Referentenentwurf

TI-Komponenten: Softwarehäuser sollen andere Anbieter kostenfrei anbinden

Stuttgart - 15.08.2022, 13:45 Uhr

Das BMG hat einen Entwurf für ein „Gesetz zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung“ vorgelegt. (Foto: IMAGO / Müller-Stauffenberg)

Das BMG hat einen Entwurf für ein „Gesetz zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung“ vorgelegt. (Foto: IMAGO / Müller-Stauffenberg)


Die gesetzlichen Vorgaben zur TI sehen eigentlich vor, dass die eingesetzten Systeme interoperabel sind. In der Realität ist das aber nur bedingt der Fall. So werden von den Primärsystemen teilweise Komponenten anderer Hersteller gar nicht angebunden oder nur gegen Gebühr. Das BMG möchte dies ändern und plant laut einem vergangene Woche vorgelegten Gesetzentwurf, die Softwarehersteller zu einer diskriminierungsfreien Einbindung aller Komponenten und Dienste zu verpflichten.

Die Apothekensoftwarehäuser möchten ihren Kund:innen im Regelfall alles aus einer Hand anbieten. Somit war es auch nur folgerichtig, dass sie darauf setzten, die Apotheken mit den für die Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) notwendigen Komponenten auszustatten. Über ihren angestammten Anbieter konnten die Apotheken Startersets mit Konnektoren und Kartenlesegeräten beziehen. Die stammen im Regelfall auch nicht vom Softwarehaus selbst, sondern von ausgewählten Partnern. Nahmen die Apotheken dieses Angebot an, versprach das Softwarehaus, sich um Anschluss, Wartung etc. zu kümmern. Angesichts dieser Praxis ist wenig verwunderlich, dass die etablierten AVS-Anbieter der Anbindung von TI-Komponenten anderer Dienstleister sehr skeptisch gegenüberstehen. Am eigenen Leib zu spüren, bekam das RedMedical. Das Unternehmen bietet unter anderem ein alternatives Konnektorenmodell an, bei dem die Kiste nicht lokal in der Apotheke steht, sondern zentral in einem Rechenzentrum. Unter anderem Pharmatechnik hat sich geweigert, seine Warenwirtschaften an diese Konnektoren anzuschließen. Red hat sogar versucht, mit juristischen Mittel dagegen vorzugehen, jedoch vergeblich. Andere Softwarehäuser stellten sich zwar nicht vollständig quer, ließen sich den Anschluss der „fremden“ Komponenten aber gut bezahlen.

Geht es nach dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) soll mit solchem Gebaren künftig Schluss sein. Laut einem vergangene Woche vorgelegten Entwurf für ein „Gesetz zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung“ sollen Hürden für die Leistungserbringer abgebaut werden, die derzeit aufgrund von (vertraglichen) Beschränkungen durch Anbieter und Hersteller informationstechnischer Systeme im Rahmen der Telematikinfrastruktur bestehen. Konkret sollen demnach Anbieter und Hersteller von Primärsystemen durch die neue Regelung gesetzlich verpflichtet werden, Dienste und Komponenten aller Anbieter in ihr System einzubinden, ohne hierfür zusätzliche Gebühren zu verlangen. Letzteres ist ein nicht unerheblicher Kostenfaktor. Laut grober Schätzung des BMG liegen die Kosten durch Anschluss- oder Wartungsgebühren durch einige Hersteller im Durchschnitt bei 550 Euro pro Jahr. Es wird davon ausgegangen, dass etwa 50 Hersteller Anschluss- oder Wartungsgebühren für den Anschluss anbieterfremder Komponenten und Dienste erheben.

BMG sieht Tendenz zu geschlossenen Systemen

Das BMG sieht hier Regelungsbedarf, weil ungeachtet der Vorgaben zur Interoperabilität, die sich in § 325 Absatz 2 und 3 SGB V finden, verschiedene Anbieter von Komplettsystemen, von Komponenten und Diensten ihr System nur in Kooperation mit ausgewählten Primärsystemanbietern anbieten, heißt es in der Begründung. Es zeichne sich ein Trend der Anbieter ab, ihre eigenen Systeme geschlossen zu halten. Hierzu kooperierten vor allem Primärsystemanbieter mit ausgewählten Herstellern von Komponenten und Diensten der Telematikinfrastruktur und schlössen andere Anbieter und Hersteller von ihrem System aus. Einige Anbieter von Primärsystemen verlangten ferner monatliche Wartungsgebühren und/oder einmalige Anschlusskosten, wenn ihre Bestandskunden Komponenten oder eine Komponente zum Anschluss an die TI von einem anderen Anbieter nutzen möchten. Aufgrund dieses Marktverhaltens haben Leistungserbringer nach Auffassung des BMG kaum die Möglichkeit, Primärsysteme sowie Komponenten und Dienste von unterschiedlichen Herstellern nach eigenen Entscheidungsmaßstäben und Bedürfnissen frei miteinander zu kombinieren. Dies schränke die Entscheidungsfreiheit der Leistungserbringer bei der Wahl ihrer Primärsysteme sowie Komponenten und Dienste erheblich ein und verzögere die flächendeckende Umsetzung der Telematikinfrastruktur in der Praxis weiter.

Ein Jahr Übergangsfrist

Dass es auf der anderen Seite eine ganze Reihe von Anbietern gibt, die ihre Systeme ganz ohne Zusatzgebühren offenhalten, verdeutlicht nach Ansicht des BMG, dass die neue Regelung für die anderen Anbieter keine unverhältnismäßige Belastung darstellt. Diese neuen Vorgaben sollen für alle Anbieter und Hersteller informationstechnischer Systeme für die vertragsärztliche Versorgung, die vertragszahnärztliche Versorgung sowie für Krankenhäuser und Apotheken gelten. Halten sich die Hersteller nicht an diese Vorgaben, indem sie ihre Systeme unzulässig beschränken oder Kosten geltend machen, sollen künftig Bußgelder fällig werden. Die Anbieter sollen dem Entwurf zufolge eine Übergangsfrist eingeräumt bekommen – von einem Jahr ab Inkrafttreten des Gesetzes.

Entwurf für ein Krankenhauspflegeentlastungsgesetz

E-Rezept: Was wird aus den Schnittstellen für Drittanbieter?

Apotheken und andere Leistungserbringer sollen, durch die bußgeldbewehrte Verpflichtung für IT-Anbieter und -Hersteller, die für die Versorgung erforderlichen TI-Komponenten und Dienste ohne zusätzliche Kosten oder Gebühren anzubinden, nicht nur volle Wahlfreiheit haben, sondern auch Kosten sparen. Nach einer überschlägigen Schätzung könnten Kosten in Höhe von 27.500 Euro pro Jahr eingespart werden, rechnet das BMG in seinem Entwurf vor. Im Rahmen der „One-in-one-out“- Regel der Bundesregierung dienten die Entlastungen zur Kompensation von Änderungen aus früheren Vorhaben.

Viele andere apothekenrelevante Vorschläge

Neben dieser Regelung enthält der Entwurf noch eine ganze Reihe anderer Regelungen, die die Apotheken direkt oder indirekt betreffen. So will das BMG die vorgesehenen Starttermine für elektronische BtM- und T-Rezepte sowie für digitale Gesundheitsanwendungen um eineinhalb Jahre auf Juli 2024 verschieben. Zudem findet sich ein Vorschlag darin, wie das Thema Schnittstellen für E-Rezepte künftig geregelt sein soll. So will das BMG beispielsweise die Übertragung von E-Rezept-Token über Schnittstellen gar nicht zulassen.

Die betroffenen Verbände haben nun die Möglichkeit zur Stellungnahme – dafür haben sie bis zum 18. August 2022 Zeit.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Das wurde aber auch Zeit

von Jochen Brüggemann am 16.08.2022 um 9:23 Uhr

Es kann sich jeder vorstellen, mit welcher Genugtuung wir (RED) diesem Gesetz entgegensehen. Leider kommt es zwei Jahre zu spät.

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