GSAV-Gesetzentwurf

Kein Biosimilar-Austausch durch Apotheker

Berlin - 22.01.2019, 17:10 Uhr

Der Austausch von Biosimilars in der Apotheke soll nicht im GSAV geregelt werden. ( r / Foto: DAZ.online)

Der Austausch von Biosimilars in der Apotheke soll nicht im GSAV geregelt werden. ( r / Foto: DAZ.online)


Die Ärzte behalten voraussichtlich doch die Hoheit über die Verordnung von Biologicals. Während der GSAV-Referentenentwurf noch vorsah, dass Apotheker Biologicals wie Generika austauschen, schiebt der nun vorgelegte Gesetzentwurf dem einen Riegel vor. Jedenfalls vorerst, für drei Jahre. „Bis auf die GKV hat niemand für die Substitution gestimmt“, erklärte Prof. Wolf-Dieter Ludwig (AkdÄ) am heutigen Dienstag in Berlin. 

Automatische Substitution von Biosimilars in Apotheken – das schlug Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) noch im Referentenentwurf zum Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) vor. Was nicht weniger bedeutet hätte, als dass Apotheker Biosimilars wie auch Generika untereinander austauschen.

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Doch Biosimilars sind nun einmal keine Generika. Bei Biologika ist eine gewisse Mikroheterogenität und Chargenvariabilität auch beim Original unausweichlich. Bei den biologischen Molekülen gilt die Devise „the product is the process“. Bei einem identischen Herstellungsprozess ist nach derzeitigem Kenntnisstand von einem identischen Produkt auszugehen. Die aktuelle Austauschregelung des Gemeinsame Bundesausschusses spiegelt das zumindest wider: So dürfen nur sogenannte Bioidenticals gegeneinander ausgetauscht werden, nicht aber Biosimilars. Der GSAV-Referentenentwurf sah somit auch Änderungen für den G-BA vor: Dieser sollte eine Richtlinie erarbeiten, in der festgelegt wird, wann welche Originale gegen welches Biosimilar ausgetauscht werden können.

BMG erkennt: Biosimilars sind keine Generika

Doch das kommt nun so nicht. Denn der Referentenentwurf wurde jüngst korrigiert. Zwar betont der aktuelle Gesetzentwurf des GSAV (Stand 22. Januar 2019) nach wie vor: „Die Verordnung von Generika und im Wesentlichen gleichen biologischen Arzneimitteln (Biosimilars) statt eines Originalpräparats ist in der Regel wirtschaftlicher als die Verordnung des Originalpräparates“, und „die Regelungen zur Ersetzung eines wirkstoffgleichen Arzneimittels („aut idem“) finden bislang keine Anwendung auf im Wesentlichen gleiche biologische Arzneimittel (Biosimilars). Biosimilars im Sinne des Artikels 10 Absatz 4 der Richtlinie 2001/83/EG sind dem Originalpräparat in ihrer Zusammensetzung zwar ähnlich, aber nicht gleich.“ Und weiter: „Deshalb erfüllen sie nicht die Definition eines Generikums."

Dennoch sah der Referentenentwurf vor, dass § 129 wird wie folgt geändert werden sollte. „Die Regelungen für wirkstoffgleiche Arzneimittel gelten entsprechend für Biosimilars, für die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Absatz1 Satz 2 Nummer 6 eine Austauschbarkeit festgestellt hat.“

GSAV-Anhörung: Nur GKV wollten Biological-Substitution

Auf den Referentenentwurf folgte im BMG eine Befragung der Fachverbände zum GSAV. Laut Professor Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), war die „Fünf-Stunden-Anhörung zum Gesetzentwurf eine ziemliche Tortur“. Der AkdÄ-Chef äußerte sich beim heutigen BMC-Kongress 2019 in Berlin im Rahmen einer Veranstaltung von Pro Biosimilars zur GSAV-Anhörung:


Es war ganz eindeutig. Bis auf die GKV hat niemand für die Substitution gestimmt“.

Professor Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)


Weiter betonte Ludwig, wie wichtig gerade im sensiblen Bereich der Biologicals die Arzt-Patienten-Kommunikation sei.

Wer hat sich den Biological-Austausch ausgedacht?

„Wir haben in zehn Jahren gerade erreicht, dass Biosimilars in den Markt kommen und die Ärzte langsam besser informiert werden“, erklärt Ludwig. Einen Austausch auf Apothekenebene hält Ludwig zum jetzigen Zeitpunkt für eine „absolute Fehlentscheidung“. „Ich weiß auch nicht, wer sich so etwas ausgedacht hat“, wundert sich Ludwig. Und weiter:


In Europa ist es die absolute Rarität, dass die automatische Substitution erlaubt ist.“

Professor Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)


Somit bleibt die Entscheidung, welches Biological – ob Original und bei Neueinstellung oder Switch, welches Biosimilar – in der Hoheit der Ärzte. Das beschreibt nun auch explizit der Gesetzentwurf: Der Austausch erfolge „auf der Grundlage der Hinweise des Gemeinsamen Bundesausschusses auf Arztebene und es sollen wissenschaftliche Erkenntnisse über die Austauschbarkeit von Biosimilars und Erfahrungen mit der Versorgungspraxis von Biosimilars gesammelt und bewertet werden.“

Es wird auf die apothekerliche Substitution geschielt

Diese Regelung gilt allerdings zunächst für drei Jahre. Im Gesetzentwurf heißt es, dass für die „Anwendbarkeit des Aut-idem-Austauschs auf Apothekenebene (...) eine Vorlaufzeit von 3 Jahren vorgesehen" wird. „Dieser Zeitraum erscheint angemessen, um weitere wissenschaftliche Erkenntnisse über die Austauschbarkeit von Biosimilars und Erfahrungen mit der Versorgungspraxis von Biosimilars zu sammeln. Unabhängig von dem Übergangszeitraum bleibt weitere Voraussetzung für die Anwendung der Aut-idem-Regelung, dass der G-BA zuvor in seinen Richtlinien die Austauschbarkeit für das betreffende Arzneimittel bewertet und festgestellt hat“. Doch gerade hier äußerte Ludwig beim BMC-Kongress Bedenken.

G-BA fehlt die Wissensbasis um Biosimilar-Switch zu entscheiden

„Wir wissen alle, dass der Gemeinsame Bundesausschuss eine sehr gute Arbeit leistet, wir wissen aber auch dass er sehr viel zu tun hat – allein mit der frühen Nutzenbewertung“, sagte Ludwig. Er wisse jedoch nicht, auf welcher Basis der G-BA jetzt diesen Beschluss fassen solle. „Ich glaube nicht, dass der G-BA im Augenblick eine vernünftige Wissensbasis hat, um darüber zu entscheiden." Auch wenn die Switching-Studien bislang positive Resultate zeigten, „finde ich sehr, sehr schwierig, wenn das gesetzlich verankert würde“, so der AkdÄ-Vorsitzende.

Langfristig werden Apotheker austauschen

Dr. Katja Knauf, Fachbereich Ambulante Versorgung bei der AOK-Sachsen-Anhalt, gab beim BMC-Kongress ebenfalls eine Biological-Substitutions-Prognose aus Sicht der Krankenkassen ab. Dabei scheint ihr vor allem wichtig, dass der „jetzige Zeitpunkt" nicht der richtige für eine apothekerliche Substitution ist. „Die Diskussion erinnert schon sehr an die Diskussion mit den Generika", findet Knauf. Zwar pflichtet sie Ludwig bei, dass Biologicals „eine andere Materie sind und dass man sich diese genauer anschauen muss." Jedoch ist nach Einschätzung von Knauf eine langfristig eine Substitution auf Apothekerebene nicht zu verhindern: „Ich denke, es läuft langfristig darauf hinaus, und ich denke, die Substitution soll vorübergehend und für die nächsten drei Jahre in der Hand des Arztes liegen, aber es wird schon darauf geschielt, dass es in der Apotheke passiert". Nach Ansicht von Knauf sind in drei Jahren die benötigten Daten für den apothekerlichen Austausch auch da und weitere Diskussionen überflüssig. „Ich denke in drei Jahren hat sich die Diskussion erledigt", prognostiziert die AOK-Vertreterin.

Hennrich hatte genau diese Lösung vorgeschlagen

Beschließt der Bundestag ein entsprechendes Gesetz, hätte sich der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich mit seinem Vorschlag durchgesetzt. Hennrich hatte im November 2018 dazu gesagt:


Was die Austauschbarkeit von Biosimilars betrifft, sehe ich derzeit eine große Hektik im Markt. Schon jetzt ist der Austausch in der Arztpraxis ja möglich. Auf die Frage, ob auch die Apotheker Biosimilars austauschen können sollten, würde ich antworten: Sicherheit geht vor Schnelligkeit. Im Moment läuft alles sehr gut, ich würde mit der Austauschbarkeit in der Arztpraxis gerne erst einmal ein paar weitere Jahre Erfahrungen sammeln, bevor ich den nächsten Schritt gehe. Mit einer vorschnellen Einführung der Austauschbarkeit in der Apotheke könnten wir Patienten und Ärzte verunsichern. Was ist beispielsweise, wenn der Apotheker austauscht, der Arzt den Wechsel aber nicht sinnvoll findet? Die Austauschbarkeit in der Apotheke kann sicherlich mittelfristig der richtige Weg sein, im Moment mahne ich aber zur Zurückhaltung.“

Michael Hennrich, CDU




Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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