Zum 1. Jahrestag des Schiedsspruchs

Der lange, steinige Weg zu den pDL

Berlin - 13.06.2023, 07:00 Uhr

Die pDL haben einen langen und steinigen Weg hinter sich.  (Foto: G. Mönks Photografie / AdobeStock)

Die pDL haben einen langen und steinigen Weg hinter sich.  (Foto: G. Mönks Photografie / AdobeStock)


Seit einem Jahr können Apotheken pharmazeutische Dienstleistungen anbieten, die von den Krankenkassen bezahlt werden – der Schiedsspruch jährte sich am vergangenen Samstag zum ersten Mal. Lange hatte die Apothekerschaft dafür gekämpft, auch für Leistungen vergütet zu werden, die nicht unmittelbar an die Arzneimittelabgabe geknüpft sind – nicht zuletzt, um ihren Status als Heilberuf zu stärken. Zeit für einen Rückblick auf einen langen, steinigen Weg – und eine Bestandsaufnahme. Denn es läuft noch lange nicht alles rund.

Am 10. Juni 2022 wurde der Schiedsspruch bekannt, der die fünf pharmazeutischen Dienstleistungen, die von den Krankenkassen honoriert werden, festlegt sowie deren Vergütung und Abrechnung regelt. Erstmals erhielten Apotheken also die Möglichkeit, selbst Leistungen zulasten der Gesetzlichen Krankenver­sicherung – und auch der privaten Versicherungen – auszulösen.

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Die ABDA hatte über viele Jahre hinweg für honorierte pharmazeutische Dienstleistungen gekämpft. Denn allen war klar: Apothekerinnen und Apotheker können mehr als Arzneimittel abgeben. Allerdings war ihre Vergütung stets an diese Arzneimittelabgabe gebunden. Auch im 2014 von der Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker verabschiedeten „Perspektivpapier 2030“ wurde der Wunsch nach von den Kassen honorierten Dienstleistungen deutlich. Versuche, zusätzliche Leistungen vergütet zu bekommen, wie zum Beispiel die Beratung von Schwangeren auf Basis eines Kooperationsvertrags mit der AOK Bayern, wurden von den Aufsichtsbehörden gestoppt. Der Grund: Es fehlte eine klare Rechtsgrundlage.

Umschwung mit Jens Spahn

In der Folge warb die ABDA in der Politik immer wieder dafür, eine sichere Rechtsgrundlage für Dienstleistungsvereinbarungen mit den Kassen zu schaffen. Mehrmals brachte sie in Stellungnahmen zu verschiedenen gesundheitspolitischen Gesetzgebungsverfahren eine entsprechende Forderung ein. Allerdings lange ohne Erfolg.

Der Umschwung im Bundesgesundheitsministerium kam mit Jens Spahn (CDU) als Minister. Im Dezember 2018 stellte er seine Eckpunkte zur Weiterentwicklung des Apothekenmarktes vor, die später unter anderem mit dem Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) umgesetzt wurden. Hier war endlich die Rede davon, dass Apotheker und Kassen zusätzliche honorierte Dienstleistungen vereinbaren können– zum Beispiel für die Medikationsanalyse –, auf die Versicherte dann einen Anspruch haben. Dies solle den Apothekerberuf als Heilberuf fördern. 240 Millionen Euro sah Spahn für die neuen Angebote vor. Zur Finanzierung war zunächst ein neuer Festzuschlag in Höhe von 32 Cent je abgegebener Rx-Packung geplant; die Verteilung der zusätzlichen Mittel sollte durch die Apothekerschaft erfolgen – nach dem Vorbild der Notdienstpauschale. 

Anfang April 2019 legte das BMG dann seinen Referentenentwurf für das VOASG vor, der die Pläne konkretisierte. In § 129 SGB V sollte nun verankert werden, dass Versicherte einen Anspruch auf honorierte pharmazeutische Dienstleistungen haben. Um welche es sich dabei genau handelt, sollten Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes vereinbaren. Der Zuschlag für die Finanzierung lag nun bei 20 Cent je verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackung – 150 Millionen Euro jährlich sollten damit zur Verfügung stehen. Bei diesem Betrag ist es letztlich geblieben – auch wenn das VOASG zunächst noch eine einjährige Warteschleife einlegte und einige Wandlungen durchmachte. Am 15. Dezember 2020 trat es in Kraft. 

Der Ball lag bei Kassen und DAV

Doch mit dem Wirksamwerden des VOASG konnten die pharmazeutischen Dienstleistungen noch nicht gleich erbracht werden. Zunächst war die Selbstverwaltung am Zug, die bis Ende Juni 2021 das „Nähere zu den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen, zur Vergütung der erbrachten Dienstleistungen und zu deren Abrechnung“ vereinbaren sollte. Allerdings taten sich die Verhandlungsführer von GKV-Spitzenverband und DAV wieder schwer. Die Schiedsstelle musste ran.

Auch dann dauerte es noch eine ganze Weile, bis feststand, für welche konkreten Dienstleistungen das frische Geld zu verwenden ist – und wie viel die Apotheken für diese bekommen. Bei der dritten Sitzung der Schiedsstelle am 19. Mai 2022 fiel die Entscheidung. Genaueres zu ihrem Inhalt erfuhr man aber erst, als der Schiedsspruch am 10. Juni auch schriftlich vorlag.

Fünf Dienstleistungen legte die Schiedsstelle fest: Die erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation, die pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten, die pharmazeutische Betreuung bei oraler Antitumortherapie, eine erweiterte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung mit dem Üben der Inhalationstechnik sowie die standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck. Die Honorierung wurde auf 90 Euro (netto) für die Medikationsanalyse festgelegt – bei der pharmazeutischen Betreuung bei oraler Tumortherapie oder nach Organtransplantation können für ein späteres Gespräch nochmals 17,55 Euro abgerechnet werden. Die Einweisung in die Inhalationstechnik wird mit 20 Euro vergütet, die Blutdruckmessung mit 11,20 Euro. 

Kassen und KV Hessen ziehen vor Gericht

Die ABDA zeigte sich zufrieden mit dem Schiedsspruch – endlich war greifbar, wofür man seit Jahren gekämpft hatte. Schnell stellte die Standesvertretung Materialien zusammen, um die Apotheken beim Einstieg in die Dienstleistungen zu unterstützen.

Doch die nächsten Dämpfer ließen nicht lange auf sich warten. Im Juli 2022 legte der GKV-Spitzenverband beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Klage gegen den Schiedsspruch ein. Immerhin hat diese keine aufschiebende Wirkung, sodass die Dienstleistungen trotzdem weiter erbracht werden können. Und auch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen zog gegen die pDL vor Gericht. Das Landessozialgericht ließ die KV jedenfalls im Eilverfahren bereits abblitzen. Urteile in den beiden „normalen“ Klageverfahren sind auch ein Jahr nach dem Schiedsspruch noch nicht gefallen. 

In der Praxis hakt es noch

Und wie sieht es in der Praxis aus? Die Standesvertretungen fordern Apothekerinnen und Apotheker unermüdlich auf, die neuen Möglichkeiten zu nutzen und die Chance zu ergreifen, selbst eine von den Kassen honorierte Leistung auszulösen. Doch die Zeiten sind bewegt. Lieferengpässe mehren sich und halten die oft knapp besetzten Apothekenteams auf Trab. Die Politik beschließt im Herbst 2022 zu allem Überfluss, die Apotheken zu einem weiteren Sparbeitrag heranzuziehen. Die neuen Dienstleistungen, nicht frei von Bürokratie, kommen nicht so schnell ins „Fliegen“, wie erhofft.

Es bleibt zu hoffen, dass Apotheken künftig wieder mehr Spielraum haben, um die Dienstleistungen an die Versicherten zu bringen. Die ABDA hält jedenfalls die passenden Werbematerialien bereit – und sie will im Sommer eine Kommunikationswelle starten. Schließlich müssen auch Bürger und Bürgerinnen wissen, auf welche Leistungen sie Anspruch haben.

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Kirsten Sucker-Sket
redaktion@daz.online


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Noch viele Fragen offen

1 Kommentar

Wir packen uns die Steine selbst vor die Füße

von Dr. House am 13.06.2023 um 10:54 Uhr

Ich will ja ein braver Apotheker sein, nein eigentlich will ich die Befugnis zum Meckern, also biete ich auch PDL an. Nun werde ich regelmäßig von den Patienten ausgelacht. Beispiel Blutdruckmessung: Die Kurzfassung der Doku besteht aus 5 Seiten und insgesamt 3x Unterschrift mit Ort/Datum die ich vom Patienten einfordern muss, 1x für Inanspruchnahme der PDL, 1xfür Erhalt, 1x fürs Versprechen er/sie möge nicht innerhalb von 12 Monaten in eine andere Apotheke zum Blutdruckmessen pilgern.
Mal ernsthaft, welche praxisfernen Korinthenkacker hat sich dieses lächerliche Pamphlet ausgedacht? Für Inanspruchnahme und Erhalt quittieren? Ernsthaft? Wie wenig Vertrauen haben wir in uns selbst? Und dann die 3. Unterschrift für etwas, was ich weder überprüfen noch sanktionieren kann? Oder meldet sich die Krankenkasse dann bei der Apotheke, die innerhalb von 12 Monaten das Pech hatte als zweites abzurechnen?
Beim Arzt werde ich gar nicht gefragt, da wird nichts quittiert. Weil der Berufsstand Selbstvertrauen und Pragmatismus hat, sowie ein gesundes Verständnis vom Verhältnis Aufwand/Nutzen.
Von der 3-fach Messung mit Streichung der ersten Messung will ich mal nicht sprechen. Welchen Sinn hat die erste Messung, die ich verwerfen muss? 5 Minuten sitzen kann der Patient auch ohne Messung. Wieder mal das beste Beispiel für apothekerliche Verkompliziererei ohne Sinn und Verstand.
Diese Form selbstauferlegter Bürokratie ist was, was man mal ernsthaft psychologisch begutachten lassen sollte... Dagegen hatte das Impfen ja schon Hoffnung auf unbürokratische Lösungen geweckt. 1, maximal 2 Seiten für einen intramuskulären medizinischen Eingriff, wo ich mich heute noch frage, wie brenzlig hier in Zukunft Haftungsfragen noch für uns ausfallen könnten.... Da machen wir beim Blutdruckmessen so einen Zirkus...

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