Abwechslung auf dem Speiseplan

Gelber Mehlwurm als Novel Food zugelassen

Remagen - 20.05.2021, 12:15 Uhr

Gefriergetrocknete Mehlwürmer (Tenebrio molitor). (c / Foto: Robert Leßmann / AdobeStock)

Gefriergetrocknete Mehlwürmer (Tenebrio molitor). (c / Foto: Robert Leßmann / AdobeStock)


In vielen Teilen der Welt gehören Insekten ganz selbstverständlich auf den Teller. In Europa sind sie als Burger, Riegel und Brot oder auch als exotisches „Topping“ auf dem Salat noch ein relativ neuer Trend. Es ist auch nicht so einfach, sie in der EU auf den Markt zu bekommen, denn sie gelten als neuartige Lebensmittel. Als erstes Insekt hat jetzt der gelbe Mehlwurm diese Hürde genommen.

Zum ersten Mal hat in der EU ein Insekt eine Zulassung als Novel Food erhalten, und zwar der gelbe Mehlwurm. Genauer gesagt handelt es sich um die Larvenform der Insektenart Tenebrio molitor (Tenebrio molitor larva). Diese soll in getrockneter Form entweder als Ganzes oder gemahlen verkauft werden dürfen. 

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Außerdem darf sie als Zutat bis zu einem Anteil von 10 Prozent in verschiedenen Lebensmitteln, zum Beispiel Nudeln oder Keksen, eingesetzt werden. Die Hauptkomponenten des Mehlwurms sind Protein, Fett und Ballaststoffe (Chitin). Wieso ist diese Zulassung so bemerkenswert?

Insekten und die Novel-Food-Verordnung

Bis vor wenigen Jahren war die Rechtslage für Insekten als Novel Food nicht eindeutig. Neuartige Lebensmittel wurden in der EU erstmals im Jahr 1997 mit der „alten“ Novel-Food-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 258/97) geregelt. Hiernach müssen alle Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union verzehrt wurden, eine wissenschaftliche Sicherheitsprüfung und ein Zulassungsverfahren durchlaufen, bevor sie in den Verkehr gebracht werden dürfen.

Nach der damaligen Rechtslage war allerdings unklar, ob auch ganze Insekten als Novel Food gelten, denn in der Verordnung wurden nur „Lebensmittelzutaten, die aus Tieren isoliert wurden“ genannt. Die bestehende Rechtslücke wurde am 1. Januar 2018 mit der neuen Novel Food-Verordnung (EU) 2015/2283 geschlossen. Danach fallen nun „sowohl ganze Tiere als auch Teile davon“ und damit auch ganze Insekten eindeutig darunter.

Anträge nur noch über die EU

Die neue Verordnung harmonisierte auch die unterschiedlichen Vorgehensweisen innerhalb der Europäischen Union. Anträge müssen seitdem nicht mehr in einem Mitgliedstaat (in Deutschland bis dahin beim BVL) eingereicht werden, sondern direkt bei der Europäischen Kommission. Die Antragsunterlagen werden zunächst von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bewertet, bevor der Europäische Gesetzgeber auf Vorschlag der Kommission darüber entscheidet. Alternativ kann seit dem 1. Januar 2018 in manchen Fällen auch ein neues Anzeigeverfahren für traditionelle Lebensmittel aus einem Drittstaat genutzt werden. Hierfür muss belegt werden kann, dass es dort seit mindestens 25 Jahren verzehrt wurde und keine Sicherheitsbedenken auftraten. 

Für einige Lebensmittel aus bestimmten Insektenarten könnte dies aus Sicht des BVL durchaus ein gangbarer Weg zum Eintritt in den europäischen Lebensmittelmarkt sein.

Übergangsregelung für Grillen, Heuschrecken, Würmer

Was passierte mit den Erzeugnissen aus ganzen Insekten, die bis zum 1. Januar 2018 nicht als neuartig galten und deshalb auch ohne Zulassung vermarktet werden durften? Für diese wurde nach der neuen Novel-Food-Verordnung kein Verkehrsverbot ausgesprochen

Deswegen sind solche Produkte heute auch ohne Novel Food-Zulassung weiterhin in Supermarktregalen zu finden. Allerdings musste für diese vor dem 1. Januar 2019 ein Zulassungsantrag als neuartiges Lebensmittel gestellt werden, um sie weiter vermarkten zu können. Insgesamt wurden in den Jahren 2018 und 2019 vier Anträge für die Zulassung von Mehlwürmern als neuartige Lebensmittel eingereicht, darunter auch derjenige, der nun am 4. Mai positiv beschieden wurde.

EFSA: Gelber Mehlwurm ist als Lebensmittel sicher

In seinem Gutachten zu dem Antrag der französischen SAS EAP Group stellt das für Novel Food zuständige Expertengremium der EFSA fest, dass der Verzehr des gelben Mehlwurms angesichts der Zusammensetzung und der vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen „ernährungsphysiologisch nicht nachteilig“ sei. Die eingereichten Toxizitätsstudien aus der Literatur hätten außerdem keine Sicherheitsbedenken aufgeworfen. Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten halten das neuartige Lebensmittel daher grundsätzlich für sicher. Die EFSA gibt jedoch zu bedenken, dass das Insekt eine primäre Sensibilisierung und allergische Reaktionen auf dessen Proteine ​​hervorrufen kann. Zusätzlich könnten Allergene auch aus dem Futter in die Tiere gelangen. Allergiker sollten deshalb beim Verzehr von Insekten generell vorsichtig sein. Darauf weist auch das BVL hin. Das Etikett muss deshalb einen Hinweis auf mögliche Kreuzreaktionen zu Allergien gegen Krustentiere oder Hausstaub-Milben tragen. 

Unionsliste schafft Klarheit

Mit der neuen Novel Food-Verordnung wurde auch eine so genannte Unionsliste eingeführt, in die sukzessive alle zugelassenen neuartigen Lebensmittel, einschließlich der Produktspezifikationen und Verwendungsbedingungen eingetragen werden. Sie wird von der Europäischen Kommission laufend fortgeschrieben. Befindet sich ein Lebensmittel auf der Liste, so können andere Hersteller entsprechende Produkte ebenfalls auf den Markt bringen, ohne dafür erneut einen Zulassungsantrag stellen zu müssen. Im Falle des gelben Mehlwurms ist dieser Weg allerdings noch eine Weile versperrt, denn die SAS EAP Group hat für die Zulassung geschützte wissenschaftliche Daten vorgelegt hat. Deshalb gilt die Zulassung für die Dauer von fünf Jahren zunächst nur für dieses Unternehmen. 

Zwischen Interesse und Ekelbarriere

Nach Angaben des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gibt es weltweit schätzungsweise 1.900 essbare Insektenarten. Für mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung stünden Speiseinsekten ganz selbstverständlich auf dem Speiseplan, lässt das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) wissen, weil sie schmecken, nahrhaft und vergleichsweise gut verfügbar sind. 

Zwar interessierten sich auch Menschen in Europa zunehmend für die exotische Kost, aber viele hätten trotzdem Vorbehalte dagegen. Als Hauptgrund für diese Zurückhaltung werde die Ekelbarriere genannt, gefolgt von Hygienebedenken und fehlenden Gewohnheiten. Das Umweltbundesamt (UBA) hat im Juni 2020 eine Studie veröffentlicht, die sich unter anderem mit den Zukunftsperspektiven von Fleischersatzprodukten auf Insektenbasis befasst.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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Mehlwürmer

von Edith SCHUG am 20.05.2021 um 20:40 Uhr

Pfuideifi.

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