Aus der Hochschule

Pharmaziegeschichtliche Spuren in Madrid

Universität Marburg: Eindrücke einer Exkursion

Im April 2013 reisten Doktoranden und Mitarbeiter des Instituts für Geschichte der Pharmazie der Universität Marburg nach Madrid, um anhand pharmaziehistorischer Sehenswürdigkeiten mehr über die Geschichte der Apothekerkunst zu erfahren. Auf dem Programm standen u. a. der Besuch des kolonialgeschichtlich bedeutenden Museo de America, die Hofapotheke im Königspalast, Apotheken in der Altstadt sowie das weltweit einzige Museum für Militärpharmazie. Zudem nahm die Gruppe an einer Sitzung der Real Academia Nacional de Farmacia teil.
Marburger Pharmaziehistoriker mit ihren spanischen Kollegen in Madrid.
Fotos: Lothar Bisping

Museo de America – Gold, Schokolade und Curare

Das Museo de America mit seiner Ausstellung zur Geschichte der spanischen Kolonialisierung Mittel- und Südamerikas wurde 1965 eröffnet. Seine Sammlung umfasst mehr als 25.000 Objekte aus unterschiedlichen Epochen und Regionen Iberoamerikas. Darunter befinden sich Exponate aus dem Naturalienkabinett von König Karl III. von Spanien (1716 – 1788), die ersten Karten der "Neuen Welt", aber auch 62 Goldobjekte des weltberühmten Schatzes der Quimbaya in Kolumbien.

Von besonderem Interesse waren die in zeitgenössischen botanischen Werken enthaltenen Abbildungen verschiedener Heil- und Nutzpflanzen aus Amerika. Hierzu zählt eine Abbildung des Kakaobaums von Francisco Hernández de Toledo (1514 – 1587), der im Auftrag König Philipps II. (1527 – 1598) die heilkundlich nutzbaren Pflanzen, Tiere und Mineralien Neuspaniens (Mexiko u. a.) erkundete. Das Werk "El Orinoco ilustrado y defendido" des Jesuiten Joseph Gumilla (1686 – 1750) gibt erste Zeugnisse über Herstellung und Gebrauch des Pfeilgiftes Curare.

Palacio Real mit Hofapotheke

Der schon aufgrund seiner Größe imposante Königliche Palast mit seinen Prachtsälen – im 18. und 19. Jahrhundert die Hauptresidenz der königlichen Familie – lädt heutzutage jedermann zum andächtigen Durchschreiten der mit Ölgemälden, Deckenmalereien, Stuckarbeiten und Orientteppichen üppig dekorierten Räumlichkeiten ein.

Hofapotheke im Palacio Real – Repositorium mit wertvollen Glasgefäßen.

Ein sehr sehenswertestes Areal des Palastes ist die Hofapotheke, die unter anderem mit einer Vielzahl historischer Standgefäße aufwartet. Diese "botes de farmacia" verwahrten einst die Arzneidrogen und pharmazeutischen Zubereitungen zur Versorgung des königlichen Hofes.

Die Beschriftungen verweisen z. B. auf die Chinarinde – wegen ihrer Wirksamkeit gegen Malaria aufgrund des Alkaloids Chinin eine der berühmtesten Drogen aus der "Neuen Welt" – und auf den jahrhundertelang als Allheilmittel hoch geschätzten Theriak.

Museo de la Farmacia Hispana

Die Universität Complutense in Madrid ist die größte staatliche Universität Spaniens. Jährlich werden dort zwischen 300 und 480 Pharmaziestudierende aufgenommen. Auf dem Gelände der Universität befindet sich auch das von Professor Rafael Folch y Andréu im Jahre 1944 gegründete Museo de la Farmacia Hispana. Es zeichnet sich durch seine thematische Vielfalt der Exponate und Eleganz aus. In mehreren Räumen stehen die detailgetreuen Nachbildungen unterschiedlicher Apothekentypen und ihrer Vorläufer, z. B. ein alchemistisches Labor, eine Apotheke im maurischen Stil aus dem Süden Spaniens sowie eine Madrider "Farmacia" aus dem 19. Jahrhundert.

Standgefäße im Museo de la Farmacia Hispana in der Universität Complutense.

Zu den Ausstellungsstücken gehören pharmazeutische Glas- und Porzellanwaren, Mörser (u. a. aus Elfenbein) sowie viele heute unbekannte Utensilien. Besonderes Interesse unter den Exkursionsteilnehmern weckten die ausgestellten Reiseapotheken – teils aufwendig verzierte Holzkisten unterschiedlicher Größe, die mit ihren Gefachen und Schubladen Platz für eine Auswahl unterwegs benötigter Heilmittel pflanzlicher, tierischer oder mineralischer Provenienz boten.

Sehenswert ist überdies die komplett wieder aufgebaute Farmacia Bellogín aus Valladolid von 1840. Die gut erhaltene Außenfassade, das Schaufenster, die Offizin und das Labor vermitteln einen Eindruck, wie der Apothekenalltag im 19. Jahrhundert gewesen sein könnte.

Alte Apotheken heute noch in Betrieb

Bei einem von Prof. Dr. María del Carmen Francés Causapé geführten Rundgang durch die Altstadt von Madrid besuchte die Exkursionsgruppe mehrere aufgrund ihrer gut erhaltenen Originaleinrichtung sehenswerte Apotheken. Diese sind überraschend klein, sodass sie bereits bei wenigen Kunden an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.

Barock bis klassizistisch – Apotheke in der Altstadt von Madrid.

Die Farmacia Reina Madre aus dem 16. Jahrhundert bildete den Höhepunkt und Abschluss der Tour. Sie war einst mit dem Königspalast durch einen geheimen Tunnel verbunden und besticht heute noch durch ihre Sammlung erlesener Standgefäße.

Besuch in der Akademie

Das Museum der Real Academia zeigt neben einigen "Schätzen" der Pharmaziegeschichte auch Kunstwerke aus dem Prado. Bemerkenswert fanden die Exkursionsteilnehmer die wertvollen historischen Werke der Bibliothek. Anschließend hatten sie die einmalige Gelegenheit, an einer Sitzung der Real Academia Nacional de Farmacia (RANF) teilzunehmen. Prof. Dr. Mariano Esteban Rodríguez, Präsident der RANF, richtete ein Grußwort an die Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, bevor er die Sitzung eröffnete.

Museo de Farmacia Militar – einzigartig auf der Welt

Das Museum, das sich auf dem Gelände des spanischen Militärs im Stadtteil Embajadores befindet, ist für die Öffentlichkeit nur schwer zugänglich. 1928 wurde es von dem Militärapotheker Rafael Roldán y Guerrero (1888 – 1965) gegründet. Seit der Neugestaltung im Jahre 1990 zeigt es detailliert den Weg der Pharmazie von der Alchemie bis zur Großherstellung von Medikamenten zur Versorgung des Militärs. Neben der Sammlung unzähliger aus der historischen Apothekenpraxis stammender Gebrauchsgegenstände zeichnet sich dieses Museum auch durch die Präsentation von Feld- und Reiseapotheken, Uniformen der Militärapotheker sowie die Darstellung besonderer Anforderungen an die Pharmazie in militärischer Umgebung aus. Es verfügt zudem über eine beeindruckende pharmakognostische Sammlung. Noch heute werden auf dem Gelände, in dem sich das Museum befindet, Medikamente für die spanische Armee hergestellt.

Für den mobilen Einsatz im Felde – transportierbare Schränke mit historischen Analysengeräten im Museo de Farmacia Militar.

Herbarium und Bibliothek des Real Jardín Botánico

Das Herbarium des botanischen Gartens umfasst über eine Millionen Pflanzen und ist somit das größte in Spanien und eines der größten in Europa. Als Eigentum des Consejo Superior de Investigaciones Científicas (CSIC), dem obersten Rat für angewandte Wissenschaft in Spanien, liegt der Schwerpunkt auf der fortlaufenden systematischen Erfassung der Flora Spaniens, der ehemaligen Kolonien und anderer Teile der Welt sowie der Digitalisierung bereits vorhandener Bestände. Der Pharmaziehistoriker Prof. Dr. Antonio González Bueno präsentierte der Exkursionsgruppe vor allem Herbarmaterial der drei großen wissenschaftlichen Expeditionen, die im 18. Jahrhundert in die "Neue Welt" entsandt worden waren. Das von den großen spanischen Botaniker Hipólito Ruiz López (1754 – 1816) und José Antonio Pavón Jiménez (1754 – 1840) gesammelte Material – darunter Teile des Chinabaums und des Kokastrauchs – gehören zu den wertvollsten Beständen des Herbariums.

Die dem Herbarium angeschlossene Bibliothek bewahrt etliche wertvolle Werke aus vergangenen Zeiten. Hier war es der Exkursionsgruppe vergönnt, manches reich illustrierte Pflanzenbuch zu bewundern. Die Ermittlung der früheren Verwendung von Heilpflanzen anhand solcher historischer Quellen ist für die Erschließung neuer bzw. alter Indikationen von Arzneipflanzen von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Ein Gang durch den Real Jardín Botánico mit historischen und pharmakologischen Ausführungen zu einzelnen Heilpflanzen rundete das vielseitige Programm ab, und der Themenkreis – Entdeckung der "Neuen Welt", Wandel der Pharmazie sowie die Wiederentdeckung und Erhaltung überlieferten Wissens samt Potenzial für zukünftige Forschung – schloss sich.

Diese Exkursion des Instituts für Geschichte der Pharmazie wäre ohne persönliches Engagement und internationale Zusammenarbeit nicht zustande gekommen. Aus diesem Grund bedanken sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ganz herzlich bei Frau Prof. Dr. María del Carmen Francés Causapé, Herrn Prof. Dr. Antonio Gonzalez Bueno, allen beteiligten Kolleginnen und Kollegen in Madrid sowie Frau Prof. Dr. Sabine Anagnostou und Herrn Prof. Dr. Christoph Friedrich in Marburg.


Markus Maxim, Christopher Kreiss, Ulla Holtkamp, Kai Schwartz

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