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Pharmazie in Spanien: Kleine Apotheken, große Beratung

BARCELONA (diz). Auf dem diesjährigen Kongress des Weltapothekerverbands FIP, der vom 5. bis 10. September in Barcelona stattfand, stand traditionsgemäß auch das Thema "Pharmazie in ..." auf dem Programm. Die spanischen Apothekerinnen und Apotheker stellten in einer Präsentation die Pharmazie und die Apotheke ihres Landes vor und gaben einen kleinen Einblick in das Gesundheitswesen. "La Farmacia en Espana": Der Apotheker und seine Beratungsleistung wird von der Bevölkerung anerkannt, aber ähnlich wie in Deutschland sieht die Gesundheitspolitik in der Apotheke einen Kostenfaktor.

Wenngleich im Apothekenwesen manchmal schon ein wenig improvisiert werden müsse, wie der Sprecher der Spanischen Apothekerkammer eingestand, so spreche dies doch für eine gewisse Flexibilität. Man sei aber stolz darauf, dass in Spanien 98% der Bevölkerung unmittelbar in Wohnortnähe Zugang zu einer Apotheke haben und von dort mit Arzneimitteln versorgt werden können.

Stolz wies er auf die Leistungen des spanischen Apothekenwesens hin. Der Apotheker sei als Experte im Gesundheitswesen von der Bevölkerung anerkannt. So ließen sich etwa eine von vier Personen in der Apotheke nur beraten, ohne ein Rezept einzulösen oder etwas zu kaufen. Dadurch spare das spanische Gesundheitswesen sehr viel Geld, nach seinen Angaben rund 120 Mrd. Peseten.

Mit der Carta magna fing alles an

Mit der Carta magna der Pharmazie im Jahre 1240 wurden die Tätigkeiten von Arzt und Apotheker in Spanien getrennt, es ist der Beginn des eigentlichen Apothekenwesens. Jedoch erst seit 1617 dürfen Arzneimittel ausschließlich von Apothekern hergestellt werden. 1737 gab das Königliche Kollegium der Pharmazeuten von Madrid sein Arzneibuch heraus, das erste in Spanien. Im Laufe des 19. Jahrhunderts bildeten sich die pharmazeutischen Fakultäten heraus.

Anfang dieses Jahrhunderts formierte sich schließlich die Nationale Pharmazeutische Union, der erste Zusammenschluss der Apotheker und Vorläufer der heutigen Spanischen Apothekerkammer. Seit 1917 muss jeder Apotheker bei der Apothekerkammer eingeschrieben sein.
Die Registrierung der Arzneimittel erfolgt seit 1919.

Pharmazeutische Ausbildung an 13 Instituten

Pharmazie kann in Spanien an 13 Universitäten studiert werden: Alicante, Barcelona, Granada, La Laguna (Teneriffa), Navarra, Madrid-Alcalá de Henares, Madrid-Complutense, Salamanca, Santiago de Compostela, Sevilla, Valencia und Vitoria. Die Ausbildung an der Universität dauert fünf Jahre, es schließt sich ein sechsmonatiges Praktikum in einer Offizin- oder Krankenhausapotheke an.

Zur Zeit sind rund 24000 Pharmaziestudierende an den spanischen Hochschulen eingeschrieben. Jährlich verlassen etwa 2000 bis 2500 Absolventen die Universität. Sie arbeiten danach in aller Regel in der Offizinapotheke, in der Krankenhausapotheke oder im pharmazeutischen Großhandel. Einige bleiben auch an der Universität, um zu promovieren. Weitere Beschäftigungsfelder, wo Pharmazeuten in Spanien unterkommen können, sind die pharmazeutische Industrie, Analysenlabors, in der Lebensmittelchemie und im öffentlichen Gesundheitswesen.

Den spanischen Apothekern stehen ebenfalls Weiterbildungsmöglichkeiten offen. Gebiete, die in Zusatzkursen und Seminaren erarbeitet werden können, sind z.B. die Radiopharmazie, Umwelt und Gesundheit, experimentelle Pharmakologie, industrielle Mikrobiologie, Klinische Biochemie u.a.

Berufsorganisation: ein Kollegium mit 52 Verbänden

In Spanien gibt es 52 pharmazeutische Verbände, die sich "Offizielles Kollegium der Pharmazeuten" nennen. In jeder Provinz Spaniens gibt es praktisch ein Kollegium. Alle diese offiziellen Kollegien der Apotheker sind Teil der nationalen Pharmazeutenorganisation, dem Generalrat der Pharmazeutischen Apotheker (Consejo General de Colegios oficiales de Farmacéuticos). Der Generalrat ist die Organisation, die die Apotheker repäsentiert, koordiniert, die Zusammenarbeit der meisten Verbände auf nationaler und internationaler Ebene regelt.

Der Generalrat ist der Ansprechpartner für die Regierung, wenn es um Gesundheitsfragen in Sachen Pharmazie geht. In Spanien muss die Regierung sogar den Generalrat der Apotheker konsultieren, bevor ein Gesetz im Gesundheitswesen verabschiedet werden kann. Der Generalrat hat zudem beratende Funktion und verteidigt die Berufsinteressen. Er gibt Datenbanken heraus und organisiert die Fort- und Weiterbildung.

Der Generalrat untergliedert sich selbst in verschiedene Ausschüsse, z.B. für Ernährungsberatung, klinische Analyse, Dermopharmazie, Krankenhauspharmazie, Industrie, Forschung und Lehre, Offizinpharmazie u.a. Die für den Apotheker maßgeblichen Gesetze sind in Spanien relativ neu bzw. wurden erst in den letzten Jahren überarbeitet, z.B. das Gesetz über das Gesundheitswesen (1986), das Arzneimittelgesetz (1990) und das Gesetz zur Regelung der öffentlichen Apotheken (1997).

Kein Fremd- und Mehrbesitz

Auch in Spanien gilt das Gebot: ein Apotheker, eine Apotheke, Fremd- und Mehrbesitz ist damit ausgeschlossen. Bei einer Bevölkerungszahl von rund 39 Mio. und einer Apothekenzahl von rund 19200 kommen in Spanien auf jede Apotheke durchschnittlich 2050 Einwohner. Der Abstand zwischen den Apotheken beträgt in Innenstadtlagen im Durchschnitt 250 m. Spanien hat damit eine relativ hohe Apothekendichte.

In Apotheken arbeiten 27500 Apotheker, 60% von ihnen sind Frauen. Das Durchschnittsalter eines Apothekenbesitzers beträgt 44 Jahre. Jede Apotheke beschäftigt knapp drei Mitarbeiter, die Größe einer durchschnittlichen Apotheke liegt zwischen 65 und 95 m².

Beratung wird groß geschrieben

Neben der Abgabe von Arzneimitteln steht die Information und Beratung der Bevölkerung im Mittelpunkt der Tätigkeiten der spanischen Apothekerinnen und Apotheker. Die Entwicklung geht auch in Spanien hin zu einer verstärkten Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe, die Verantwortung des Apothekers in Sachen Selbstmedikation wächst, Strukturen in Richtung Pharmaceutical Care sind angedacht. Deutlich stellten die Vertreter der spanischen Apothekerkammer noch einmal heraus, dass eine von vier Personen eine Apotheke aufsucht, um nur beraten zu werden, ohne ein Rezept einzulösen, was eine enorme Kostenersparnis für das spanische Gesundheitswesen erbringt. Rund 70% der spanischen Apotheken arbeiten mit Computersystemen, über die die Fakturierung, aber auch die Arzneimittelinformationen abgerufen werden.

Selbstbeteiligung 40%

Das Abrechnungssystem mit Krankenkassen läuft anders als in Deutschland: Die Apotheke schickt die Rezepte an die regionale Apothekerkammer, die sie bei der nationalen Krankenversicherung in Rechnung stellt. Etwa 20 bis 40 Tage später erfolgt die Zahlung der Versicherung an die Kammern, die das Geld dann an die Apotheken weiterleitet. Wie die spanischen Kammervertreter betonten, ist dadurch eine große Transparenz gewährleistet, monatlich ist bekannt, welche Kosten die Patienten an Arzneimitteln verursachen. Die Selbstbeteiligung des Patienten liegt in der Regel bei 40% des Arzneimittelpreises, chronisch Kranke zahlen niedrigere Prozentsätze, Rentner erhalten die Arzneimittel umsonst.

Der Arzneimittelmarkt - relativ übersichtlich

Auf dem spanischen Arzneimittelmarkt sind knapp 2000 Substanzen registriert, die mit rund 5100 Spezialitäten und 11200 Darreichungsformen auf dem Markt präsent sind. Etwa 8700 Arzneimittel gehören in die Kategorie verschreibungspflichtig, die übrigen sind ohne Verschreibung erhältlich. Als OTC-Arzneimittel befinden sich rund 1500 Präparate auf dem Markt. In Spanien gibt es 470 Generika. Die Apothekenmarge beträgt 27,9%, die Mehrwertsteuer macht 4% aus. Die Informationsmedien für die spanischen Apotheker sind wissenschaftliche Publikationen, Apothekerfachzeitschriften, die Webseiten im Internet, außerdem ständige Weiterbildungs- und Trainingsprogramme.

Krankes Gesundheitswesen

Wie in anderen Ländern auch leidet das spanische öffentliche Gesundheitswesen an einem finanziellen Defizit. Dabei werden u.a. die Apotheken für die hohen Kosten verantwortlich gemacht, wogegen sich die spanischen Apotheken heftig wehren. Man versucht, auf die Leistungen aufmerksam zu machen. Mit Sorge betrachtet man Entwicklungen, möglicherweise das Randsortiment in der Apotheke erweitern zu müssen, um wirtschaftlich überleben zu können.

Auf dem diesjährigen Kongress des Weltapothekerverbandes FIP Anfang September in Barcelona stellten spanische Apothekerinnen und Apotheker den Teilnehmern die Pharmazie ihres Landes vor. Die Präsentation gab einen Einblick in die Apotheken und das Gesundheitswesen Spaniens.

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