Beginn am 10. März

Worauf Patienten im Fastenmonat Ramadan achten sollten

08.03.2024, 13:45 Uhr

Die Tradition, Datteln zum Fastenbrechen zu verzehren, geht auf den Propheten Mohammed zurück. Foto: IMAGO / Jochen Tack)

Die Tradition, Datteln zum Fastenbrechen zu verzehren, geht auf den Propheten Mohammed zurück. Foto: IMAGO / Jochen Tack)


Am 10. März startet der Fastenmonat Ramadan. Damit verbunden nehmen viele Fastende ihre Arzneimittel zu anderen Tageszeiten ein. Während manche Erkrankte vom Fasten profitieren, gehen andere ein Risiko ein. In der Apotheke kann hier wertvolle Hilfe geleistet und gegebenenfalls rechtzeitig zum Arztbesuch aufgefordert werden. Die Ärztin Maha Abdelwahab erklärt, was sie fastenden Patienten rät. 

Der Fastenmonat Ramadan ist der neunte Monat nach dem islamischen Mondkalender. In ihm soll der Koran der Überlieferung nach den Menschen herabgesandt worden sein. Da das Mondjahr kürzer ist als unser Kalenderjahr, findet er in jedem Jahr zehn bis zwölf Tage früher statt. 2024 beginnt der Ramadan zur Sichtung des Neulichtes nach dem Neumond am Abend des 10. März. Erst wenn das Neulicht einen Monat später erneut sichtbar wird, schließt sich das Fest des Fastenbrechens – auch Zuckerfest genannt – an. Es währt drei Tage.

Eine Zeit der Besinnung

Etwa fünf Millionen Menschen in Deutschland feiern den Ramadan und fasten in dieser Zeit. Nach dem Koran sind aber auch einige Personengruppen von der Fastenpflicht ausgenommen: Dazu gehören Kinder vor der Pubertät, Schwangere, Stillende, Reisende, Kranke und Ältere, die durch das Fasten Schaden nehmen könnten. Nicht nur irdische Speisen und Getränke sind während des Ramadans tabu, auch das Rauchen, Trunkenheit, Geschlechtsverkehr, Verleumdungen oder Lügen sollen die Gläubigen unterlassen. „Der Ramadan ist eine schöne Zeit, in der man sich auf sich selbst besinnen kann“, sagt Maha Abdelwahab. Die gläubige Muslimin und Medizinerin verbringt den Ramadan in Berlin. „Am Anfang fällt es schwer, auf Essen und Trinken zu verzichten, doch mit jedem Tag wird es einfacher.“ Menschen in ihrer Gemeinde, die wie sie selbst fasten und Arzneimittel einnehmen, bietet sie eine ärztliche Konsultation an. Die Nachfrage sei aber gesunken. Denn erfreulicherweise sind viele ambulante tätige Medi­ziner sensibilisiert und unterstützen ihre Patientinnen und Patienten, auch wenn sie selbst nicht fasten.

Mehr zum Thema

Im Ramadan mögliche Gesundheitsrisiken im Blick behalten

Kindgerechtes Fasten

Welche Darreichungsformen das Fasten brechen

Wer fastet, darf beim Tageslicht keine peroralen, nasalen und rektalen Arzneiformen einnehmen. Patienten verschieben daher die Einnahmezeitpunkte ihrer Medikation im Ramadan auf die Zeit vor Sonnenauf- und nach Sonnenuntergang. Topische Arzneiformen, subkutane und intramuskuläre Arzneiformen sind dagegen erlaubt. Bei Ohren- und Augentropfen sowie Inhalativa sind die Vorgaben der Glaubensgelehrten nicht einhellig. Aber nicht für alle Patienten, die Arzneimittel einnehmen, ist Fasten ein Problem. Wie eine im Journal „BMJ“ veröffentlichte Übersichtsarbeit von Mahmood et al. zeigte, profitieren viele chronisch kranke Patienten vom Fasten. Die Enthaltsamkeit wirkt sich positiv auf Stimmung, Müdigkeit und Lebensqualität aus. Generell sollten sich Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen vor dem Fasten beim Arzt oder in der Apotheke beraten lassen.

Wann ein Arztbesuch nötig ist

Idealerweise sollte die Beratung ein bis drei Monate vor Beginn des Ramadans stattfinden. So können Einnahmezeitpunkte schon vor dem Fasten unter medizinischer Kontrolle verschoben werden. Auch kann auf Wirkstoffe mit längerer Halbwertszeit umgestellt werden oder gegebenenfalls auf parenterale Arzneiformen umgestellt werden. „Ich bin sicher, dass schon viele Apotheken in Deutschland Patienten zum Ramadan beraten“, schätzt Maha Abdelwahab. Oft seien Apotheker noch näher an den Patienten als die Ärzte. So könnten sie beispielsweise beim Umstellen der Dosierintervalle helfen. Auch ­hätten sie bei Stammkunden einen besseren Überblick über Arzneimittelinteraktionen, die beim Fasten zum Problem werden könnten. ­„Apotheker haben das Wissen, die Gesundheit der Menschen beim Fasten zu begleiten“, sagt die Muslimin. Lieber zum Arzt sollten Apotheker die Patienten schicken, die Arzneimittel genau im Abstand von zwölf Stunden einnehmen müssen, Patienten, die hyperglykämisch oder de­hydriert sind und allgemein schwach wirken und dennoch fasten wollen.

Dosisintervalle beachten!

Viele Patienten haben Erfahrungen mit der Arzneimitteleinnahme im Ramadan gesammelt und können berichten, wie sich das Fasten auf ihren Gesundheitszustand ausgewirkt hat. So spielen vor allem Dosisintervalle eine wichtige Rolle, die häufig auf die Nacht verschoben werden können. Apothekerinnen und Apotheker sollten in der Beratung überprüfen, ob der Nahrungsverzicht am Tag Arzneimittelinteraktionen provozieren könnte. Zudem muss auf bestimmte Dauermedikationen geachtet werden, etwa Diuretika, die Dehydratationen begünstigen könnten, oder Insulin, das Hypoglykämien begünstigen kann. Die meisten Patienten suchen Rat zu ihrem Diabetes mellitus, erklärt die Ärztin Abdelwahab.

Für wen das Fasten riskant sein könnte

Es gibt aber auch Patienten, denen dringend vom Fasten abgeraten werden sollte. Dies gilt z. B. für Patienten mit

  • fortgeschrittener Herzinsuffizienz (NYHA III bis IV),
  • nicht kontrolliertem Typ-1-Diabetes oder Insulin-pflichtigem Typ-2-Diabetes ohne Erfahrung beim Fasten,
  • chronischer Niereninsuffizienz (Stadium 4 bis 5),
  • Schwangere mit wenig kontrolliertem Diabetes, Blutdruck oder ­Epilepsie.

Auch bei anderen Erkrankungen kann das Fasten riskant sein und sollte daher lieber unterlassen werden. Wollen Betroffene trotzdem unbedingt fasten, sollte ihnen zu Vorsicht geraten werden. Dies betrifft z. B. Patienten mit

  • Myokardinfarkt innerhalb der ­letzten sechs Monate,
  • kontrolliertem Typ-1- oder Insulin-pflichtigem Typ-2-Diabetes mit Erfahrungen beim Fasten,
  • chronischer Niereninsuffizienz (Stadium 3),
  • Antiepileptika-Einnahme, deren Dosierintervall nicht verschoben werden darf.

Ein moderates oder niedriges Risiko haben Patienten mit

  • Bluthochdruck,
  • stabiler Angina pectoris,
  • Schlaganfall in der Vergangenheit oder anderer neurologischer Erkrankung,
  • gut kontrollierter Epilepsie mit Monotherapie,
  • Migräne.

Diese Patienten können fasten, wenn sie auf ausreichend Schlaf achten, nachts gesund essen und ihren Blutdruck regelmäßig kontrollieren.

Alternativen zum Fasten

Der Ramadan ist für viele Muslime eine wichtige Zeit, in der man zu sich selbst und zu seiner Gemeinde ein ­tiefes Verhältnis pflegt. Darauf zu ­verzichten, fällt daher vielen schwer. Patientinnen und Patienten vom Fasten abzuraten, ist nicht immer leicht, berichtet Abdelwahab. Doch die Gesundheit stehe nun mal im Vordergrund, außerdem räume die Religion Handlungsspielraum ein. „Der solide medizinische Rat gegen das Fasten von jemandem, der die Fastenpflicht respektiert, reicht aus, um eine Alternative zum Fasten zu wählen.“ Eine Alternative zum Fasten ist etwa die Fidyah, in der Patientinnen und Patienten anstatt zu fasten Bedürftigen helfen, beten und sich intensiv mit dem Koran auseinandersetzen. ­Eine weitere Alternative wäre, das Fasten auf die Wintermonate zu verschieben. Da die Tage kürzer sind, muss auch weniger Stunden auf Essen und Trinken verzichtet werden. Dieser Rat kann bei Schwangeren oder Älteren, die zur Dehydratation neigen, sinnvoll sein. Aber es gibt ­immer ­Patienten, die dringlichen ärztlichen Rat als weniger wichtig ­erachten als das persönliche Fastenbedürfnis, erklärt Abdelwahab. Auch hier gilt, mit dem Patienten gemeinsam Lösungen zu finden. So könnte man Diabetikern raten, regelmäßig den Blutzucker zu messen und immer Traubenzucker bereitzuhalten, falls eine Hypoglykämie droht.

Schweres Essen vermeiden

Typisch für den Ramadan ist, dass während der nächtlichen Mahlzeiten oft viele Freunde und Familien zusammenkommen, um festlich zu essen. Baklava, Kibbeh, Maklouba, Mujaddara und unzählige andere Spezialitäten landen auf den Tischen. Dabei werde oft übertrieben, sagt Abdelwahab. Sie schätzt: „Oft nehmen Fastende insgesamt mehr Kalorien zu sich als außerhalb des Ramadans.“ Dabei stehe der Ramadan aber für das Gegenteil von Völlerei. Auch hier können Ärzte und Apotheker Tipps geben: Denn um ohne Flüssigkeit gesund durch den Tag zu kommen, ist es nicht förderlich, schwere und stark gesalzene Speisen zu essen. Eine Suppe vor Sonnenaufgang wäre besser für das Fasten geeignet. Aber auf diesen Rat hören viele ihrer Freunde und Bekannten nicht gern, sagt die Ärztin mit einem Lachen. |

Dieser Artikel ist ursprünglich DAZ 2022, Nr. 13, S. 24, erschienen und wurde aktualisiert. 

Literatur
Boksch R. So lange fasten Muslime an Ramadan. Statista 2021, Meldung vom 13. April 2021, de.statista.com
Mahmood A et al. Advising patients with existing conditions about fasting during Ramadan. BMJ 2022, doi: 10.1136/bmj-2020-063613
Ramadan: Fasten und Arzneimittel – was gilt es zu beachten? DAZ.online, Meldung vom 27. Mai 2017, www.deutsche-apotheker-zeitung.de


Apotheker Marius Penzel
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.