Inhalationen

Kochsalzlösung selbst gemacht – das kann schief gehen

Waren (Müritz) - 09.03.2021, 17:50 Uhr

Speisesalz enthält heutzutage bei Weitem nicht mehr nur Natriumchlorid. Verbraucher können aus einem bunten Sortiment zwischen Zusätzen wie Iod, Fluorid und Folsäure wählen, die allesamt nichts in den unteren Atemwegen zu suchen haben, da sie zu Reizungen führen können. (Foto: 성수 한 / stock.adobe.com)

Speisesalz enthält heutzutage bei Weitem nicht mehr nur Natriumchlorid. Verbraucher können aus einem bunten Sortiment zwischen Zusätzen wie Iod, Fluorid und Folsäure wählen, die allesamt nichts in den unteren Atemwegen zu suchen haben, da sie zu Reizungen führen können. (Foto: 성수 한 / stock.adobe.com)


Wer regelmäßig isotonische Natriumchloridlösung inhaliert, erholt sich schneller von Virusinfektionen und senkt nachweislich das Ansteckungsrisiko, inklusive SARS-CoV-2. Doch die ganze Familie regelmäßig an den hauseigenen Vernebler zu setzen, kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Da kann der Gedanke aufkommen, die Kochsalzlösung selbst herzustellen. Die Anleitungen im Internet reichen von Speisesalz bis Badesalz als Ausgangsstoff für die Eigenproduktion im Suppentopf. Das Fazit gleich vorweg: Hier sollte lieber nicht gespart werden. 

Auch Ökotest rät den Verbraucher:innen, Kochsalzlösung selbst herzustellen und sich die Mittel aus der Apotheke zu sparen. Das Rezept: „Rechnen Sie fünf Gramm Speisesalz oder Meersalz pro 500 ml Wasser – also etwa einen gehäuften Teelöffel. Kochen Sie 500 ml oder einen Liter Wasser ungefähr zwei Minuten lang – so werden mögliche Keime und Bakterien im Wasser abgetötet.“ Was sich unkompliziert anhört, kann durchaus zu Komplikationen führen.

Berechnen und Abwiegen

Trotz einfacher Anleitung sind Fehler bei der Zubereitung der Kochsalzlösung nicht auszuschließen, so ist in Foren immer wieder von Fällen zu lesen, in denen die Konzentration der Salzlösung um ein Vielfaches höher lag als gewünscht. 

Gibt man wie oben beschrieben 5 Gramm Salz auf 500 Milliliter Wasser, erhält man eine 1-prozentige Salzlösung. Es mag angesichts der vorgeschlagenen Mengenverhältnisse und Dosierhilfen geradezu spitzfindig klingen, aber es handelt sich dabei nicht mehr um eine isotonische, sondern um eine hypertone Lösung. Zubereitungen mit mehr als 0,9 Prozent Natriumchlorid haben eine schleimlösende Wirkung und kommen vor allem bei schweren Atemwegserkrankungen wie obstruktiver Bronchitis und Mukoviszidose zum Einsatz. Um die Schleimhäute zu befeuchten und vor Viren zu schützen, wird eine isotonische Kochsalzlösung empfohlen, die keine osmotischen Prozesse ins Rollen bringt. 

Salz ist nicht gleich Salz …

Speisesalz enthält heutzutage bei Weitem nicht mehr nur Natriumchlorid. Verbraucher:innen können aus einem bunten Sortiment zwischen Zusätzen wie Iod, Fluorid und Folsäure wählen, die allesamt nichts in den unteren Atemwegen zu suchen haben, da sie zu Reizungen führen können. Selbst Speisesalz ohne offensichtliche Zusätze kann Rieselhilfen oder Trennmittel [z. B. Natriumferrocyanid (E 535)] enthalten, die ein Verklumpen des kristallinen Natriumchlorids verhindern sollen. Noch ist unklar, welche Auswirkungen derartige Stoffe auf die Lungen haben. Gleiches gilt für Zusätze in Badesalzen. Und auch Meersalz wird wegen des Problems Mikroplastik nicht den Anforderungen an einen Ausgangsstoff für die Zubereitung einer Inhalationslösung gerecht.

… und Wasser nicht gleich Wasser

Es stellt sich die Frage, ob gekochtes Leitungswasser eine ausreichende Qualität aufweist, um es bedenkenlos regelmäßig in Kontakt mit der Atemwegeschleimhaut zu bringen. Die Mindestanforderung des europäischen Arzneibuchs an die Wasserqualität für die Herstellung von Arzneimitteln, die weder steril noch pyrogenfrei sein müssen, ist gereinigtes Wasser (Aqua purificata). Dieses wird aus Trinkwasser durch Destillation, Ionenaustausch, Umkehrosmose oder anderen geeigneten Verfahren gewonnen. Einige gebrauchsfertige Kochsalzlösungen aus der Apotheke enthalten sogar Wasser für Injektionszwecke, das ausschließlich durch Destillation hergestellt werden darf. Durch das Kochen von Trinkwasser werden zwar fast alle Mikroorganismen abgetötet, nicht aber einige Bakterien und Viren, die bei 100 °C lebensfähig sind, und solche, die Sporen bilden. Zudem kann das Leitungswasser durch Schwermetalle, Arzneimittelrückstände und Mikroschadstoffe belastet sein. 

Nicht auf Vorrat! 

Wer Salzlösung zu Hause selbst herstellt, möchte beim Sparen möglicherweise so weit gehen, nichts ungenutzt in den Ausguss zu schütten. Doch wohin mit der fertig gebrauten Salzlösung? Steril ist die Lösung aus dem Kochtopf ohnehin nicht. Die Aufbewahrung bei 2 °C bis 8 °C im Kühlschrank kann dem Wachstum von Mikroorganismen nur bedingt Einhalt gebieten. Industriell hergestellte Lösungen, die eine deutlich höhere mikrobiologische Qualität aufweisen, sind jedenfalls nur zur einmaligen Anwendung bestimmt. Reste müssen grundsätzlich verworfen werden. 

Elektrisch vs. traditionell

Die Inhalation von isotonischer Kochsalzlösung ist besonders effektiv, wenn sie es in Form eines Aerosols bis in die Bronchiolen und Alveolen schafft. Optimal sind Teilchen mit einem Durchmesser zwischen einem und 5 Mikrometer. Größere Partikel verbleiben im Mund-Rachen- Raum, kleinere werden wieder ausgeatmet. Derartige Aerosolpartikel können durch elektrische Inhalationsgeräte erzeugt werden, beispielsweise mit Hilfe von Düsen- oder Ultraschallverneblern. Mehrere Hersteller von elektrischen Inhalationsgeräten verbieten die Anwendung von selbst hergestellten Inhalationslösungen in ihren Geräten, beispielweise Pari. 

Zugegeben: Ökotest hat das eingangs vorgestellte Rezept für eine Kochsalzlösung nicht für Inhalationen über elektrische Geräte vorgesehen, sondern für die klassische Variante über einer Schüssel. Die aufgezählten Fehlerquellen sind deshalb nicht relevant – ebenso wenig wie das Salz, das bei dieser Form der Inhalation gar nicht Nase und Bronchien erreicht, sondern gleich ganz in der Schüssel verbleibt.  

Noch ein paar Worte zu Kochsalzlösungen …

Sagt man isoton oder isotonisch? 

Beide Begriffe werden synonym verwendet, wenn es um Lösungen mit dem gleichen osmotischen Druck geht, im medizinischen Sinn um Lösungen mit dem gleichen osmotischen Druck wie das menschliche Blut. Der Duden kennt „Isoton“ allerdings nur als Substantiv aus der Kernphysik. Vermieden werden sollte dagegen der Begriff „physiologische Kochsalzlösung“, da zwar die Osmolarität physiologisch ist, aber nicht die Konzentration von Natrium- und Chloridionen.  

Mehrfachentnahme aus der Glasflasche – geht das?

Industriell hergestellte Kochsalz-Lösungen sollten nach dem Öffnen sofort verwendet werden, angebrochene Behältnisse dürfen nicht aufbewahrt und Restmengen müssen verworfen werden. Für Infusionslösungen erlauben die Fachinformationen immerhin, dass Mischungen mit anderen Komponenten nicht länger als 24 Stunden bei 2 °C bis 8 °C gelagert werden sollten. Für eine Mehrfachentnahme aus einem Behältnis mit Gummistopfen eignen sich Entnahme-Spikes mit Filter (z. B. Mini-Spike®). 

Was ist vor der Anwendung noch zu beachten?

Zur inhalativen Anwendung sollte die Kochsalz-Lösung stets Zimmertemperatur haben. Das ist besonders wichtig bei Kindern und bei Patient:innen mit überempfindlichem Bronchialsystem (z. B. bei Asthma). Kalte Inhalationslösungen können die Lungenschleimhäute reizen. Am einfachsten ist die Verwendung von steril hergestellten Salzlösungen in Form von Fertigampullen zur Einmalanwendung, die sowieso bei Zimmertemperatur gelagert werden. 

Erstattungsfähig oder nicht?

Im Apothekenalltag kann es vorkommen, dass auf dem Rezept nur „NaCl-Lösung 0,9 Prozent“ vermerkt ist. Kochsalzlösung ist als apothekenpflichtiges Arzneimittel gemäß Arzneimittelrichtlinie Anlage I Nr. 9 grundsätzlich auch für Erwachsene erstattungsfähig. Nur wenn eine Diagnose auf dem Rezept steht, muss die Apotheke diese mit der Indikation der OTC-Ausnahmeliste abgleichen. Ansonsten besteht keine Prüfpflicht. Nicht alle industriell hergestellten isotonischen Natriumchlorid-Lösungen sind für die Inhalation vorgesehen. Explizit zugelassen sind beispielweise Inhalationslösungen von Pari, Pädia, Eifelfango, Wepa, IsoFree oder Belair. Sie sind als Trägerlösung bei der Verwendung von Inhalaten in Verneblern oder Aerosolgeräten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene zulasten der GKV verordnungsfähig, allerdings nur, wenn der Zusatz einer isotonischen Trägerlösung in der Fachinformation eines arzneistoffhaltigen Inhalats zwingend vorgesehen ist. Die Kosten für das apothekenpflichtige Arzneimittel Emser Sole® Inhalat werden von der GKV nur für Kinder bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres und Jugendliche mit Entwicklungsstörung bis zum vollendeten 18. Lebensjahr übernommen.



Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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