Engpass HIV-Prophylaxe PrEP

Offizieller Versorgungsmangel – trotzdem bald Entspannung?

Stuttgart - 02.02.2024, 10:44 Uhr

Das HIV-Arzneimittel ist das einzige, das in Deutschland auch für die HIV-Prophylaxe PrEP („Prä-Expositions-Prophylaxe“) für Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko zugelassen ist. Foto: Adobe Stock / magann

Das HIV-Arzneimittel ist das einzige, das in Deutschland auch für die HIV-Prophylaxe PrEP („Prä-Expositions-Prophylaxe“) für Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko zugelassen ist. Foto: Adobe Stock / magann


Am Donnerstag ist für das HIV-Arzneimittel mit den Substanzen Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ein offizieller Versorgungsmangel festgestellt worden. Zusätzliche Lieferungen von zwei Herstellern sollen die Situation in den nächsten Wochen entspannen. „Wann sich die Versorgungslage vollständig normalisieren wird, lässt sich zurzeit aber noch nicht sagen“, erklärt Stefan Miller, der Vorstand der Deutschen Aidshilfe. 

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat am Donnerstagabend offiziell bekanntgegeben, dass bei dem HIV-Arzneimittel mit den Substanzen Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil ein Versorgungsmangel nach § 79 Abs 5 AMG besteht. Eine entsprechende Mitteilung wurde im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Das HIV-Arzneimittel ist das einzige, das in Deutschland auch für die HIV-Prophylaxe PrEP („Prä-Expositions-Prophylaxe“) für Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko zugelassen ist. Die Deutsche Aidshilfe (DAH) begrüßt die Erklärung des Versorgungsmangels. Dazu sagte DAH-Vorstand Stefan Miller: „Es ist ein wichtiges Zeichen, offiziell festzustellen, was längst unübersehbar ist: ein dramatischer Versorgungsausfall bei einem wichtigen HIV-Medikament. Die Folgen sind bereits fatal: Wir müssen mit vermeidbaren Neuinfektionen rechnen, Therapieumstellungen belasten die Menschen, die mit HIV leben. Dieser Notlage gilt es mit aller Kraft entgegenzuwirken.“

Mehr zum Thema

Zusätzliche Lieferungen von zwei Herstellern

Zuvor hatte sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit der Deutschen Aidshilfe (DAH), den ambulant tätigen HIV-Mediziner:innen (dagnä), der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG) und der Arbeitsgemeinschaft HIV-kompetenter Apotheken (DAHKA) beraten und danach angekündigt, dass ab sofort zusätzliche Medikamentenlieferungen von zwei Herstellern zu erwarten sind. Wenn diese Lieferungen tatsächlich erfolgen, würde sich die Situation in den nächsten Wochen deutlich entspannen. Laut der Lieferengpassdatenbank des BfArM soll der PrEP-Engpass bei der Firma Ratiopharm (gehört zu Teva) am 19. Februar enden. Für Heumann (gehört zu Torrent Pharma) ist in der Datenbank kein Engpass gelistet.

Aidshilfe: „Licht am Ende des Tunnels“

„Dank der gemeinsamen Anstrengungen aller Beteiligten ist jetzt Licht am Ende des Tunnels sichtbar. Wann sich die Versorgungslage wieder vollständig normalisieren wird, lässt sich zurzeit aber noch nicht sagen“, erklärt DAH-Vorstand Stefan Miller.

Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil wird nicht nur als PrEP, sondern auch im Rahmen einer sogenannten Salvage-Therapie („Rettungs-Therapie“) bei HIV-Erkrankten eingesetzt, wenn es aufgrund von Resistenzen keine anderen Optionen mehr gibt. Diese sind vom Engpass also besonders schwer betroffen. Wenn der Schutz vor HIV weiter ausfalle, werde das „fatale Folgen“ haben, warnte Sven Warminsky vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe bereits vor einigen Wochen. Sicherer Sex sei durch den Mangel gefährdet. „Die Politik darf Menschen, die dieses Medikament dringend brauchen, nicht im Stich lassen.“

Die HIV-Prophylaxe PrEP ist in Deutschland seit 2019 Leistung der Gesetzlichen Krankenkassen. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts nutzen in Deutschland rund 40.000 Menschen die PrEP (Stand September 2023).

Aidshilfe fordert: die Ursachen bestimmen und künftige Lieferengpässen vorbeugen

Die Deutsche Aidshilfe forderte, dass es nach dem Ende der aktuellen Krise darum gehen müsse, die Ursachen zu bestimmen und ähnliche Situationen in Zukunft zu vermeiden, auch angesichts von ähnlichen Lieferengpässen bei anderen Medikamenten in den letzten Jahren. Die Konzentration auf relativ wenige Hersteller und die deutsche Preispolitik bei Generika spiele dabei sicher eine Rolle.

„Dass ein lebenswichtiges Medikament in Deutschland plötzlich nicht mehr verfügbar ist, darf sich nicht wiederholen. Die Bundesregierung steht in der Pflicht, das zu verhindern“, sagte DAH-Vorstand Stefan Miller.


Stefanie Keppler, DAZ-Ressortleiterin
skeppler@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

BMG stellt Versorgungsmangel fest / Zwei Hersteller der HIV-Prophylaxe wollen bald liefern

Stabilisiert sich die PrEP-Versorgung?

Erste Leitlinie zur Prä-Expositions-Prophylaxe

HIV-PrEP: Wer sollte sich schützen?

Mit der Prä-Expositions-Prophylaxe die Zahl der HIV-Neuinfektionen reduzieren

90 - 90 - 90 ist das Ziel

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.