Human Challenge Studie

SARS-CoV-2 bereits nach zwei Tagen ansteckend

Stuttgart - 07.03.2022, 07:00 Uhr

SARS-CoV-2 könnte schon zwei Tage nach Infektion ansteckend sein und es für zehn Tage bleiben. (s / Foto: WavebreakMediaMicro / AdobeStock)

SARS-CoV-2 könnte schon zwei Tage nach Infektion ansteckend sein und es für zehn Tage bleiben. (s / Foto: WavebreakMediaMicro / AdobeStock)


Vermehrungsfähige Viren durchschnittlich bis Tag 10 nach Infektion

Wie also sah es mit vermehrungsfähigen Viren – und damit Viren, die noch ansteckend sind – in der Human-Challenge-Studie aus? Den Wissenschaftlern zufolge ließen sich vermehrungsfähige Viren nur etwas mehr als sechs Tage nachweisen – im Median 6,5 Tage in der Nase und 6,25 Tage im Rachen, jeweils bestimmt nach Infektion. Durchschnittlich seien vermehrungsfähige Viren nach 10,2 Tagen in der Nase und nach 8,7 Tagen im Rachen verschwunden gewesen.

Zur Erinnerung: Median und Durchschnitt – das ist der Unterschied

Der Median liegt genau in der Mitte einer Datensammlung, das bedeutet: Die eine Hälfte der ermittelten Daten ist kleiner als der Medianwert, die andere Hälfte ist größer. Im konkreten Fall des Nachweises vermehrungsfähiger Viren in der Nase bedeutet das: Bei der Hälfte der Infizierten waren die Viren in der Nase bereits nach weniger als 6,5 Tagen verschwunden, bei der anderen Hälfte erst später als 6,5 Tage.

Nicht zu verwechseln ist der Median mit dem Durchschnitt. Für den Durchschnitt summiert man in diesem Beispiel für alle Infizierten die Tage, ab denen kein replikationsfähiges Virus mehr nachweisbar war, und teilt diesen Wert durch die Anzahl der Infizierten. Der Vorteil des Medians im Vergleich zum Durchschnitt ist, dass einzelne Zahlenausreißer weniger ins Gewicht fallen, zum Beispiel für die Datensammlung 2, 2, 2, 2, 14 liegt der Median bei 2, der Durchschnitt bei 4,4. 

Die Wissenschaftler betonen: „Trotz relativ hoher Werte für späte PCR-Nachweise konnten vermehrungsfähige Viren in der Nase nach Tag 12 und im Rachen nach Tag 11 der Infektion nicht mehr nachgewiesen werden.“

Wie lange ist man also ansteckend?

Die Wissenschaftler fassen ihre Ergebnisse zusammen: „Nach einer SARS-CoV-2-Exposition beim Menschen beginnt die Virusausscheidung innerhalb von zwei Tagen nach der Exposition, erreicht schnell bis zu zwölf Tage nach Kontakt nachweisbare vermehrungsfähige Viren und eine deutlich höhere Viruslast in der Nase als im Rachen, obwohl diese dort später einsetzt.“ 

Da vermehrungsfähige und damit infektiöse Viren durchschnittlich bis zu zehn Tage nach Kontakt (maximal zwölf Tage nach Kontakt) nachweisbar waren, unterstützten diese Daten die Quarantänezeit, die in den meisten Leitlinien empfohlen werde, heißt es in der Mitteilung des Imperial College London.

Infektiosität bislang unterschätzt?

Die Studienautoren nennen auch Einschränkungen der Studie – die nur kleine Teilnehmerzahl, die geringe Vielfalt bei den Teilnehmern (alle jung, erwachsen und gesund) und eine kurze Nachbeobachtungszeit. Auch trägt die Studie nicht den möglichen Virusvarianten von SARS-CoV-2 Rechnung. 

Dennoch sieht der leitende Prüfarzt Professor Christopher Chiu von der Abteilung für Infektionskrankheiten und dem Institut für Infektionskrankheiten am Imperial College London enormen Wert hinter der Studie: „Es gibt zwar Unterschiede in der Übertragbarkeit aufgrund des Auftretens von Varianten wie Delta und Omikron, aber im Grunde handelt es sich um dieselbe Erkrankung, und die gleichen Faktoren sind für den Schutz dagegen verantwortlich.“ Man gehe davon aus, dass die Studie „grundsätzlich repräsentativ“ für diese Art der Infektion sei. Und er ergänzt: Man habe die Infektiosität bislang „wahrscheinlich unterschätzt“.

Meist nur milde bis moderate Symptome

Im Rahmen der Studie erfassten die Wissenschaftler auch das Befinden der Patienten. Entwickelten sie Symptome? Welche? Und waren diese von milder Natur? 

Die meisten der nach Infektion positiv getesteten Teilnehmer (89 Prozent; 16 von 18) berichteten über milde bis mittelschwere Symptome, ähnlich einer Erkältung mit verstopfter oder laufender Nase, Niesen oder Halsschmerzen, die bereits zwei bis vier Tage nach Kontakt mit dem Virus anfingen. Einige berichteten auch über Kopfschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Müdigkeit und Fieber. 

Professor Chiu fasst zusammen: „In erster Linie traten in unserem Challenge-Infektionsmodell mit gesunden jungen erwachsenen Teilnehmern keine schwerwiegenden Symptome oder klinischen Probleme auf.“ Keiner habe „ernsthafte Symptome“ oder Veränderungen an der Lunge gezeigt. 

Nicht überraschen dürfte, dass nahezu alle Infizierten ihren Geruchssinn verloren (13 von 18), der sich bei den meisten innerhalb von 90 Tagen nach Infektion auch wieder normalisierte. Nur bei drei Teilnehmern lagen auch nach drei Monaten noch Einschränkungen vor, die sich jedoch auch bei ihnen besserten. 

Insgesamt sind die Studienautoren beruhigt, dass die Human-Challenge-Studie neben den neuen Erkenntnissen zu SARS-CoV-2 auch gezeigt hat, dass solche Untersuchungen für die Teilnehmer sicher sein können.

Antigen-Schnelltests: Zweimal testen pro Woche erkennt Infektion frühzeitig

Die Wissenschaftler konnten zudem zeigen, dass Antigen-Schnelltests „ein guter Indikator“ sind, ob eine Person infektiöse Viren in sich trägt. So korrelierten positive Schnelltest-Ergebnisse gut mit den Ergebnissen aus laborbestätigten Abstrichen, und zwar während des gesamten Verlaufs der Infektion – auch bei Personen, die keine Symptome aufwiesen.

Die Studienautoren schränken jedoch ein, dass vor allem zu Beginn und gegen Ende der Infektion – bei geringen Virusmengen – die Tests weniger zuverlässig waren. „Die Lateral-Flow-Ergebnisse waren stark mit lebensfähigen Viren assoziiert“, zweimal wöchentlich durchgeführte Schnelltests könnten jedoch eine Infektion diagnostizieren, bevor 70–80 Prozent der lebensfähigen Viren vorhanden seien.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Wahrheit

von Sabine am 08.03.2022 um 20:52 Uhr

Impfung gefährlicher als das Virus. Untersuchen von Toten geimpften wäre sinnvoll

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Studie aus

von Felix am 07.03.2022 um 8:20 Uhr

Leider fehlt mir hier die Info, dass es sich bei der Studie um den Wildtyp handelt.

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