Ende der Übergangsfrist

Was bedeutet die neue EU-Medizinprodukte-Verordnung für Apotheken? (Teil 1)

26.05.2021, 07:00 Uhr

Viele Medizinprodukte sind apothekenüblich, darunter auch Kompressionsstrümpfe. Was müssen Apotheken jetzt beachten? (Foto: IMAGO / Karina Hessland)

Viele Medizinprodukte sind apothekenüblich, darunter auch Kompressionsstrümpfe. Was müssen Apotheken jetzt beachten? (Foto: IMAGO / Karina Hessland)


Mit dem heutigen Mittwoch endet die Übergangsfrist für die neue EU-Medizinprodukteabgabe-Verordnung. Auch auf die Apotheken kommen damit neue Händler- und unter Umständen sogar neue Herstellerpflichten zu. Im Großen und Ganzen sind die neuen Vorgaben aber für die meisten wohl überschaubar. Wir beleuchten die wichtigsten Änderungen. Teil 1 dreht sich um die Überprüfungspflichten für Händler. 

Die EU-Verordnung für Medizinprodukte (Medical Device Regulation – MDR) wurde am 5. April 2017 verabschiedet und trat 21 Tage später in Kraft. Nach Ablauf von drei Jahren, ab dem 26. Mai 2020, sollte die nationale Übergangsfrist enden und die Verordnung in allen EU-Staaten wirksam werden. Allerdings beschloss das EU-Parlament – auch bedingt durch die COVID-19-Pandemie – am 17. April 2020 den Aufschub um ein weiteres Jahr, um insbesondere Engpässe oder Verzögerungen bei der Einführung wichtiger Medizinprodukte zu vermeiden. Somit wird die MDR nun am heutigen Mittwoch, den 26. Mai 2021, ihre volle Wirksamkeit entfalten. Zeitgleich wird das deutsche Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) in weiten Teilen in Kraft treten.

Aufgrund der Neuerungen müssen sich auch Apotheken auf weitergehende Händlerverpflichtungen einstellen.

Händler

Nach Definition der MDR bezeichnet „Händler“ jede natürliche oder juristische Person in der Lieferkette, die ein Produkt bis zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme auf dem Markt bereitstellt, mit Ausnahme des Herstellers oder des Importeurs. Die Tätigkeit der „Bereitstellung auf dem Markt“ umfasst laut MDR jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts, mit Ausnahme von Prüfprodukten, zum Vertrieb, zum Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit.

Was muss die Apotheke prüfen? 

Gemäß Artikel 14 Abs. 2 muss sich der Händler zur Erfüllung seiner Überprüfungspflichten folgende Fragen stellen, bevor er ein Medizinprodukt auf dem Markt bereitstellen darf:

  • Ist eine CE-Kennzeichnung und/oder EU-Konformitätserklärung für das Produkt vorhanden?
  • Liegen dem Produkt die vom Hersteller gemäß Artikel 10 Abs. 11 bereitgestellten Informationen, d. h. eine gesonderte Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung auf Deutsch, bei?
  • Bei importierten Produkten: Hat der Importeur die in Artikel 13 Abs. 3 genannten Anforderungen erfüllt, d. h. ­seinen Namen und seine Adresse auf dem Medizinprodukt bzw. der Umverpackung angegeben?
  • Wurde vom Hersteller eine einmalige Produktnummer (UDI) vergeben?

In erster Linie muss die Apothekenleitung in ihrer Händlereigenschaft das bloße Vorhandensein, zum Beispiel der Gebrauchsanweisung oder Adressangaben, nicht aber deren Richtigkeit, überprüfen. Die Überprüfung der individuellen Produktcodes wird den Händlern erst nach und nach möglich sein. Während die MDR eine stichprobenartige Prüfung aller Medizinprodukte vorschreibt, gibt § 12 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) die Prüfung apothekenpflichtiger Medizinprodukte vor .

Dieser Artikel ist in voller Länge in der DAZ Nr. 20 erschienen.

Was ist zu beachten bei mangelhaften Medizinprodukten?

Gemäß MDR darf die Apotheke ein Produkt nicht auf dem Markt bereitstellen, bei dem sie der Auffassung ist, dass dieses nicht den Anforderungen entspricht. Damit die erforderliche Konformität des Produkts wiederhergestellt werden kann, muss sie zu diesem Zweck den Hersteller, gegebenenfalls den Bevollmächtigten und den Importeur, informieren. Beispiele für die fehlende Konformität, welche ein Inverkehrbringen verbieten, wären defekte oder beschädigte beziehungsweise abgelaufene und technisch veraltete Medizinprodukte (z. B. ein zerbrochenes Fieberthermometer).

Gemäß Artikel 14 Abs. 3 muss die Apotheke die Lagerungs- und Transportbedingungen nach Herstellervorgaben sicherstellen, während sich das Produkt in ihrer Verantwortung befindet (z. B. Temperatur zur Aufbewahrung stofflicher Medizinprodukte wie Tränenersatzflüssigkeit).

Essentiell ist die Aufgabe, die der Apotheke gemäß Artikel 14 Abs. 4 zukommt: Damit die erforderlichen Korrekturmaßnahmen ergriffen werden können, um die Konformität des Produkts herzustellen, es vom Markt zu nehmen oder zurückzurufen, muss sie mit dem Hersteller sowie mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten. Sollte die Apotheke der Auffassung sein, dass von dem Produkt eine schwerwiegende Gefahr ausgeht, muss sie darüber hinaus unverzüglich die zuständigen Behörden informieren sowie genaue Angaben zur fehlenden Konformität und zu bereits ergriffenen Korrekturmaßnahmen übermitteln. In Deutschland ist die zuständige Behörde das Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) am Dienstsitz Köln.

Wenn der Apotheke seitens anderer Angehöriger der Gesundheitsberufe, der Patienten oder Anwender Beschwerden und Berichte über mutmaßliche Vorkommnisse im Zusammenhang mit einem Medizinprodukt, das sie bereitgestellt haben, zugetragen werden, so ist sie gemäß Artikel 14 Abs. 5 verpflichtet, diese unverzüglich an den Hersteller weiterzuleiten.

Systematische Aufzeichnungen über alle „Spontanmeldungen“ 

Damit einher geht auch die Obliegenheit, ein Register der Beschwerden, der nichtkonformen Produkte und der Rückrufe und Rücknahmen zu führen. Die Apotheke soll den Hersteller über diese Überwachungsmaßnahme auf dem Laufenden halten und bei Bedarf alle Informationen zur Verfügung stellen.

Das bedeutet im Klartext, dass jede Apotheke dazu angehalten ist, systematische Aufzeichnungen über alle „Spontanmeldungen“ im Zusammenhang mit den von ihr bereitgestellten Medizinprodukten und deren Ausgang zu führen.

Gemäß Artikel 14 Abs. 6 MDR müssen die Apotheken der zuständigen Behörde auf Ersuchen alle Informationen und Unterlagen aushändigen, die ihnen vorliegen und die für den Nachweis der Konformität eines Produkts erforderlich sind. Zudem wird eine Kooperation der Apotheken mit den zuständigen Behörden vorausgesetzt bei allen Maßnahmen zur Abwendung von Gefahren, die mit Produkten verbunden sind, die sie auf dem Markt bereitgestellt haben. Die Apotheken sollen der Behörde unentgeltliche Proben des Produkts zur Verfügung stellen oder, sofern anderweitig nicht praktikabel, Zugang zu dem Produkt gewähren.

Lesen Sie im zweiten Teil, in welchen Fällen die Apotheke Herstellerpflichten hat.



Dr. Janna K. Schweim, Rechtsanwältin, Köln
redaktion@daz.online


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