Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz

„Krank statt schlank“: Russische Schlankheitsmittel aus dem Internet

Stuttgart - 06.09.2019, 17:30 Uhr

Diese Kapseln wurden vom Zoll beschlagnahmt. Sie sollen mit „natürlichen Zutaten“ schlank machen, enthalten aber Wirkstoffe, die Patienten gefährden: Sibutramin und Phenolphthalein. (Foto: LUA Rheinland-Pfalz)

Diese Kapseln wurden vom Zoll beschlagnahmt. Sie sollen mit „natürlichen Zutaten“ schlank machen, enthalten aber Wirkstoffe, die Patienten gefährden: Sibutramin und Phenolphthalein. (Foto: LUA Rheinland-Pfalz)


Das Landesuntersuchungsamt (LUA) Rheinland-Pfalz warnt vor den Schlankheitsmitteln „Perfect Weight Loss“ (Идеальное похудение) und „Weight Loss Life“ (Жизнь Похудения). Sie werden im Internet angeboten und richten sich an russischsprachige Käuferinnen und Käufer. Beide Produkte enthalten die nicht deklarierten gesundheitsschädlichen Wirkstoffe Sibutramin und Phenolphthalein.

Sibutraminhaltige Produkte sind nicht zugelassene Arzneimittel, die in Deutschland nicht verkauft werden dürfen. Wer damit handelt, macht sich strafbar, schreibt das Landesuntersuchungsamt (LUA) Rheinland-Pfalz auf seiner Internetseite. Und auch Präparate, die Phenolphthalein enthalten sind „rechtlich gesehen nicht zugelassene Medikamente, die in Deutschland so nicht verkauft werden dürfen“, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung des LUA. Wer mit „Schlankheitskapseln“, die diese Wirkstoffe enthalten, handelt, dem drohen eine Freiheits- oder Geldstrafe.

Neu ist das nicht, immer wieder hat das LUA in der Vergangenheit vor entsprechenden Präparaten gewarnt und muss nun erneut zur Vorsicht aufrufen.

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Es geht um die Schlankheitsmittel „Perfect Weight Loss“ (Идеальное похудение) und „Weight Loss Life“ (Жизнь Похудения). Sie werden im Internet angeboten und richten sich an russischsprachige Käuferinnen und Käufer. Beide Produkte enthalten – nicht deklariert – die gesundheitsschädlichen Wirkstoffe Sibutramin und Phenolphthalein: „Die Angaben auf den vom Zoll beschlagnahmten Verpackungen täuschen arglose Käufer über den wahren Inhalt hinweg: Aufgelistet werden nur natürliche Zutaten, einen Hinweis auf hochwirksame Arzneiwirkstoffe mit potenziellen Nebenwirkungen gibt es nicht“, schreibt das LUA. 

Warum Sibutramin und Phenolphthalein in Schlankheitsmitteln enthalten und gefährlich sind

Immer wieder scheint das Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz bei Schlankheitsmitteln aus dem Netz fündig zu werden. Eine Übersicht aller Mittel, in denen das LUA in den vergangenen Jahren gefährliche Wirkstoffe nachgewiesen hat, gibt es auf http://s.rlp.de/aGF. Insgesamt 26 Bilder vermeintlich harmloser Schlankheitsmittel kann man dort einsehen. Das LUA schreibt „wechselnde Namen, gleiche Gefahr“ und rät dringend davon ab, Mittel zum Abnehmen im Internet zu bestellen oder von Privatpersonen zu kaufen: „Sie sind im besten Fall einfach nur wirkungslos, im schlimmsten Fall sogar gesundheitsschädlich.“ Vor allem der Wirkstoff Sibutramin tauche immer wieder – nicht deklariert – in den Präparten auf. 

Bis Anfang des Jahres 2010 war Sibutramin in Europa als Mittel gegen Adipositas (Fettleibigkeit) unter ärztlicher Aufsicht sogar zugelassen. Seitdem ruht die Zulassung aber. Auch die DAZ berichtete darüber: Die SCOUT-Studie, deren vorläufige Ergebnisse im Oktober 2009 bekannt wurden, zeigte keinen erkennbaren medizinischen Nutzen des Appetitzüglers, aber ein potenzielles Risiko für Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen. Als Konsequenz wurden alle Sibutramin-haltigen Arzneimittel europaweit vom Markt genommen. Zuletzt wurde das Ruhen der Zulassung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte am 29. September 2017 bis zum 30. September 2019 verlängert. 

Sibutramin wirkt als Serotonin/Noradrenalin-Reuptake-Inhibitor. Wie in der DAZ 36/2010 zu lesen war, wurde es 1999 in Deutschland zugelassen, obwohl erhebliche Nebenwirkungen bekannt waren. Nach zwei Todesfällen wurden sibutraminhaltige Arzneimittel in Italien bereits im Jahr 2002 vom Markt genommen. In der SCOUT-Studie, die 2002 begonnen wurde, sollte dann die kardiovaskuläre Sicherheit und der potenzielle Nutzen einer Langzeiteinnahme untersucht werden. Das Ruhen der Zulassung war ab 2010 die Folge. Wie das LUA schreibt, drohen bei gleichzeitiger Einnahme von Psychopharmaka zudem gefährliche Wechselwirkungen. Todesfälle seien bekannt.

Phenolphthalein in Schokolade

Auch Phenolphthalein weisen die Fachleute des LUA immer wieder in Schlankheitsmitteln nach. Pharmazeuten der jüngeren Generation könnten sich wundern warum – sie kennen Phenolphthalein wahrscheinlich nur als Indikator. Phenolphthalein ist aber auch die obsolete Leitsubstanz der Diphenolderivate Bisacodyl und Natriumpicosulfat. Es wirkt also abführend und soll dadurch schnellen Gewichtsverlust „vorgaukeln“. Phenolphthalein war früher aber tatsächlich auch als Wirkstoff in Abführmitteln enthalten, beispielsweise in der Abführschokolade mit dem Namen Darmol, die 1905 von einem Apotheker aus Wien auf den Markt gebracht wurde. 

1997 kam dann allerdings der Verdacht auf, dass Phenolphthalein krebserregend sein könnte. In Deutschland wird Phenolphthalein in zugelassenen Arzneimitteln deshalb nicht mehr verwendet. Unabhängig vom Krebsverdacht hat es aber auch sonst ein breites Spektrum an Nebenwirkungen.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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