Mögliche Übernahmen

Wer bedient sich am AvP-Tafelsilber?

Stuttgart - 30.09.2020, 13:00 Uhr

Wie wird AvP nun aufgeteilt? (m / Foto: New Africa / stock.adobe.com) | Logo: AvP) 

Wie wird AvP nun aufgeteilt? (m / Foto: New Africa / stock.adobe.com) | Logo: AvP) 


Die Konzerngruppe des Apothekenrechenzentrums AvP ist insolvent. In den vergangenen Wochen erreichten entsprechende Anträge das zuständige Amtsgericht in Düsseldorf. Anfang Dezember wird voraussichtlich das erste Insolvenzverfahren eröffnet. Bis dahin könnten Geschäftszweige und Mitarbeiter neue Eigentümer beziehungsweise Arbeitgeber finden. DAZ.online beleuchtet mögliche Kandidaten. Das ARZ Haan prescht derweil vor: Man wolle mit sofortiger Wirkung die Rezeptverarbeitung von Sanitätshäusern und sonstigen Gesundheitsdienstleistern übernehmen, heißt es.

Im DAZ-Live-Talk am Mittwoch in der vergangenen Woche bestätigte der vorläufige Insolvenzverwalter des Apothekenrechenzentrums AvP, Dr. Jan-Philipp Hoos, dass es in der Branche bereits Interessenten gebe, die Teile des angeschlagenen Konzerns übernehmen würden. Stand heute sind vier Insolvenzbekanntmachungen veröffentlicht: Diese betreffen die AvP Deutschland GmbH, die AvP Dienstleistung GmbH, die Dialog im Gesundheitswesen GmbH sowie die Muttergesellschaft, die AvP Service AG.

Hoos und der von der Bankenaufsicht BaFin eingesetzte Geschäftsleiter für die AvP Deutschland GmbH Ralf R. Bauer versuchen aktuell das Unternehmen am Laufen zu halten. Dafür müssen Kompromisse eingegangen werden: In der ersten und bisher einzigen öffentlichen Mitteilung verkündeten Hoos und Bauer letzte Woche, dass das Abrechnungsgeschäft mit den Offizinapotheken eingestellt werde – das mit Krankenhausapotheken laufe dagegen weiter. Darüber hinaus finden nach Informationen von DAZ.online derzeit Bieterverfahren für die Übernahme von AvP-Geschäftszweigen statt. Zu den Interessenten zählen natürlich die anderen Apothekenrechenzentren, aber auch weitere, solvente Unternehmen aus der Apothekenbranche wurden bereits kontaktiert.

Im DAZ-Live-Talk skizzierte der Insolvenzrechtler Dr. Rainer Eckert, der zahlreiche Mandanten in diesem Fall vertritt, wie die AvP-Konzerngruppe aufgebaut ist und welche Unternehmenszweige existieren, die zum Teil veräußert werden könnten.

Dass sich die Wettbewerber nun um die Übernahme des klassischen Abrechnungsgeschäftes gewissermaßen schlagen, ist unwahrscheinlich. Das Abrechnungsgeschäft mit den Offizinapotheken liegt durch die Kündigungen der letzten Wochen ohnehin brach – die anderen Rechenzentren freuen sich über mehrere Tausend Neukunden. Doch die weiteren Geschäftsfelder mit Kranken- und Sanitätshäusern sowie sonstigen Gesundheitsdienstleistern könnten für den einen oder anderen Anbieter durchaus lukrativ sein.

ARZ Haan übernimmt Abrechnung von Sanitätshäusern und 35 Mitarbeiter

Für die ARZ Haan AG ergibt sich im Fall AvP ohnehin eine räumliche Nähe. Nun zeichnet sich ab: Die Tochtergesellschaften RZH Rechenzentrum für Heilberufe GmbH und Styra & Partner GmbH wollen die Geschäfte des angeschlagenen Wettbewerbers innerhalb des Segmentes der sonstigen Leistungserbringer übernehmen und damit die Rezeptverarbeitung und -abrechnung weiterführen. Alle Kunden, zu denen vor allem Sanitätshäuser gehören, erhalten hierfür aktualisierte Abrechnungsverträge. Gleichzeitig soll auch ein Teil der AvP-Mitarbeiter – nach Informationen von DAZ.online bis zu 35 – übernommen werden und weiterhin den Kunden als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Innerhalb der ARZ-Gruppe sind die RZH Rechenzentrum für Heilberufe GmbH und Styra & Partner GmbH für sonstige Leistungserbringer und Sanitätshäuser zuständig. Die Betreuung findet von den Standorten Wesel, Oldenburg und Hannover aus statt.

Was ist mit dem Krankenhausgeschäft?

Weitere offizielle Übernahmebekanntmachungen stehen noch aus. Fraglich bleibt, wie sich die anderen apothekereigenen Rechenzentren das „Tafelsilber“ von AvP aufteilen werden. Das weitaus bedeutendere Geschäft mit den Krankenhäusern könnte für das ARZ Haan ebenfalls spannend sein, da sich dadurch eine Erweiterung des Portfolios ergeben würde. Doch auch das ARZ Darmstadt und NARZ/AVN hätten in diesem Segment Nachholbedarf. Marktführer Noventi/VSA ist bereits in der Rezeptabrechnung für Apotheken und Krankenhausapotheken sowie in der Privatabrechnung für Ärzte gut aufgestellt. Ob weitere Übernahmen im Kernsegment unternehmerisch Sinn ergeben oder im Fall von AvP vielleicht sogar ein unkalkulierbares Risiko darstellen, wird sich der Platzhirsch sicher gut überlegen müssen.

Nach einem ganz bestimmten Filetstück aus dem Dunstkreis von AvP werden sich wahrscheinlich nicht wenige Wettbewerber die Finger lecken: Laut Insolvenzrechtler Eckert hält Mathias Wettstein, der bis letzten Freitag Vorstandsvorsitzender der AvP Service AG war, noch eine weitere Firma in Polen. Diese wird zwar nicht der AvP Service AG zugerechnet und kann damit auch nicht in die Insolvenzmasse fallen, doch in dieser Gesellschaft entwickelt und vertreibt Wettstein die Software „Apofakt“, die unter anderem Krankenhausambulanzen in der Abrechnung von Zytostatika unterstützt. Das Programm scheint äußerst erfolgreich und attraktiv in der Branche zu sein. Laut AvP-Homepage sollen mithilfe von „Apofakt“ Zytostatika-Datensätze entweder täglich oder permanent zwischen Warenwirtschaft und den Rechenzentren ausgetauscht werden können. Die Korrektheit der Datensätze wird dabei durch 13 Prüfparameter und einem Hash-Code garantiert. Wettstein müsste die polnische Firma zwar nicht veräußern, würde aber durch den Verkauf der Softwarelizenzen weitere Einnahmequellen für sich persönlich erschließen können.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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