Schreiben an Gesundheitspolitiker

WaWi-Anbindung: Scanacs fühlt sich ausgeschlossen

Stuttgart - 18.08.2022, 14:15 Uhr

Kein Anschluss: Scanacs möchte gerne an die Apothekensoftware angebunden werden. Bei den meisten Anbietern gibt es aber Hürden. (Foto: Schelbert) 

Kein Anschluss: Scanacs möchte gerne an die Apothekensoftware angebunden werden. Bei den meisten Anbietern gibt es aber Hürden. (Foto: Schelbert) 


Der Referentenentwurf für ein Krankenhauspflege-Entlastungsgesetz (KHPflEG) sieht vor, dass Apothekensoftwareanbieter zukünftig alle Komponenten und Dienste der Telematikinfrastruktur (TI) in der Warenwirtschaft diskriminierungsfrei einbinden müssen. Gegen diese Absicht protestiert nun das Dresdner Digitalunternehmen Scanacs, weil es sich außerhalb der TI befindet.

Mit Einführung des E-Rezepts werden zahlreiche Arbeitsprozesse in den Apotheken digitaler und schlanker werden als bisher. Auch die Abrechnung ist davon betroffen. Immerhin wird es keinen Medienbruch mehr zwischen Papierrezepten und digitalen Daten geben. Das Dresdner IT-Unternehmen Scanacs wirbt seit einigen Jahren für die Direktabrechnung. Dabei würden die Apotheken ihre Rezepte direkt bei den Krankenkassen einreichen und dann auch direkt von den Krankenkassen das Geld erhalten – ohne Rechenzentren beauftragen zu müssen.

Kooperation von Scanacs mit CGM

Aus der Theorie ist inzwischen eine Kooperation geworden. Apotheken, die zum Kundenkreis des Softwareanbieters CGM Lauer zählen, könnten laut eines Werbeflyers ihre E-Rezepte mit den Krankenkassen zukünftig direkt abrechnen. Hinter dem Angebot „CGM Direktabrechnung“ steckt auch die Firma Scanacs, an der die CompuGroup Medical, also der Mutterkonzern von CGM Lauer, einem aktuellen Handelsregisterauszug zufolge inzwischen mit 15 Prozent beteiligt ist.

Doch in einem nun anstehenden gesetzgeberischen Vorstoß sieht Scanacs eine große Gefahr für das Geschäftsmodell. Wie schon mehrfach berichtet, plant das Bundesgesundheitsministerium mit dem Entwurf für ein „Gesetz zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung“ (Krankenhauspflege-Entlastungsgesetz, KHPflEG) Hürden für die Leistungserbringer abzubauen, die derzeit aufgrund von (vertraglichen) Beschränkungen durch Anbieter und Hersteller informationstechnischer Systeme im Rahmen der Telematikinfrastruktur (TI) bestehen. Im Falle von Pharmatechnik und Red Medical könnte dies eine Lösung des langwierigen Rechtsstreits bedeuten, im Hinblick auf die Einbindung des alternativen Konnektorenmodells von Red in das Pharmatechnik-System. Pharmatechnik hatte dies bislang verweigert und konnte diese Strategie auch vor Gericht erfolgreich verteidigen. 

Kein Rechenzentrum, keine Schnittstelle

Der Technologieanbieter Scanacs sieht sich dagegen diskriminiert, weil er sich nicht innerhalb der TI befindet. Die Kooperationen mit Primärsystemen in Arztpraxen, Apotheken und Kliniken könnte damit auf der Kippe stehen. Daher wendet sich Scanacs-Geschäftsführer Frank Böhme nun mit einem Brief an die gesundheitspolitischen Entscheider auf Bundesebene. In seinen Augen nutze der vorliegende Gesetzesentwurf nicht alle existierenden Möglichkeiten und mindere damit die Erfolgschancen. Böhmes Scanacs-Software müsse „im Sinne einer sehr guten Nutzerorientierung“ in Apothekensoftwaresysteme integrierbar sein. Dies habe man bereits mit den Softwarepartnern CGM Lauer und Apotechnik erfolgreich umsetzen können.

In den Verhandlungen mit weiteren Anbietern sei aber immer wieder eine Hürde aufgetaucht: Der Umstand, dass Scanacs nicht den Status eines Apothekenrechenzentrums besitzt, würde dazu führen, dass Apothekensoftwareanbieter die Zugänge zu ihren Warenwirtschaftssystemen über die standardisierte APO-TI-Schnittstelle verweigerten.

Wie schon berichtet, deuten Scanacs und CGM das Sozialrecht dahingehend, dass Apotheken nicht verpflichtet seien, für die Abrechnung ihrer Rezeptdaten ein Rechenzentrum zu beauftragen. Somit müsse man die von Scanacs angebotene Direktabrechnung eigentlich als gleichberechtigte Alternative zu den Apothekenrechenzentren ansehen. Im Schreiben wird sogar gemutmaßt, dass die Apothekensoftwareanbieter gemeinsame Sache mit den Apothekenrechenzentren machen würden und damit ihre eigenen Geschäftsmodelle schützten. Damit würden sie viele Apotheken von der Nutzung der Direktabrechnung abschotten und digitale Innovationen verhindern.

Weil neben der Blockadehaltung der Apothekensoftwareanbieter Scanacs nun auch noch der Ausschluss per Gesetz droht, appelliert Geschäftsführer Böhme eindringlich an die Gesundheitspolitik, den Gesetzesentwurf dahingehend zu öffnen, dass eine diskriminierungsfreie Anbindung nicht nur exklusiv für Anbieter von Lösungen innerhalb der TI sichergestellt ist, sondern auch für Anbieter außerhalb.

Liegt es tatsächlich an der APO-TI-Schnittstelle?

Doch ist die APO-TI-Schnittstelle tatsächlich das Zünglein an der Waage? Michael Dörr vom Bundesverband Deutscher Apothekenrechenzentren (VDARZ)  erklärt, dass man bereits vor der Einführung des E-Rezeptes die bestehenden Kommunikationswege von den Apothekenwarenwirtschaften zu den Apothekenrechenzentren analysiert und den Bedarf für eine einheitliche Lösung gesehen hat. Daraus entstand der Bedarf der standardisierten APO-TI-Schnittstelle. Die Kommunikation zwischen Apotheke und Rechenzentrum über die APO-TI-Schnittstelle laufe dabei komplett außerhalb der TI.

Dagegen habe man beim VDARZ „voll umfängliches Verständnis“, wenn die Anbieter der Warenwirtschaften die Kommunikationswege nur bilateral nach umfangreichen Testphasen mit einzelnen Technologieanbietern öffnen. Der Gesetzgeber sei daher gut beraten, sich weiterhin nur auf die Übertragungswege zu konzentrieren, die von der Gematik nach § 325 Absatz 2 und 3 zugelassen sind und die zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten bei der Nutzung von Anwendungen der Telematikinfrastruktur erforderlich sind.

Nach Informationen der DAZ könnte das Problem also gar nicht am Wesen der APO-TI-Schnittstelle liegen, sondern am Umstand, dass Apothekensoftwareanbieter in der Warenwirtschaft nur eine Gegenstelle, nämlich das jeweilige Rechenzentrum der Apotheke eintragen. Damit entfällt für Scanacs die Möglichkeit, als zweiter gleichberechtigter Anbieter neben einem Rechenzentrum E-Rezepte an die Krankenkassen direkt zu leiten.

Rahmenvertrag sieht keine parallelen Abrechnungswege vor

Hinzu kommt, dass auf Grundlage des aktuellen Rahmenvertrags zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband gar nicht vorgesehen ist, dass es mehrere parallele Abrechnungswege zwischen Apotheken und Krankenkassen geben soll. Selbst die Direktabrechnung wird im Vertrag nicht konkret geregelt. Würde das von Scanacs und CGM dahingehend interpretierte Sozialrecht also tatsächlich greifen, sodass Apotheken nicht verpflichtet sind, für die Abrechnung ihrer Rezeptdaten ein Rechenzentrum zu beauftragen, müssten sich DAV und GKV-Spitzenverband erst noch einigen, unter welchen Voraussetzungen eine Direktabrechnung ermöglicht wird.


Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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