Arzneimittel und Therapie

Sibutramin-Vermarktung wird europaweit ausgesetzt

Ende November 2009 hatte die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA vorläufige Ergebnisse einer Sibutramin-Studie zum Anlass genommen, auf ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko unter diesem Appetitzügler hinzuweisen. Inzwischen hat der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA die Datenlage bewertet und das Ruhen der Zulassung für die europäischen Mitgliedstaaten empfohlen. Als Konsequenz daraus werden nun europaweit alle Sibutramin-haltigen Arzneimittel vom Markt genommen.

Sibutramin ist ein Serotonin/Noradrenalin-Reuptake-Inhibitor. Er wird eingesetzt zur unterstützenden Behandlung im Rahmen eines Gewichtsmanagements bei ernährungsbedingter Adipositas oder bei ernährungsbedingtem Übergewicht, wenn adipositasbedingte Risikofaktoren wie Diabetes mellitus Typ II oder Dyslipidämie vorliegen.

FDA-Warnung

Ende November hatte schon die FDA vor dem Hintergrund der vorläufigen Ergebnisse einer Studie (SCOUT-Studie, Sibutramine Cardiovascular Morbidity/Mortality Outcomes in Overweight or Obese Subjects at Risk of a Cardiovascular Event) auf das potenzielle kardiovaskuläre Risiko unter Sibutramin-Behandlung hingewiesen. Eigentlich sollte die SCOUT-Studie zeigen, dass eine Gewichtsreduktion mithilfe von Sibutramin das kardiovaskuläre Risiko senkt. Anders als erwartet wurde jedoch ein erhöhtes Risiko festgestellt.

An der SCOUT-Studie nahmen etwa 10.000 übergewichtige oder adipöse Patienten teil, die entweder an einer Herzerkrankung oder einem Typ-2-Diabetes plus einem zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktor litten. Sie waren über 55 Jahre alt. Den vorläufigen Daten zufolge traten nach Sibutraminbehandlung bei 11,4% der Patienten kardiovaskuläre Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall, Wiederbelebung nach Herzstillstand oder Tod) auf, unter Placebo waren 10% der Patienten betroffen.

Behandlung trotz Kontraindikationen

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte in einer Meldung vom 18. Dezember 2009 auf eine problematische Patientenauswahl in der SCOUT-Studie hingewiesen. Der überwiegende Teil der in die Studie eingeschlossenen Patienten habe bereits einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall in der Vorgeschichte gehabt oder eine andere Erkrankung, bei der Sibutramin gemäß der für die EU gültigen Produktinformationen nicht hätte angewendet werden dürfen, so das BfArM.

CHMP empfiehlt Ruhen der Zulassung

Auch der Ausschuss für Humanarzneimittel (Committee of Medicinal Products for Human Use, CHMP) der European Medicines Agency (EMA) hat in seiner aktuellen Bewertung vom 21. Januar 2010 festgestellt, dass Sibutramin in der SCOUT-Studie bei vielen Patienten eingesetzt wurde, bei denen der Appetitzügler wegen des Vorliegens einer kardiovaskulären Erkrankung nach europäischen Maßgaben kontraindiziert ist. Auch wird eine zu lange Behandlungsdauer kritisiert. Trotzdem sind die vorläufigen Ergebnisse für das CHMP von Bedeutung für die Praxis. Zusammen mit Daten weiterer Studien kommt das CHMP zu dem Schluss, dass die Gewichtsabnahme unter Sibutramin nur mäßig und nach Absetzen nicht von Dauer ist. Vor dem Hintergrund der kardiovaskulären Risiken sieht die CHMP kein positives Nutzen/Risiko-Verhältnis und hat das Ruhen der Zulassung in den europäischen Mitgliedstaaten empfohlen. Der Originalhersteller der Sibutramin-Präparate, die Firma Abbott, folgt der Empfehlung und hat die Vermarktung seiner Produkte Reductil® , Meridia® , Sibutral® , Ectiva® und Raductil® im Europäischen Wirtschaftsraum ausgesetzt. Mit einem Rote-Hand-Brief wurden die Fachkreise darüber am 22. Januar 2010 informiert. Ärzte sollen Sibutramin ab sofort nicht mehr verschreiben und die Behandlung der Patienten, die derzeit Sibutramin einnehmen, überprüfen. Entsprechend behandelte Patienten sollen in der nächsten Zeit ihren Arzt aufsuchen, um Alternativen zu besprechen. Apotheker werden aufgefordert, Sibutramin-haltige Präparate nicht mehr abzugeben.

FDA wartet ab

In einer Pressemitteilung betont Abbott, dass Sibutramin seiner Einschätzung nach weiterhin über ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis verfüge. Außerhalb der EU wird Sibutramin daher weiter erhältlich sein, so auch in den USA. Anders als das CHMP hat die FDA ebenfalls am 21. Januar 2010 lediglich weitere Kontraindikationen verfügt wie das Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung, Herzinsuffizienz, Schlaganfall und TIA in der Anamnese, Rhythmusstörungen und eine unkontrollierte Hypertonie. Eine endgültige Nutzen/Risiko-Bewertung wird sie erst nach Vorliegen des vollständigen SCOUT-Studienberichts vornehmen. Damit wird im März 2010 gerechnet. du


Quellen

Rote-Hand-Brief der Abbott GmbH & Co. KG vom 22. Januar 2010.

EMA-Pressemitteilung 21. Januar 2010.

FDA-Ongoing Safety Review 21. Januar 2010.

FDA warnt vor Alli®-Fälschung


Sibutramin anstelle von Orlistat

Die amerikanische Gesundheitsbehörde warnt Verbraucher vor gefälschten 60-mg-Alli® -Kapseln , die über das Internet verkauft werden. Anstelle des Antiadipositums Orlistat enthält die Fälschung Sibutramin. Werden die Kapseln entsprechend der Vorschrift für Orlistat angewendet, dann wird die übliche Sibutramin-Tagesdosis um das Dreifache, die maximal empfohlene Tagesdosis um das Zweifache überschritten. Bei Gesunden könne dies zu Übelkeit, Angstzuständen, Herzrasen, Schlaflosigkeit und einem geringfügigen Blutdruckanstieg führen. Gefährlich wird die hohe Sibutramin-Dosis für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen. Bei ihnen erhöht Sibutramin das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko.

Gefälschtes Alli® ist nach Angaben der FDA an verschiedenen Merkmalen zu erkennen. So ist das Plastikgefäß des gefälschten Produkts geringfügig größer und weist Unterschiede im Verschluss auf. Die Kapseln enthalten ein Pulver und nicht wie das Original Pellets. Auf der äußeren Verpackung fehlt die Chargenbezeichnung, das Verfalldatum besteht bei der Fälschung aus Daten zu Monat, Tag und Jahr, beim Original aus Daten zu Monat und Jahr. Bilder zu Original und Fälschung finden sich unter http://www.fda.gov/NewsEvents/Newsroom/PressAnnouncements/ucm197857.htm

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