Maschinelles Lernen und Arzneimittelwirkungen

KI entdeckt weitere Interaktionen mit Paxlovid

Stuttgart - 24.03.2023, 10:45 Uhr

Ein System des maschinellen Lernens hat mehr Arzneimittelinteraktionen herausgefunden, als EMA und FDA angegeben haben. Die Bewertung der Interaktionen muss noch von einer menschlichen Fachperson erfolgen. (Symbolbild: everythingpossible/AdobeStock)

Ein System des maschinellen Lernens hat mehr Arzneimittelinteraktionen herausgefunden, als EMA und FDA angegeben haben. Die Bewertung der Interaktionen muss noch von einer menschlichen Fachperson erfolgen. (Symbolbild: everythingpossible/AdobeStock)


Als das COVID-19-Arzneimittel Paxlovid von Pfizer in der EU zugelassen wurde, atmeten viele Menschen auf. Endlich gibt es ein Arzneimittel, das Corona-Patienten aus einer Risikogruppe helfen kann, nicht schwer zu erkranken. Viele dieser Risikopersonen nehmen bereits Antihypertensiva, Antidiabetika oder andere Medikamente ein. In einer aktuellen Studie wurde mittels künstlicher Intelligenz das Interaktionsprofil von Paxlovid nun genauer untersucht und etliche potenzielle Interaktionspartner gefunden.

Ein koreanisches Forschungsteam hat das Interaktionspotenzial von Paxlovid, genauer gesagt dessen Bestandteile Nirmatrelvir und Ritonavir, mit einem mathematischen Modell analysiert: Das Programm DeepDDI2 bedient sich einer speziellen Methode des maschinellen Lernens (deep learning) und gilt als leistungsfähig: 113 Interaktionstypen (beispielsweise verminderter Abbau oder verringerte Serumkonzentration eines Wirkstoffes) von Paxlovid mit 2248 Arzneimitteln wurden damit von der Forschungsgruppe untersucht, wie es in der Veröffentlichung der Studie in „Biophysics and Computational Biology“ heißt. 

In das Programm werden Molekülstrukturen eingegeben, die dann verrechnet werden. Mögliche Interaktionen werden dann für Menschen lesbar ausgegeben. Außerdem werden bei Wirkstoffen mit erhöhtem Interaktionsprofil alternative Arzneistoffe vorgeschlagen, die ein günstigeres Verhältnis zueinander aufweisen.

Bei 1628 Arzneimitteln wurden insgesamt 2445 Interakationstypen mit Nirmatrelvir und/oder Ritonavir gefunden (673 bei Nirmatrelvir und 1403 bei Ritonavir). Bei keinem Arzneimittel wurden mehr als drei Interaktionstypen mit den Paxlovid-Bestandteilen identifiziert. Der verringerte Metabolismus eines Wirkstoffes war dabei der häufigste Interaktionstyp. 

Das verwundert nicht, da Ritonavir ein CYP3A-Inhibitor ist und dieses Enzym an vielen molekularen Umbauprozessen beteiligt ist. Bei Calciumkanal-Blockern, die zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt werden, führte Ritonavir in dem Computermodell oft zu einem verlangsamten Stoffwechsel. Dazu gehörten zum Beispiel Amlodipin, Diltiazem, Felodipin, Nicardipin und Nifedipin. 

Die europäische und US-amerikanische Behörde für Arzneimittelsicherheit hatten diese Interaktionen bereits in Evaluationen genannt. Die amerikanische Arzneimittelaufsichtsbehörde FDA berichtete von 108 und die europäische Behörde EMA von 128 mit Paxlovid interagierenden Wirkstoffen. 83 bzw. 92 dieser Arzneimittel wurden auch von dem Algorithmus gefunden (ungefähr 77 Prozent und 72 Prozent).

Ebenfalls häufig fand das Computerprogramm folgende Interaktionstypen: Erhöhte oder erniedrigte Serumkonzentration eines Wirkstoffes, erniedrigte therapeutische Effizienz, erhöhte Wahrscheinlichkeit für unerwünschte Arzneimittelwirkungen, sowie verstärkte QTc-verlängernde Aktivität.

Alternative Arzneimittel bei Interaktionen

Wenn die Software Interaktionen bei einem Wirkstoff und Nirmatrelvir und/oder Ritonavir entdeckt hat, wurden alternative Arzneimittel vorgeschlagen. Die Alternative sollte dabei wenig bis keine Interaktionen mit Nirmatrelvir und/oder Ritonavir aufweisen, möglichst den gleichen Wirkungsmechanismus wie der ursprüngliche Arzneistoff haben und bei der gleichen Erkrankung eingesetzt werden können. 

Beispielsweise können als Antihypertensiva anstatt der interaktionsreichen Calciumkanal-Blocker, Atenolol, Candesartan, Fosinopril, Labetalol oder Nisoldipine eingesetzt werden, da diese laut Computermodell wenige bis keine Interaktionen mit Paxlovid-Ingredienzen aufweisen.

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Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass nicht allein auf ihrem Modell basierend klinische Entscheidungen getroffen werden können. Die Software fußt auf maschinellem Lernen und ist nicht experimentell validiert. Gesundheitsdaten von Patienten gingen nicht in die Analyse mit ein. Zur ersten Einschätzung in einer zeitlich kritischen Situation, beispielsweise einer Pandemie, kann das Tool hilfreich sein.

Hier können Sie eine Excel-Datei (Datensatz 3) mit den Arzneimitteln aus der Analyse einsehen, die mit Bestandteilen von Paxlovid interagierten und um welchen Interaktionstyp es sich handelte. Datensatz 4 zeigt eine Liste mit den jeweiligen Alternativarzneimitteln.


Juliane Russ, Volontärin DAZ
redaktion@daz.online


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