Nachwehen der Coronakrise

Starker Preisanstieg in Indien bei API-Importen aus China

Remagen - 03.07.2020, 10:15 Uhr

Coronakrise in Indien: Ein durchschnittlicher Preisanstieg von 20 Prozent bei chinesischen Wirkstoffen beeinträchtigt die finanzielle Rentabilität vieler Formulierungen. (c / Foto: imago images / ZUMA Wire)

Coronakrise in Indien: Ein durchschnittlicher Preisanstieg von 20 Prozent bei chinesischen Wirkstoffen beeinträchtigt die finanzielle Rentabilität vieler Formulierungen. (c / Foto: imago images / ZUMA Wire)


Im Nachgang zu den Produktionsbehinderungen durch den Ausbruch der Coronavirus-Epidemie sind die Preise für pharmazeutische Wirkstoffe aus dem Reich der Mitte heftig nach oben geklettert. Dies setzt den indischen Pharmasektor unter einen erhöhten Preisdruck, denn dieser ist weiterhin auf die Importe aus China angewiesen.

Zu Beginn der Coronavirus-Epidemie waren mögliche Verknappungen von pharmazeutischen Wirkstoffen (API) und Ausgangstoffen aus China ein großes Thema. Zwischenzeitlich ist es darum wieder etwas ruhiger geworden, nachdem der anfangs weltweit gefürchtete Kahlschlag ausgeblieben ist. Eines der Haupt-Länder, das am Tropf der chinesischen Wirkstoffproduktion hängt und seinerseits ein weltweit bedeutender Lieferant von Generika ist, ist Indien. DAZ.online hatte schon verschiedentlich über die händeringenden Versuche der Inder berichtet, selbst eine ausreichende Produktion auf die Beine zu stellen, aber das dauert. 

Nach fast drei Monaten heftigen Kampfes gegen das Virus scheint die Produktion in China nun zwar wieder angelaufen zu sein, aber die Inder müssen für die Importe erheblich tiefer in die Tasche greifen. Das teilt das indische Pharmaportal „pharmabiz.com“ mit. Hiernach sollen die Preise für aus China importierte Wirkstoffe in Indien von Januar 2020 bis Juni im Durchschnitt um 20 bis 30 Prozent gestiegen sein. Dies könnte sich letzten Endes auch auf die weltweiten Arzneimittelpreise auswirken.

Antiinfektiva erheblich teurer

Die Preise für Antiinfektiva wie Tinidazol, Amoxicillin, Ceftriaxon, Clav-Avicel, Ofloxacin, Clav-Syloid, Clotrimazol, Ciprofloxacin sowie das entzündungshemmende API Dexamethason-Natrium sollen von Januar bis April dieses Jahres um 24 bis 38 Prozent nach oben geschnellt sein. Erythromycinthiocyanat, der Rohstoff für die Herstellung von Erythromycinderivaten wie Azithromycin, Clarithromycin und Roxithromycin, habe sich gegenüber dem Stand vor der Coronakrise um 20 Prozent verteuert. Besonders heftig soll es die vier Wirkstoffe Paracetamol, Ornidazol, Azithromycin und Nimesulid getroffen haben. Deren Preise seien von Januar bis April um 62 bis 189 Prozent gestiegen. Ein Kilogramm Paracetamol kostete im April mehr als eineinhalb Mal so viel wie im Januar. Para-Aminophenol (PAP), das als Schlüsselausgangsmaterial für die Herstellung von Paracetamol verwendet wird, habe sich ebenfalls um 27 Prozent verteuert. 

Paracetamol: Angebotsverknappung und steigende Nachfrage

„Die Nachfrage nach Schmerzmitteln und Fiebersenker Paracetamol ist seit dem Ausbruch des Coronavirus weltweit gestiegen“, erklärt der Geschäftsführer der Indian Drug Manufacturers' Association (IDMA) Ashok Kumar Madan gegenüber „pharmabiz.com“. „Die Angebotsverknappung in Verbindung mit einer steigenden Nachfrage hat einen starken Preisanstieg bei Paracetamol und seinem wichtigsten Ausgangsmaterial para-Aminophenol (PAP) ausgelöst.“ Indische Arzneimittelhersteller verließen sich bei der Lieferung von Para-Aminophenol stark auf China, berichtet Madan weiter. Es gebe zwar einige PAP-Hersteller im Land, aber diese seien aufgrund von Kapazitätsengpässen kaum in der Lage, die Nachfrage der Arzneimittelhersteller zu befriedigen. 

Stark gestiegene Herstellungs-und Logistikkosten

Der Generalsekretär der Indian Pharmaceutical Alliance Sudarshan Jain führt den Anstieg der API-Preise auf eine Reihe von Faktoren zurück, wie zum Beispiel höhere Herstellungskosten in den chinesischen Fabriken aufgrund der Umsetzung von Hygienekonzepten und Sicherheitsmaßnahmen für die Mitarbeiter. Außerdem sei das API-Angebot relativ gering, da einige Produktionseinheiten durch den Mangel an Arbeitskräften und Rohstoffen nach wie vor keine volle Kapazität führen. Als weiteren Faktor nennt Jain den Anstieg der Logistikkosten. 

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Die Luftfrachtkosten seien wegen der COVID-19-Pandemie von zwei auf fünf bis sechs US-Dollar pro Kilogramm gestiegen. Die Ausgaben für den Versand eines Containers von China nach Indien hätten sich im Schnitt von 750 auf 1.200 bis 1.300 US-Dollar verteuert. „Ein durchschnittlicher Preisanstieg von 20 Prozent bei chinesischen Wirkstoffen beeinträchtigt die finanzielle Rentabilität vieler Formulierungen“, stellt Jain abschließend fest. Das sollte die Abnehmer von Fertigarzneimitteln aus indischer Provenienz schon jetzt aufhorchen lassen.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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