Screening auf vancomycinresistente Enterokokken

Reinigung vor Screening – erst einmal besser putzen?

Stuttgart - 16.10.2019, 09:00 Uhr

Wer nach VRE sucht, findet sie. Doch was ist die Konsequenz? Eine Patientenisolierung ist aufwendig und eine detektierte VRE-Besiedlung bedeutet noch lange keine klinische Infektion. Viel Potenzial schlummert in der Reinigung allerdings. ( r / Foto: somchai20162516 / stock.adobe.com)

Wer nach VRE sucht, findet sie. Doch was ist die Konsequenz? Eine Patientenisolierung ist aufwendig und eine detektierte VRE-Besiedlung bedeutet noch lange keine klinische Infektion. Viel Potenzial schlummert in der Reinigung allerdings. ( r / Foto: somchai20162516 / stock.adobe.com)


Wie sinnvoll ist ein Screening auf vancomycinresistente Enterokokken? Screenings sind aufwendig, teuer, nicht immer zuverlässig und haben bei positivem VRE-Ergebnis Konsequenzen –beispielsweise die Isolierung von Patienten. Ist man bereit, diese Folgen zu tragen? Ein weiteres Problem: Eine VRE-Kolonisation bedeutet längst keine VRE-Infektion – dieser „Übergang“ findet selten statt. Was aber häufig passiert: die Übertragung von VRE über Oberflächen. Gerade an der Reinigung hapert es jedoch. Erstmals besser putzen also?

„Wissen darf nicht schaden“, findet Professor Dr. med. Markus Dettenkofer, Chefarzt des Institutes für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention vom Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz. Getätigt hat der Mediziner diese Aussage jüngst beim Freiburger Infektiologie- und Hygienekongress. Was meint er damit?

Es geht um Screenings im Krankenhaus, im speziellen Fall auf vancomycinresistente Enterokokken (VRE). Screenings verfolgen das klare und ambitionierte Ziel: Die Versorgung von Patienten soll besser werden. Allerdings sind Screenings nur dann sinnvoll, wenn man aus dem Ergebnis dann auch die Konsequenzen zieht und diese umsetzt.

Wenn man das Screening-Ergebnis scheut ...

So meint auch Dettenkofer, wenn ein angeordnetes Screening letztlich dazu führe, dass man ein positives VRE-Testergebnis scheut „und dieses schon gar nicht mehr wissen will“, weil man die Konsequenzen – beispielsweise die Isolierung des Patienten – vermeiden will, sei das der falsche Umgang mit dem durch ein Screening gewonnene Wissen. Warum aber will man eine Patientenisolierung vermeiden? Das hat vornehmlich zwei Gründe.

Isolierte Patienten schlechter versorgt

Durch eine Isolierung des Patienten wird seine Versorgung aufwendiger. Und auch für den Patienten bedeute Isolierung eine „erhebliche Belastung“, so der Mediziner. Zudem wisse man mittlerweile, „dass isolierte Patienten medizinisch schlechter versorgt sind“, erklärt Dettenkofer. Man müsse allerdings auch mit diesen Patienten „gut arbeiten", eine VRE-Besiedlung sei schließlich keine Ebola oder Pest. Ein positives Screening-Ergebnis dürfe folglich nicht dazu führen, dass die Versorgung des Patienten am Ende leidet. Wie sinnvoll ist also solch ein VRE-Screening – vor allem vor dem Hintergrund, dass eine dadurch entdeckte Kontamination oder Kolonisation ja noch lange keine Infektion bedeutet?

Infektionskontrolle statt Erregerkontrolle

Nur in seltenen Fällen komme es tatsächlich zu nosokomialen VRE-Infektionen und meist beobachte man diese dann nur in Risikobereichen des Krankenhauses. Klar sei: „Wenn man nach VRE sucht, findet man sie“. Nach Ansicht des Mediziners geht es allerdings eher darum, „eine Infektions- und keine Erregerkontrolle zu machen“. 

Frankreich hingegen verfolgt seit einigen Jahren eine relativ strenge Strategie der Erregerkontrolle nach dem Prinzip „search and eliminate", und das wohl auch recht erfolgreich, wenn auch aufwendig. Gerade bei VRE wird der Nutzen von Screenings allerdings auch in der Fachwelt kontrovers diskutiert – verringern sie durch sodann ergriffene geeignete Maßnahmen die Weiterverbreitung von VRE im Krankenhaus? Oder sind sie den Aufwand und Kosten nicht wert?

„Ohne Basishygiene, keine Isolierung“

Wenig Sinn ergibt nach Ansicht des Mediziners jedoch der Eskalationsschritt eines VRE-Screnings und einer potenziellen Patientenisolierung, so lange noch nicht einmal die „Basics“ – eine solide Basishygiene – konsequent umgesetzt sind: „Ohne Basishygiene, keine Isolierung“.

Wie sinnvoll ist also ein aufwendiges Screening, wenn die Konsequenzen bei positiven Befunden ungern getragen werden und wenn noch nicht einmal niederschwellige Hygienemaßnahmen, wie Basishygiene und Reinigung, maximal sorgfältig ausgereizt sind?

Reinigung: Sparbüchse des Krankenhauses

Genau an der Basishygiene scheint es durchaus mancherorts zu hapern. Das zeigte auch die sich anschließenden Diskussion beim Freiburger Infektiologie- und Hygienekongress. So werde eine Basishygiene – Handschuhe, Händedesinfektion, Flächendesinfektion, persönliche Schutzausrüstung, Aufbereitung von Medizinprodukten – nicht immer auch als „Basis“ verstanden und sodann selbstverständlich umgesetzt. Daneben stellt die Reinigung offenbar eine Hygienelücke dar, was bei einem „perfekt über Oberflächen übertragenen Mikroorganismen“ wie VRE durchaus kritisch ist. Die Diskrepanz: „Jeder weiß, wie wichtig eine gute Reinigung ist, doch sie ist auch die Sparbüchse des Krankenhauses“, so die Beobachtung des Auditoriums in Freiburg.

VRE-Übertragung durch Krankenzimmer

Welche Tragweite eine vernachlässigte Reinigung der Krankenzimmer bei VRE-Trägern hat, belegt die KRINKO (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut) in ihren Empfehlungen zu „Hygienemaßnahmen zur Prävention der Infektion durch Enterokokken mit speziellen Antibiotikaresistenzen“. Erst im letzten Jahr 2018 wurde die Leitlinie veröffentlicht: „Die Bedeutung der Umgebungskontamination zeigt sich auch darin, dass sich nach Neuaufnahme in Patientenzimmer, die zuvor mit Trägern von VRE belegt waren, ein erhöhtes Risiko für den Erwerb von VRE ergab“, erklärt die KRINKO. Denn Enterokokken fühlen sich offenbar nicht nur im Gastrointestinaltrakt von Patienten wohl, sondern kolonisieren auch dessen Umfeld, und zwar das belebte und das unbelebte.

VRE sind hartnäckig

„Vancomycin-resistente Enterokokken sind perfekt über Oberflächen übertragbare Mikroorganismen“, erklärt Dettenkofer. Die KRINKO bestätigt diese Aussage: „Enterokokken können direkt oder indirekt über die Hände des Personals, aber auch direkt durch Patienten und ebenso über kontaminierte Oberflächen übertragen werden.“ Untersuchungen von VRE-besiedelten Patienten hätten gezeigt, dass der Anteil von Kontaktpatienten, die besiedelt werden, hoch ist und zwischen 3 und 10 Prozent liegt.

Als „Enterokokken-Reservoir“ hat die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention die patientennahe Umgebung (Bettenholm, Telefon, Nachttisch, Lichtschalter und PC-Display) identifiziert, aber auch Gegenstände (wie Thermometer, Handschuhe, Toiletten), Griffkontaktflächen (wie Türklinken, Wasserhahn) und den Fußboden. Diese Umgebungsreservoirs seien wiederholt als Quelle für Ausbrüche nosokomialer Enterokokken-Infektionen nachgewiesen worden. Gemütlich brauchen es die Keime wohl nicht: „Enterokokken und VRE können lange überleben, auch unter widrigen Bedingungen, sie dienen sogar als Testorganismen bei Aufbereitungsprozessen“, erklärt auch Dettenkofer.

VRE: Hände- und Flächendesinfektion lohnt sich

Dass mit sorgfältiger Hygiene bereits viel erreicht werden kann, zeigte eine Übersichtsarbeit – „Kontrolle von Vancomycin-resistenten Enterokokken im Krankenhaus, Epidemiologischer Hintergrund und klinische Relevanz“ – im Ärzteblatt 2013: „Die Unterbrechung von Infektionsketten ist durch eine konsequente und verbesserte Standardhygiene (Händedesinfektion, Flächendesinfektion) zu erreichen“, heißt es dort. Bei Risikopatienten bestehe ein erhöhtes Infektionsrisiko durch VRE und in bestimmten klinischen Situationen sei es zum optimalen Schutz vor Infektionen daher notwendig, verschärfte Hygienemaßnahmen (Kontaktisolierung) zwingend einzuhalten.

VRE reduziert durch sorgfältige Reinigung

Auch eine jüngst in Australien durchgeführte Studie hebt den Nutzen einer sorgfältigen Hygiene bei VRE hervor. In der im Lancet im April 2019 veröffentlichten REACH-Studie – An environmental cleaning bundle and health-care-associated infections in hospitals (REACH): a multicentre, randomised trial – wurde multizentrisch, randomisiert in elf Akutkrankenhäusern in Australien die Wirksamkeit eines „Reinigungsbündels" untersucht. Die Interventionszeiten variierten zwischen 20 und 50 Wochen.

Bei dem „REACH-Reinigungspaket" handelte es sich um eine multimodale Intervention, die sich auf Mitarbeiterschulungen, Audits, eine optimierte Produktanwendung/Technik und bessere Kommunikation in der Routinereinigung konzentrierte. Die primären Ergebnisse waren Inzidenzen von Staphylococcus aureus-Bakteriämien, Clostridioides difficile-Infektionen und vancomycinresistente Enterokokkeninfektion. Die Reinigungsmaßnahmen waren durchaus erfolgreich: Durch Umsetzung des REACH-Reinigungsbündels wurden die vancomycinresistenten Enterokokken-Infektionen von 0,35 auf 0,22 pro 10.000 besetzten Bettentagen reduziert. So lautete auch das Fazit der Wissenschaftler: „Das REACH-Reinigungsbündel war erfolgreich bei der Verbesserung der Reinigungsgründlichkeit und zeigte großes Potenzial bei der Reduzierung Vancomycin-resistenter Enterokokkeninfektionen“, so die Wissenschaftler. Sie gehen davon aus, dass ihre Arbeit die „Reinigungspolitik und -praxis des Krankenhauses beeinflussen“ wird und auch betont, wie wichtig es ist, in Routine- und Entlassungsreinigung zu investieren.

Auch Dettenkofer ist der Ansicht, dass man „VRE sehr gut mit einer sehr guten Händehygiene reduzieren“ kann. Zudem habe die australische Studie gezeigt dass es sich „bei VRE lohnt, in die Reinigung und Flächendesinfektion zu investieren.“



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Multiresistente Keime im Krankemhaus

von Naturtalent am 07.11.2019 um 21:18 Uhr

Solange in den Krankenhäusern an der Reinigung durch den Einsatz von Subunternehmen gespart wird , die den Reinigungskräften zeitlich äusserst enge Zeitvorgaben setzen, z.B. in nur wenigen Minuten ein Krankenzimmer reinigen, wird es wohl weiterhin an der Hygiene mangeln und das Problem, bes. In den Krankenhäusern weiter zunehmen. Es wird, wie so oft im Gesundheitssystem, am verkehrten Ende gespart. So wäre es vielleicht auch zielführend bei kostenintensiven High-tech-Untersuchungen und vermeidbaren OP,s zu sparen. Allerdings hätten ja davon nur die Krankenkassen bzw. ihre Versicherten einen Vorteil und nicht die medizinischen Dienstleister. Dagegen werden persönliche Zuwendung und einfache u.U. zeit- und arbeitsintensive medizinische Massnahmen, z.B. auch erweiterte Blutuntersuchungsdiagnostik, von den Krankenkassen nicht genügend honoriert. Da liesse sich so manche Krankheit im Frühstadium feststellen und auffangen. Ist man dann schon halbtot geht,s in die aufwendigeren Massnahmen wie Dialyse, Herzkatheter, Schrittmacher, Gelenk-Op,s und Krebs und natürljch jede Menve Medikamente, die dann leider weitere Gesundheitsstörungen provozieren.Da wäre der Einsatz der Naturmedizin und der Homöopathie ein Weg vieles vorher abzufangen. Solange jedoch Ärzte darüber weder in der Ausbildung noch durch Fortbildungen ausreichend Kenntnisse und Erfahrung erlangen können ist der Weg der sanften Medizin leider versperrt. Deshalb wird es dann ja auch richtig und zunehmend teuer. Also der Fehler liegt wohl im System.

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