Europa, Deine Apotheken – Spanien

Spaniens Apotheken: hohe Erwartungen und hohe Regulierung (Teil 1)

Berlin - 04.02.2019, 07:00 Uhr

Auch in Spanien arbeiten die meisten Apotheker in öffentlichen Apotheken. (Foto: nickos / stock.adobe.com)

Auch in Spanien arbeiten die meisten Apotheker in öffentlichen Apotheken. (Foto: nickos / stock.adobe.com)


Der spanische Apothekenmarkt zeichnet sich unter anderem durch eine relativ hohe Apothekendichte, weitgehende Regulierung und ein niedriges Preisniveau aus. Beratung und multiprofessionelle Zusammenarbeit werden groß geschrieben. Im ersten Teil unseres Spanien Porträts geht es um den Beruf des Apothekers, der in Spanien anerkannt und beliebt ist. 

Die spanische „Apothekerkammer“ verkündet in ihrem Internetauftritt stolz, dass das Gesundheitssystem des Landes von der Weltgesundheitsorganisation auf dem siebtbesten Platz weltweit gesehen wird. Zudem zeigen auch regelmäßig durchgeführte Umfragen eine hohe Zufriedenheit der spanischen Bevölkerung mit der Gesundheitsversorgung. 

Es stellt sich die Frage, wie diese Zufriedenheit zu erklären ist? Im Bereich der Arzneimittelversorgung fällt eine vergleichsweise hohe Regulierung auf: Der spanische Staat garantiert zum Beispiel seinen Bürgern eine wohnortnahe Versorgung mit Arzneimitteln. Dazu hat er per Bedarfsplanung gesetzlich festgeschrieben, dass die Apotheken möglichst gleichmäßig über das Land verteilt sein sollten. Es handelt sich um eine regulierte Niederlassung. Im Fokus stehe hierbei das öffentliche Interesse beziehungsweise das Interesse der Patienten – und explizit nicht das Interesse der Apotheker. 

Zugleich versucht der Staat durch eine Preisbindung der zu Lasten des öffentlichen Gesundheitssystems verordneten Medikamente ein Prinzip der Gleichheit und Gerechtigkeit für alle zu garantieren. Doch wie ungetrübt funktioniert das Apothekenwesen tatsächlich?

Standesvertretung: Das „Offizielle Kollegium der Pharmazeuten”

Zunächst soll zum besseren Verständnis ein Blick auf die Organisation des spanischen Apothekenwesens gerichtet werden: Die Entsprechung der Apothekerkammern der Bundesländer in Deutschland stellen in Spanien die 52 „Offizielle Kollegien der Pharmazeuten“ (Colegios Oficiales de Farmacéuticos) dar. Die „Offiziellen Kollegien der Pharmazeuten“ sind im „Generalrat der Offiziellen Kollegien der Pharmazeuten“ (Consejo General de Colegios Oficiales de Farmacéuticos) mit Sitz in Madrid zusammengefasst.

Wie wird man in Spanien Apotheker?

Das Königreich Spanien ist in 17 autonome Gemeinschaften und zwei autonome Städte (Ceuta und Melilla) unterteilt. Die autonomen Gemeinschaften repräsentieren die verschiedenen Regionen, die wiederum in verschiedene Provinzen unterteilt sind. Die Wichtigkeit dieser Unterteilung spiegelt sich darin wieder, dass praktisch jede Provinz über ein eigenes „Offizielles Kollegium“ verfügt. Diese pharmazeutischen Standesvertretungen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, deren Aufgabe die Organisation der Ausübung des Berufs, die ausschließliche Vertretung und die Verteidigung der beruflichen Interessen der Mitglieder ist. 

Pharmaziestudium in Spanien

Pharmazie kann in Spanien als Bachelorstudium an 22 Universitäten studiert werden. Die Absolventen tragen den Titel „Graduado/a en Farmacia“ (Absolvent der Pharmazie). Das Studium dauert fünf Jahre und enthält sowohl die theoretische als auch eine praktische Ausbildung von sechs Monaten in öffentlichen Apotheken oder Krankenhausapotheken. Zurzeit sind 13.000 Pharmaziestudierende an spanischen Universitäten eingeschrieben (Angaben Consejo General de Colegios Oficiales de Farmacéuticos, letzte Aktualisierung 20/7/2017).

Jedes Jahr werden ungefähr 2.200 Absolventen graduiert. Neben dem „Einfachstudium“ der Pharmazie bieten einige Universitäten auch sogenannte Doppelstudiengänge an. So kann das Pharmaziestudium auch mit Ernährungslehre oder mit Augenoptik kombiniert werden. Wobei insbesondere das Doppelstudium Pharmazie/Augenoptik aus deutscher Sicht ungewöhnlich erscheint.

Was kommt nach dem Studium?

Nach Abschluss des Pharmaziestudiums haben die Absolventen die Möglichkeit, ein Aufbaustudium (Estudio de postgrado) anzuschließen. Es handelt sich um ein Masterstudium, bei dem die Kenntnisse des Bachelorstudiengangs Pharmazie ausgebaut und eine Spezialisierung und multiprofessionelle Ausrichtung des Wissens erreicht werden soll. Anschließend steht den Pharmazeuten noch die Möglichkeit eines Promotionsstudiums offen. Daneben können sich die spanischen Apotheker auch spezialisieren und ein sogenannter „Farmacéutico Especialista“ werden.Es handelt sich um Spezialisierungen zum Beispiel in Radiopharmazie, Klinische Analyse, Klinische Biochemie oder Krankenhauspharmazie

Entwicklung der Anzahl der Pharmaziestudierenden an spanischen Universitäten im Zeitraum von 1960 bis 2004.Quelle: http://www.aneca.es/var/media/150368/libroblanco_farmacia_def.pdf / „Libro Blanco – Título de Grado de Farmacia“ (Weißbuch des Pharmaziestudiums) der Agencia Nacional de Evaluación de la Calidad y Acreditación (ANECA; Nationale Agentur für die Bewertung von Qualität und Akkreditierung)

Beruf des Apothekers – beliebt und anerkannt

In Spanien gab es im Jahr 2015 laut Angaben des „Generalrates der Offiziellen Kollegien der Pharmazeuten“ 69.774 Apotheker, die in verschiedenen Berufsfeldern tätig waren. Zwischen 60 und 70 Prozent von ihnen arbeiteten in öffentlichen Apotheken. Der Beruf des Apothekers ist beliebt und anerkannt. Die Anzahl der Pharmaziestudierenden ist anhaltend hoch. Die Popularität des Studiums geht einher mit vergleichsweise guten Chancen am Arbeitsmarkt. Zudem sind spanische Apotheker laut offizieller Umfragen überwiegend zufrieden sowohl mit ihrem Studium als auch mit ihren Berufschancen. Allerdings wird die Höhe des Verdienstes eher kritisch beurteilt.

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Berufsverständnis – weitreichende Kompetenzen und Pflichten

Apotheker sind als Experten für Arzneimittelfragen per Gesetz (Gesetz 44/2003) nicht nur mit der Herstellung, Lagerung und Abgabe von Arzneimitteln betraut. Groß geschrieben wird auch die multiprofessionelle Zusammenarbeit mit anderen Bereichen des Gesundheitswesens. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit in den analytischen, pharmakotherapeutischen und öffentlichen Gesundheitsüberwachungsprozessen.

Der spanische Apotheker soll darüber hinaus über weitreichende Kompetenzen verfügen. So soll er in der Lage sein, zum Beispiel Beratung in Pharmakotherapie und Diät-Therapie sowie im Ernährungs- und Lebensmittelbereich anbieten zu können. Während seines Studiums soll er Kenntnisse im ökonomischen Umgang mit Arzneimitteln und Medizinprodukten erwerben und ein entsprechendes Verhalten in der Bevölkerung fördern. Ausdrücklich sind spanische Apotheker auch aufgefordert, Kampagnen zur Gesundheitsförderung mitzugestalten und in diesem Bereich die multiprofessionelle Zusammenarbeit zu suchen. Von den Pharmaziestudierenden wird erwartet, dass sie über Kenntnisse der Kommunikation und Information der Bürger sowohl in mündlicher als auch in schriftlicher Form verfügen.

Anzahl der Pharmazeuten pro Beschäftigungsfeld in Spanien: öffentliche Apotheken (Oficina de Farmacia), Industrie (Industria), klinische Analytiker (Analistas Clínicos), Krankenhausapotheker (F. Hospital), Vertrieb (Distribución), andere Bereiche (Otras modalidades), ohne Berufsausübung (Sin ejercicio) Quelle: http://www.aneca.es/var/media/150368/libroblanco_farmacia_def.pdf  /  „Libro Blanco – Título de Grado de Farmacia“ (Weißbuch des Pharmaziestudiums) der Agencia Nacional de Evaluación de la Calidad y Acreditación (ANECA; Nationale Agentur für die Bewertung von Qualität und Akkreditierung)

 

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Inken Rutz, Apothekerin, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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