Analyse zur Ausbreitung

Österreichs erste Corona-Welle unter der epidemiologischen Lupe

Düsseldorf - 15.05.2020, 10:15 Uhr

Wegen des Coronavirus gab es in Österreich eine strikte Ausgangssperre. Nun liegt eine erste Analyse über die Ausbreitung des Virus im Land vor. (x/Foto: imago images / viennaslide)

Wegen des Coronavirus gab es in Österreich eine strikte Ausgangssperre. Nun liegt eine erste Analyse über die Ausbreitung des Virus im Land vor. (x/Foto: imago images / viennaslide)


Erster Fall kam laut der Forscher aus Italien zurück

Innerhalb der 14 Tage vor der Erkrankung war derjenige in Mailand in der Region Lombardei in Italien gewesen. „Fall Eins ist per definitionem ein importierter Fall, von dem eine lokale Transmissionskette ausgeht“, schreiben die Wissenschaftler. „Der Primärfall im Cluster A kam mit Symptomen einer Verkühlung aus Italien zurück. Vier Tage nach der Rückkehr wurde er getestet, das Ergebnis lag binnen 24 Stunden vor: SARS-CoV-2-positiv. Der Betroffene kam in Quarantäne. In diesen vier Tagen hatte dieser Primärfall allerdings soziale Kontakte gehabt. Die Kontaktpersonen wurden ebenfalls getestet. Es zeigte sich, dass einige von ihnen ebenfalls positiv waren (Folgegeneration) und wiederum andere Personen infiziert hatten (Folgegeneration) usw. bis hin zur 6. Folgegeneration“, heißt es im Bericht der Forscher. Insgesamt ermittelten sie in diesem Cluster A 61 Fälle in sechs aufeinander folgenden Ansteckungs-Generationen. Der letzte Fall des Clusters entwickelte Symptome am 14. März.

Dieser nach Aussage der AGES erste Fall in Österreich gehört damit in den Typ „Reise-assoziierter, lokaler Cluster“. Die weiteren vier Cluster Typen sind: „Reisegruppen-Häufung und lokale Verbreitung“, „Reisegruppen-Häufung“, „Kontakt zu einem ausländischen Touristen und lokale Verbreitung“ und „Lokale Häufung“.

„Freizeit und Haushalt“ als Hauptverbreitungsorte

In der Kalenderwoche acht der Jahres 2020, also um den 23. Februar herum, waren die ersten Fälle damit mit Reisegeschehen verbunden. Bis zur Kalenderwoche zwölf, in der Österreich die Grenzen abriegelte, gab es 42 der 194 ermittelten Cluster, die in die Bereiche Reise-assoziierte, Reisegruppe-gehäufte oder Kontakt mit einem Touristen fallen. 152 Cluster sind jedoch reine lokale Häufungen – das heißt, das Virus kam aus dem Ausland und verbreitete sich dann im Land.

Die Forscher untersuchten daraufhin noch einmal genauer sogenannte Cluster-Settings, brachen die „Lokale Häufung“ somit herab auf elf Settings wie „Freizeitaktivitäten“, „Arbeitsplatz“, „Haushalt“, „Krankenhaus“, „Alten- und Pflegeheime“ sowie die Mischungen dieser Settings. Dabei fanden die AGES-Forscher 26,9 Prozent aller Cluster-Fälle im Mix-Bereich „Freizeit und Haushalt“ und 26,7 Prozent in „Alten- und Pflegeheimen“. Die Forscher erhoben bei ihren Befragungen auch, welche Freizeitaktivitäten der „Auslöser“ der Ansteckungen waren.

Auf Grundlage ihrer Daten stellten die Forscher dann folgende konkrete Schlussfolgerungen auf:

  • Infizierte sind oft bereits kontagiös. Das heißt, sie können das Virus übertragen, bevor sie Symptome entwickeln.
  • Die Übertragung von einem Infizierten auf einen empfänglichen Menschen erfolgt meist binnen weniger Tage (drei bis fünf Tage, serielles Intervall). Dieses kurze Zeitintervall macht die Kontaktpersonen-Erhebung zu einem Wettlauf mit der Zeit.
  • Eine Übertragung erfolgt, wenn mehrere Menschen für längere Zeit (kumulativ 15 Minuten, zum Beispiel 1 x 15 Minuten oder 3 x 5 Minuten) in einem engen Kontakt am selben Ort sind.
  • Bisher abgeklärte Fallhäufungen konnten auf Verbreitungen in Settings wie Gruppensport, gemeinsames Singen, Seminare, Tanzkurse, Begräbnisse und Après-Ski zurückgeführt werden.
  • Quarantänemaßnahmen und Barrieren zeigen Wirkung: Rechtzeitig erkannt, endet die Übertragung.
  • Unter den abgeklärten Clustern lassen sich keine Fallhäufungen zurückführen auf den Besuch von Geschäftslokalen oder die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln.

Übertragungsketten wurden mit Fortschreiten der Epidemie kürzer

Ferner seien mit fortschreitender Epidemie die Transmissionsketten kürzer geworden. „Das Bewusstsein innerhalb der Bevölkerung über Symptome und Risikogebiete wächst, dadurch nehmen die Menschen bei Verdacht schneller Kontakt mit Ärzten und Gesundheitsbehörden auf. In der Folge können Containment-Maßnahmen wie zum Beispiel Quarantäne, Abstandsregeln, mechanische Barrieren schneller umgesetzt werden - die Transmissionskette wird unterbrochen“, schreiben die Forscher.

Auch wenn das Gesamtgeschehen in Deutschland sich insgesamt in einem etwa zehnfach so großen Maßstab bewegt mit 83,02 Millionen Einwohnern, aktuell Stand 13. Mai 2020 laut Robert-Koch-Institut 171.306 Fällen, 7.634 Verstorbenen und 144.000 Genesenen, lassen sich die grundlegenden Schlussfolgerungen möglicherweise auch hier für das weitere Infektionsgeschehen anwenden. Das dürfte insbesondere für die jetzt angekündigte Wiederöffnung der Grenzen und die Lockerungen der Beschränkungen des öffentlichen Lebens gelten.

Schließlich konnten die österreichischen Epidemiologen zeigen, dass mit Schließen der Grenzen und dem Einstellen touristischer und anderer Reiseaktivitäten keine „importierten Fälle“ mehr auftraten und dass durch die Einschränkungen des öffentlichen Lebens seit 10. März die Zahl der Neuansteckungen zurückging.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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