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Problemkeime im Visier

Stuttgart - 08.03.2024, 17:44 Uhr

Dr. Werner Haußmann ist Apotheker und Fachapotheker für Klinische Pharmazie und sprach zu Problemkeimen in Heimen. (Foto: Moritz Hahn/DAZ) 

Dr. Werner Haußmann ist Apotheker und Fachapotheker für Klinische Pharmazie und sprach zu Problemkeimen in Heimen. (Foto: Moritz Hahn/DAZ) 


Welche Keime sind in Pflegeheimen problematisch, wie können Infektionen bei älteren Menschen vermieden und behandelt werden? Worauf sollte man dabei in Apotheken achten? Dr. Werner Haußmann, Fachapotheker für Klinische Pharmazie beantwortete die Fragen im Zuge des Interpharm-Satelliten Heimversorgung KOMPAKT.

„Der Opa hat schon so viele Infektionen durchgemacht, der müsste doch ein Immunsystem wie ein Panzer haben“, zitierte Haußmann eine Enkelin und erklärte, warum diese Annahme falsch ist. So steigt die Infektanfälligkeit im Alter, weil auch das Immunsystem altert: Eintrittspforten wie Haut, Schleimhäute oder der Magen sind bei älteren Patienten für Keime oft leichter passierbar. Zudem schrumpft der Thymus, die Zahl der T-Zellen nimmt ab, die Wundheilung ist gestört, „fremde“ und „körpereigene“ Strukturen werden vom Immunsystem schlechter erkannt. 

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Hinzu kommt ein erhöhtes Risiko für Infekte aufgrund von oft funktionellen Störungen, Multimorbidität, Unterernährung, invasiven Maßnahmen wie Kathetern und häufigem Keimkontakt, z. B. aufgrund von Krankenhausaufenthalten. Um Patienten zu schützen, ist Hygiene das A und O, nach der Devise „Prophylaxe ist immer besser als eine Therapie“. Dabei ist vor allem die Händedesinfektion wichtig, betonte Haußmann, denn die „zehn Finger“ sind der Hauptüberträger.

Problemkeime MRSA und MRGN

Hauptproblemkeime in Pflegeheimen sind multi-/methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) und multi-resistente gram-negative Bakterien (MRGN) wie Escherichia coli, Enterokokken, Klebsiellen und Pseudomonaden. Während die Zahlen für MRSA-Infektionen in Deutschland sinken, nehmen die Fälle mit multiresistenten gramnegativen Erregern zu. Jede Einnahme von Antibiotika fördert dabei die Besiedlung mit resistenten Keimen, denn den „sensiblen Keimen wird auf den Kopf gehauen“ und die „resistenten überleben“, erklärte Haußmann die Selektion. Deshalb sind vor allem bei älteren Patienten häufige Antibiotika-Therapien zu vermeiden. Gegen MRSA sollte nur dann mit Antibiotika behandelt werden, wenn es zu einer Infektion kommt. Bei einer reinen Besiedlung soll maximal lokal saniert werden (u. a. mit Mupirocin-Nasensalbe, z. B. Turixin). Weil MRSA gegen alle Beta-Laktame resistent sind, muss bei einer Infektion auf andere Antibiotika ausgewichen werden. Allerdings gibt es auch hier Co-Resistenzen, unter anderem gegen Fluorchinolone, Erythromycin und Clindamycin.

Besser kein Nitrofurantoin bei Harnwegsinfektionen 

Auch bei einer Bakteriurie soll auf Antibiotika möglichst verzichtet werden, wenn diese asymptomatisch ist. Kommt es zu Harnwegsinfektionen sollen nach der aktualisierten S3-Leitlinie Pivmecillinam (z. B. Pivmelam®), Nitroxolin (z. B. Nitroxolin forte) und Trimethoprim (z. B. Infectotrimet®) als Mittel der Wahl eingesetzt werden. Unter anderem aufgrund von Resistenzen ist Cotrimoxazol nicht mehr Mittel erster Wahl, ebenso wenig Fluorchinolon-Antibiotika, die auch wegen ihrer unerwünschten Wirkungen wie Sehnenschäden und zentralnervösen Nebenwirkungen in der Initialtherapie nicht bevorzugt eingesetzt werden sollen. Im Alter kritisch ist Nitrofurantoin. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Arzneistoffs sei ungünstig, so Haußmann. Bedenken bestehen aufgrund von pulmonalen Nebenwirkungen, Leber- sowie Nierenschädigungen (Kumulationsgefahr), aber auch Sehnenrissen und ZNS-Problemen (…). Falls bei älteren Patienten doch mit Nitrofurantoin therapiert wird, sind daher Maßnahmen wie die Kontrolle der Nieren-, Lungen- und Leberfunktion sowie ein Blutbild notwendig und eine möglichst niedrige Dosierung des Arzneimittels sollte gewählt werden.


Julia Stützle, Apothekerin und Volontärin


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