Aluminiumsalze, Salbe, Botox und mehr

Was bei übermäßigem Schwitzen hilft

Berlin - 18.07.2023, 07:00 Uhr

Wer ohne ersichtlichen Grund übermäßig schwitzt, leidet häufig darunter. (Foto: sompong_tom / AdobeStock) 

Wer ohne ersichtlichen Grund übermäßig schwitzt, leidet häufig darunter. (Foto: sompong_tom / AdobeStock) 


An heißen Sommertagen, wie wir sie derzeit erleben, ist Schwitzen ein unangenehmer, aber physiologisch sinnvoller Alltagsbegleiter. Denn der Schweiß und dessen Verdunstung gehören zum effektivsten Teil des körpereigenen Kühlsystems. Wenn Patienten aber das Gefühl haben, übermäßig zu transpirieren – und das nicht nur bei heißen Außentemperaturen – sind auch andere Ursachen möglich. Welche sind das und wie kann man dem Betroffenen in der Apotheke helfen? 

Übermäßiges Schwitzen ohne erkennbare Ursache (idiopathische Hyper­hidrosis) tritt familiär gehäuft auf, das heißt bei etwa einem Drittel bis zur Hälfte der Patienten sind weitere Familienmitglieder betroffen. Für übermäßiges Schwitzen an Händen und Füßen (Hyperhidrosis manuum et pedum) wurden auch genetische Ursachen gefunden. In asiatischen Bevölkerungsgruppen identifizierte man prädisponierende Genveränderungen auf den Chromosomen 2 und 14 (Regionen 14q11.2-q13 und 2q31.1). Übermäßiges Schwitzen kann auch die Folge einer Grunderkrankung sein (sekundäre Hyperhidrosis). Dazu zählen Morbus Parkinson, Hyperthyreose und Diabetes, Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems, bestimmte Hautkrankheiten (z. B. Epidermolysis bullosa simplex), Tumorerkrankungen und Atopien. 

Nicht zuletzt ist Hyperhidrosis eine Begleit­erscheinung physiologischer hormoneller Schwankungen wie dem Klimakterium sowie der Pubertät, in der die apokrinen Schweißdrüsen ihre Funktion erstmalig aufnehmen.

Wie viel Schweiß ist normal?

Die Schweißmenge kann gravimetrisch bestimmt werden. Dazu wird der in einem bestimmten Körperareal in einer definierten Zeiteinheit (meistens fünf Minuten lang) abgegebene Schweiß mit einem Filterpapier aufgesogen und anschließend mit einer Ultrafeinwaage ausgewogen. Übermäßiges, pathologisches Schwitzen (Hyperhidrosis) beginnt laut Studien ab einer Ruheschweiß-Sekretion von 20 mg pro Handfläche pro Minute (Hyperhidrosis palmaris; lat. palma manus = Handfläche) und in den Achselhöhlen (Hyperhidrosis axillaris) ab 50 mg pro Axilla pro Minute. 

Schwitzen wird auch durch emotionale Stimuli ausgelöst und entsteht hauptsächlich bei Angst (Lampenfieber, Angstschweiß), Wut und Zorn. Dadurch wird deutlich, dass neben Acetylcholin, auf das noch eingegangen wird, verschiedene Transmitter wie Dop­amin, Noradrenalin und Serotonin an Schweißaus­brüchen beteiligt sein können. Schwitzen ist deshalb häufig ein Begleitsymptom psychiatrischer Erkrankungen.

Arzneimittel als Auslöser von Hyper­hidrosis

Auch zahlreiche Wirkstoffe zu ihrer Behandlung, die die Konzentrationen von Neurotransmittern beeinflussen, können Hyper­hidrosis auslösen. Beispielsweise findet sich in den Fachinformationen zahlreicher Antidepressiva Schwitzen als Nebenwirkung. Sehr häufig, das heißt bei mindestens jedem zehnten Probanden in den klinischen Studien, wurde Hyperhidrosis bei den selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SSNRI) Venlafaxin und Desvenlafaxin beobachtet. Bei den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin und Sertralin trat Schwitzen häufig (≥ 1/100 bis < 1/10) auf. Die Nachfrage, ob kürzlich ein Medikament neu verordnet wurde oder ein Blick auf den Medikationsplan kann deshalb zur Ursachenklärung beitragen, wenn Kunden über ungewöhnliche Schweißausbrüche berichten. 

Optionen aus der Apotheke gegen Schweiß

Bei fokaler, also auf begrenzten Flächen wie Achselhöhlen, Handflächen oder Fußsohlen vorkommender Hyperhidrosis sind Aluminium-haltige Antitranspirantien erste Wahl. Auch gerbstoffhaltige Adstringentien und Salbei-Extrakt sind bei fokaler Hyperhidrosis geeignet. Aluminiumverbindungen blockieren vorübergehend die Ausführungsgänge der Schweißdrüsen, indem sie mit den vorhandenen Proteinen, wie Keratin, Komplexe bilden, außerdem wirken sie antibakteriell. Vor knapp zehn Jahren waren diese Produkte in die Diskussion gelangt, da es Zweifel an der Sicherheit gab. Die Datenlage war zu diesem Zeitpunkt sehr dünn. Inzwischen hat das Bundesinstitut für Risiko­bewertung weitere Studien ausgewertet und 2020 in einer Stellungnahme konstatiert, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen durch den regelmäßigen Gebrauch von Aluminium-haltigen Antitranspirantien nach gegenwärtigem wissenschaftlichem Kenntnisstand unwahrscheinlich sind.

HauptwirkstoffePräparateBemerkungen
Aluminiumsalze (z. B. Dialuminium­chloridpentahydroxid)HidrofugalKosmetika als Deo-Stick, Deoroller, Spray, Fußspray, Zerstäuber
Aluminiumacetat-tartratEssitol®nicht-apothekenpflichtiges Arzneimittel; Tabletten zur Herstellung einer Lösung zur Anwendung auf der Haut
Aluminiumtrichlorid-6-WasserOdabanKosmetikum als Spray; auch als Fuß- und Schuhpuder mit Aluminium-Kaliumsulfat und Tahitipfefferblätter-Extrakt
DialuminiumchloridpentahydroxidVichy Deodorant 48h Roll-OnKosmetikum
MethenaminAntihydral® als Salbe, SprayKosmetikum als Spray; apothekenpflichtiges Arzneimittel als Salbe
Gerbstoffe, synthetischTannosynth®, Tannolact®apothekenpflichtige Arzneimittel; als Creme, Lotion, Badezusatz
Eichenrindelose Teedroge 
Salbeiblätterlose Teedroge 
Salbeiblätter-TrockenextraktSweatosan® Tabletten, Salvysat® Filmtablettenapothekenpflichtige Arzneimittel; nicht länger als zwei Wochen anwenden
Salbeiblätter-Extrakt, SalbeiölSalvysat® Flüssigkeitapothekenpflichtige Arzneimittel

Grenzen der Selbstmedikation

Ein plötzlich auftretendes starkes Schwitzen ohne erkennbare Ursache sollte vorsichtshalber vom Haus- oder Hautarzt abgeklärt werden. Denn in der Literatur finden sich zahl­reiche Fallberichte, in denen nach dem Auftreten einer Hyperhidrosis am ganzen Körper oder auch nur einseitig, beispielsweise im Brustbereich, Tumorerkrankungen diagnostiziert wurden. Hinweise auf eine sekundäre Hyperhidrosis sind außerdem zusätzliche Beschwerden wie Tremor, Blutdruckschwankungen oder neu aufgetretene psychische Symptome.

Verschreibungspflichtige Optionen

In der Therapie der primären idiopathischen Hyperhidrosis gehen Dermatologen meistens stufenweise vor. Begonnen wird mit einer topischen Behandlung. Reicht diese nicht aus oder wird sie nicht vertragen, kann sie kombiniert oder durch wirksamere Verfahren ersetzt werden. Die Rationale für den Einsatz von Anticholinergika wie Glycopyrroniumbromid, das als Creme (Axhidrox®) zum Einsatz kommt, und systemischen Anticholinergika wie Methantheliniumbromid (Vagantin®) bei Hyperhidrosis beruht darauf, dass die Schweißdrüsen der Betroffenen weder vermehrt noch vergrößert, sondern überstimuliert sind. Verantwortlicher Transmitter zwischen Nerven­endigung und Schweißdrüse ist Acetylcholin.

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Eine weitere Option, wenn topische Therapien nicht ausreichen, ist Botulinumtoxin A (z. B. Botox®), das reversibel cholinerge postganglionäre sympathische Nervenfasern blockiert, sodass ekkrine Schweißdrüsen chemisch denerviert werden und Acetylcholin nicht mehr freigesetzt werden kann. Daneben gibt es nicht-medikamentöse Verfahren wie Leitungswasser-Iontophorese, Radiofrequenztherapie, Mikrowellen oder Ultraschall. Weitere Details dazu und zu den medikamentösen, verschreibungspflichtigen Therapieoptionen finden Sie in der aktuellen DAZ. 


Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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