaturbelastungen. Keines der Präparate war laut Herstellerdatum älter als zehn Monate.

Ergebnisse

Die Prüfung der Zahnpasten mit den Putzkörpern Metaphosphat (A), Polyethylen-Pulver plus Siliciumdioxid (B) oder Aluminiumoxid-dihydrat (E) lässt keinen nennenswerten Verlust von verfügbaren Fluoridionen erkennen (Abb. 3, Tab. 3). Es ergeben sich um ca. 5 bis 16% niedrigere Werte, als nach Berechnung zu erwarten wäre. Hier muss beachtet werden, dass nur 3 Minuten lang gemessen wurde, um dem allgemeinen Zeitrahmen des Zähneputzens nahe zu kommen.

Die Zahnpasten, die Natriummonofluorphosphat mit Calciumcarbonat (C) oder Natriumfluorid mit Calciumhydrogenphosphat-dihydrat (D) enthalten, zeigen dagegen einen deutlichen Verlust an verfügbaren Fluoridionen während der drei Minuten. Die offenbar ungünstigen Kombinationen führen gegenüber dem Ausgangswert von 100% Fluorid zu einem um 25% bzw. um fast 50% erniedrigten Gehalt an verfügbarem Fluorid. Lagerzeitverluste und eventuelle extreme Temperaturbelastungen bleiben in der Untersuchung unberücksichtigt.

Bewertung der Präparate

Die Untersuchung über die Freisetzung und Bioverfügbarkeit von Fluoridionen an fünf verschiedenen Zahnpasten macht deutlich, welche hohe Bedeutung den Putzkörpern bei diesen Zubereitungen zukommt. Calciumcarbonat und Calciumhydrogenphosphatdihydrat in den geprüften Präparaten verursachen eine erhebliche Abnahme der verfügbaren Fluoridionen, da sie mit ihnen schwerlösliche Salze bilden (insbesondere CaF2).

Das Calciummonofluorphosphat, das sich bei bestimmten Rezepturen bildet, bleibt löslich und kann reaktive Fluoridionen an den Zahnschmelz abgeben [2]. Natriummonofluorphosphat, die heute meistverwendete kariesprophylaktische Wirkkomponente in Zahnpasten (hier Präparat C), reagiert in deutlich geringerem Umfang (ca. 25%) als Natriumfluorid mit Calciumcarbonat zu Calciummonofluorphosphat. Natriummonofluorphosphat kann außerdem durch in Speichel und Plaque vorhandene Phosphatasen hydrolysiert werden, was den Gehalt an freien Fluoridionen erhöht [7]. Damit könnte der im Freisetzungstest ermittelte Verlust unter In-vivo-Bedingungen wieder ausgeglichen werden.

Bei der Kombination von Natriumfluorid mit Calciumhydrogenphosphat-dihydrat (Präparat D) muss angenommen werden, dass es zur Bildung von schwerlöslichem Calciumfluorid kommt, wodurch die Zahnpasta ihre kariesprotektive Wirkung verliert. Als sinnvolle Wirk- und Hilfsstoffkombination mit hoher Verfügbarkeit kann die Kombination von Natriumfluorid mit Aluminiumoxid-dihydrat (Präparat E) angesehen werden. Hier zeigen sich nur 0,016% Verlust an Fluorid, und zudem bieten die Aluminiumionen den Vorteil, dass sie in den Apatit eingelagert werden können [6].

Die beiden Zahnpasten, die organische Fluoride mit unlöslichem Metaphosphat (A) bzw. Siliciumdioxid (B) enthalten, zeigen einen nur sehr geringen Verlust von verfügbarem Fluorid. Auch das geprüfte Gel enthält die organischen Fluoride Olaflur und Dectaflur sowie NaF; ohne Putzkörperanteil) kann mit einem Verlust von 0,06% als stabil betrachtet werden.

Abschließend sei angemerkt, dass unter In-vivo-Bedingungen die Speichelsekretion sowie die Putztechnik und das Alter zusätzliche Verteilungskriterien schaffen, die hier in der Untersuchung nicht berücksichtigt wurden.

Konsequenz

Es erscheint aufgrund der Testergebnisse sinnvoll, in Zahnpasten auf die Kombination von Fluoriden mit Calciumcarbonat oder Calciumhydrogenphosphat-dihydrat zu verzichten. Zu demselben Ergebnis kamen die Autoren einer Untersuchung zur Bioverfügbarkeit von verschluckten Zahnpasten bei Kindern und Erwachsenen [3].

Geht man davon aus, dass die Putzkörper in Zahnpasten einen Anteil zwischen 20 und 60% haben (s. Kasten "Zahnpastarezeptur") und dass Calciumcarbonat zu den am häufigsten eingesetzten Putzkörpern zählt, muss befürchtet werden, dass die Bioverfügbarkeit der Fluoride vieler Zahnpasten zu wünschen übrig lässt.

Voraussichtlich bringt hier die Kosmetikverordnung vom 1.1.1997 mit der Pflicht zur Deklaration aller Hilfsstoffe Klarheit. Die Beratungsaktivität des Offizinapothekers ist hier einmal mehr gefragt. Auch im Hinblick auf die WHO-Zielsetzung für das Jahr 2000 (s. Kasten) kann der Apotheker sich zum kompetenten Mitstreiter in Sachen Prophylaxe zur Verhinderung von Zahn- und Mundkrankheiten machen.

Fluoride in Zahnpasten

Die wichtigsten in Zahnpasten eingesetzten Fluorverbindungen sind: - Natriummonofluorphosphat (Na2FPO4) - Natriumfluorid (NaF) - Kaliumfluorid (KF) - Zinnfluorid (SnF2) - Olaflur (Bis-(hydroxyethyl)-aminopropyl-N-hydroxy - ooethyl-oktadecylamin-dihydrofluorid) - Hetaflur (Cetylaminhydrofluorid)

Kastentext: Initiativen

Club der Cariesfreien

Mitglied kann jeder werden, der ein kariesfreies Gebiss nachweisen kann und mindestens 18 Jahre alt ist. Informationen erhalten Sie bei: Wybert elmex Forschung Postfach 24 20 79514 Lörrach

Verein für Zahnhygiene e.V.

Feldbergstraße 40 64293 Darmstadt Telefon (0 61 51) 89 48 14 Fax (0 61 51) 89 51 98 E-Mail: kontakt@zahnhygiene-ev.de Internet: www.zahnhygiene-ev.de Bietet viel Informations-, Lern- und Lehrmaterial über Zahngesundheit (Poster, Spiele, Video, Merkblätter, Unterrichtsmaterial)

Deutscher Arbeitskreis für Zahnheilkunde

Informationsstelle für Kariesprophylaxe Postfach 13 52 64503 Groß-Gerau Telefon (0 61 52) 8 14 66 Fax (0 61 52) 8 17 88 E-Mail: daz@kariesvorbeugung.de Internet: www.kariesvorbeugung.de

Kastentext: WHO-Zielsetzung für das Jahr 2000o

  • Bei den 5-Jährigen soll die Hälfte ein kariesfreies Gebiss aufweisen.
  • Bei den 12-Jährigen sollen nicht mehr als drei Zähne kariös sein.
  • 85% der Bevölkerung sollen bis zum 18. Lebensjahr noch alle Zähne besitzen.

Kastentext: Zahnpastarezeptur

Ein Beispiel für eine Zahnpastarezeptur lautet: Wasser (demineralisiert) 35% Putzkörper 34% Calciumhydrogenphosphat-dihydrat Calciumhydrogenphosphat, wasserfrei Siliciumdioxid, hochdispers Feuchthaltemittel 25% Glycerol Sorbitol Schaummittel Natriumlaurylsarcosinat 1,5% Fluorid Natriummonofluorphosphat 1,15% Bindemittel Natriumcarboxymethylcellulose 1,1% Geschmacksstoffe 1,0% Konservierungsmittel Benzoesäure 0,2% 4-Hydroxybenzoesäuremethylester 0,15% Süßstoffe Natriumsaccharin 0,05% Natriumcyclamat 0,1%

Literatur: [1] De Rooij, J. F., Arends, J., Kolav, Z.: Diffusion of monofluorophosphate in whole bovine enamel at pH 7. Caries Res. 15, 363 - 368 (1981) [2] Einwag, J.: Bioverfügbarkeit von Fluorid nach lokaler Anwendung. Dtsch. Zahnärztl. Ztg. 38, 54 -57 (1983). [3] Forsman, B., Ericsson, Y.: Fluoride absorption from swallowed fluoride toothpaste. Community Dent. Oral Epidemiol. 1, 115 - 120 (1973). [4] Hellwege, K.-D.: Die Praxis der zahnmedizinischen Prophylaxe, 3. Aufl. Hüthig Verlag, Heidelberg 1994, S. 149 - 160. [5] Pfeifer, S., Pflegel, P., Borchert, H.H.: Biopharmazie, 3. Aufl., Ullstein/Mosby, Berlin/Wiesbaden 1995, S. 41 - 221. [6] Riethe, P.: Über die karieshemmende Wirkung eines Aluminiumfluoridkomplexes und des Aluminiumlactats im Tierexperiment. Dtsch. Zahnärztl. Ztg. 34, 16 - 18 (1979). [7] Städtler, P.: Klinische Pharmakologie in der Zahnheilkunde. ecomed Verlag, Landsberg 1988, S. 52 - 55. [8] Eggert, F., Neubert, R.: In vitro investigation of the liberation of fluoride ions from toothpaste compounds in a permeation model. Eur. J. Pharm. Biopharm. 47, 169 - 173 (1999). Anschrift für die Verfasser: Dr. Felix Eggert, Gaußstraße 15, 21335 Lüneburg

Fluoridionen härten den Zahnschmelz und schützen vor Karies. Die wichtigste Rolle für die Fluoridversorgung spielen bei uns fluoridhaltige Zahnpasten. Ihre Qualität hängt entscheidend von der Bioverfügbarkeit der Fluoridionen ab. Ein In-vitro-Test verschiedener Präparate zeigte, dass es hier große Unterschiede gibt, die auf die Verwendung unterschiedlicher Fluorverbindungen und Abrasivstoffe zurückzuführen sind.

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