Lieferengpässe und ihre Ursachen

AOK wirft Industrie und Apothekern „Desinformationskampagne“ vor

Berlin - 05.12.2019, 17:45 Uhr

AOK-Chef Dr. Christopher Hermann fordert mehr Transparenz – vor allem von der Industrie. ( r / Foto: AOK-Bundesverband) 

AOK-Chef Dr. Christopher Hermann fordert mehr Transparenz – vor allem von der Industrie. ( r / Foto: AOK-Bundesverband) 


Industrieverbände halten dagegen

Die Reaktion aus der Industrie auf die „AOK-Fakten“ ließ nicht lange auf sich warten. So erklärte Dr. Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH): Die aktuellen Lieferengpässe insbesondere im Generika-Bereich seien Fakt und Apotheker würden diese wohl auch kaum als „marginal“ bezeichnen. „Rabattverträge haben sehr wohl einen Anteil an Engpässen, weil diese letztendlich zu weniger Marktteilnehmern führen. Es ist eine wirtschaftliche Logik, dass sich bei den Rabattvertragsausschreibungen mit jeweils einem Exklusivpartner der Anbietermarkt verengen kann, weil unterlegene Bieter nicht mehr zum Zuge kommen und de facto die Arzneimittel nicht mehr aktiv anbieten können.“  

Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der pharmazeutischen Industrie (BPI), räumt ein, dass Lieferengpässe zwar viele, auch global bedingte Ursachen hätten. „Die Rabattverträge sind aber für die Arzneimittelversorgung in Deutschland ein zentrales Problem, das auch noch politisch hausgemacht ist“. Dies sei „breiter Konsens im Gesundheitswesen“ und werde von der AOK einfach ignoriert. Mehr als jedes vierte nicht-lieferfähige Produkt stehe unter Rabattvertrag, so Joachimsen. Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut (DAPI) habe für 2018 insgesamt 9,3 Millionen Packungen rabattvertragsgeregelter Produkte, die nicht verfügbar gewesen seien. Auch sein Kernpunkt ist die Marktkonzentration durch die Exklusivverträge. „Die Stärkung der Anbietervielfalt würde Lieferengpässe in Zukunft zwar nicht völlig ausschließen, wäre aber ein ganz wichtiger Beitrag zur Liefersicherheit im deutschen Markt.“



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

AOK-Bundesverband wirft Apothekern und Pharmaindustrie „Desinformation“ vor

AOK: „Aufgebauschte Kampagne“ gegen Rabattverträge

AOK-Chef Martin Litsch zu Lieferengpässen

„Das Modell Exklusivvertrag hat sich einfach bewährt“

Vorschläge für Reformen und kurzfristige Einsparungen / AOK-Chef Litsch: Erleichterte Abgaberegeln für Arzneimittel nicht nötig

AOK fordert faire Preise für neue Arzneimittel

Interview Helmut Schröder (WIdO, AOK-Bundesverband)

„Es gibt nur wenige Arzneimittel, die nicht lieferfähig sind“

Pro Generika-Chef Bretthauer über Rabattverträge

„Die AOK verstößt gegen die geübte wissenschaftliche Praxis“

9 Kommentare

Kein Ersatz mehr lieferbar... Schwanger und dem System ausgesetzt!

von Caro am 21.01.2020 um 12:51 Uhr

Von wegen es gibt ausreichend Ersatz. Ich bin schwanger und auf Blutdrucktabletten angewiesen. In der Schwangerschaft kann ich nur methyldopa einnehmen, da das Produkt von Stada schon Monate nicht mehr lieferbar ist wurde mir Ersatz von anderen Firmen verschrieben. Doch Seit heute sind auch diese nicht mehr lieferbar. Was soll ich als Schwangere nun machen. Es ist eine bodenlose Frechheit so mit unserer Gesundheit zu spielen. Ich habe jetzt noch eine Schachtel für 14 Tage und danach ist Schluss. In welchem Zeitalter leben wir bitte, dass wir Krankheiten ausgesetzt werden und das Leben unserer ungeborenen Kinder aufs Spiel gesetzt wird.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Ene mene Muh, und raus bist Du...

von Hummelmann am 09.12.2019 um 19:59 Uhr

Zitat von AOK-Chef Dr. Christopher Herrmann aus dem Artikel: "Die Industrie wisse sie am besten Bescheid, wo ihre Produkte seien – meist dort „wo man den größten Reibach“ machen kann."

Interessanter Umkehrschluss: Wenn die Artikel nicht in den Deutschen Apotheken landen, kann die Industrie hier bei uns mit dem Verkauf von Generika offensichtlich KEINEN Reibach mehr machen.

Das erklärt natürlich, warum die Originale (Blopress, Trevilor, Karvea etc.) lieferbar sind, die Generika dagegen nicht. Aber weshalb haben dann laut AOK-Chef Festbeträge und Rabattverträge keinen Einfluss auf die präkere Liefersituation? Das versteht er offensichtlich selber nicht.

Für mich gibt es nur zwei Möglichkeiten:
A) Die Krankenkassen-Chefs wissen es besser und sagen Ihren Kassen-Mitgliedern absichtlich nicht die Wahrheit.
B) Sie wissen es tatsächlich nicht besser. Was mich auch nicht überraschen würde. Denn wer zur Analyse eines aktuellen Geschehens die Statistik aus dem Vorjahr zu Rate zieht, hat das Problem ganz offensichtlich noch nicht begriffen.

Das kommt mir vor, als würden wir bei der Feuerwehr anrufen und bekommen am Telefon die Auskunft: "Kann gar nicht sein, dass es bei Ihnen brennt. Laut Versicherungsstatistik hat es bei Ihnen in den letzten 20 Jahren nicht mehr gebrannt."

So oder so disqualifizieren sich die Krankenkassen-Chefs selbst. Die Politik muss einsehen, dass man eine Problemlösung nicht im Gespräch mit Ignoranten finden kann.


» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Ene mene Muh, und raus bist Du

von Günter Felbermeier am 10.12.2019 um 22:15 Uhr

Welches Arzneimittel haben Sie vor/während der Konzipierung Ihres Artikel eingenommen? Ist es zur Zeit noch liefertbar?

Lieferengpässe

von M.Küppers am 06.12.2019 um 18:57 Uhr

Doch die Rabattverträge sind leider die Ursache, weil sie die Industrie zwingen im Ausland zu produzieren um die günstigsten Preise machen zu können. Und wenn dort dann Verunreinigungen auftauchen oder ein Produktionsausfall ist, dann führt das eben zu Lieferengpässen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Lieferengpass

von Sigle am 06.12.2019 um 17:52 Uhr

Bin selbst betroffen .
Mein Venlafaxin ist nicht mehr Lieferbar.
Warum wird so vieles ins Ausland verlagert?
Für jeden Kranken eine Zumutung was da ab geht.
Es dreht sich alles nur noch um den provit,der Mensch selbst spielt keine Rolle mehr.
Ich sage nur ARMES DEUTSCHLAND was ist aus dir geworden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

AOK Fakten

von Heiko Zimny am 06.12.2019 um 7:38 Uhr

Wenn 60 bis 80% der Versicherten "ihr" Rabattarzneimittel bekommen ist das super?!?!
Schon mal etwas von Adherence gehört? Ich empfehle den Herren hier mal die einschlägige Literatur zu diesem Thema. Aber bitte in der Betrachtung die Folgekosten von Non-Adherence nicht vergessen, da es doch immer nur ums Geld zu gehen scheint.
Wie gut es mit den "Fakten" der Krankenkassen bestellt ist, macht eine jüngst getätigte Aussage klar:
"Die Lieferengpässe machen in den Apotheken keine Mehrarbeit. Die Apotheker müssen bei der Bestellung nur auf das Knöpfen drücken und dann kommt das gewünschte (Alternativ-)Arzneimittel. "
Erinnern sie sich Herr Herrmann? Eines kann ich Ihnen verraten: Realitätsverlust ist nicht gleich zu setzen mit allwissender FAKTEN-Kompetenz, die sie so gerne für sich beanspruchen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: AOK Fakten

von Anita Peter am 06.12.2019 um 8:52 Uhr

Mich würde mal eine Umfrage bei Ü80 Patienten inetressieren, die aufgrund einer Umstellung ihres Rabatt RX ihre Medis doppelt oder gar nicht mehr genommen haben.

Europaweite Krankenversicherungen statt AOK-Gesundheitspolitik ...

von Christian Timme am 06.12.2019 um 4:35 Uhr

AllesOK oder schon ver(un)sichert? ... Disruption erreicht AOK ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Mimimimimi

von Reinhard Rokitta am 05.12.2019 um 18:22 Uhr

Wenn man als Krankenkasse nicht zu den Fachkreisen gehört, kann das einen schon ärgern...
https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelzulassung/Arzneimittelinformationen/Lieferengpaesse/jourfixe/_node.html

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.