Influenzasaison 2018/19

Wer ist schuld am Grippeimpfstoffmangel? (2)

Stuttgart - 17.12.2018, 07:00 Uhr

Hätte ein schnellerer Entscheid des G-BA zu einer entspannteren Lage bei Grippeimpfstoffen geführt? ( r / Foto: nasa_gallery / stock.adobe.com)

Hätte ein schnellerer Entscheid des G-BA zu einer entspannteren Lage bei Grippeimpfstoffen geführt? ( r / Foto: nasa_gallery / stock.adobe.com)


Welchen Einfluss haben Vorbestellungen seitens der Apotheke überhaupt auf die tatsächlich produzierte Menge an Grippeimpfstoffen? Zwar sind Vorbestellungen teilweise bis Mai möglich – an diesem Punkt ist jedoch die Antigenherstellung längst abgeschlossen. Und: Hat der G-BA schlicht getrödelt, seinen Beschluss pro Vierfach-Grippeschutz zu fassen? Warum also reichen die Influenzavakzine 2018/19 nicht? Hier der zweite Teil unserer Analyse zur Versorgungssituation.

Im Zuge um die derzeitigen Versorgungsschwierigkeiten bei den Grippeimpfstoffen betonen die Hersteller unermüdlich, wie wichtig Vorbestellungen seitens der Ärzte und Apotheker bei Grippeimpfstoffen sind. Stimmt das wirklich? Es stellt sich nämlich durchaus die Frage: Welche Rolle spielen Vorbestellungen bei der produzierten Menge überhaupt? Denn ist es nicht so, dass Grippeimpfstoffe – zumindest hierzulande – derzeit noch in vorbebrüteten Hühnereiern produziert werden? Die Anzahl der Eier bestimmt unter anderem die produzierte Menge an Antigen – und somit auch die Menge der am Ende fertigen Grippeimpfstoffe. Ein grober Anhaltspunkt ist, dass pro Ei eine Impfdosis entsteht. Da diese Eier nicht gerade 08/15-Eier aus dem Tante-Emma-Laden nebenan sind, müssen diese perfekt ovalen, weißen Serumeier mit einem Gewicht zwischen 52 und 56 Gramm bereits rund 18 Monate vor der Grippesaison bestellt werden, in der der darin produzierte Impfstoff letztendlich zum Einsatz kommt.

Zeitpunkt der Vorbestellung: Antigenproduktion längst abgeschlossen

Allerdings stolpert man hier unweigerlich darüber, dass Ärzte und Apotheken ihren Grippeimpfstoffbedarf ja nicht anderthalb Jahre vorher, bereits zur Serumeibestellung, anmelden, sondern deutlich später. In diesem Jahr war dies laut GSK bis Ende Mai möglich, bei Sanofi konnten Apotheken sogar bis Ende Juni Grippeimpfstoffe vorbestellen. Wie passt das zusammen? Die Antigenproduktion beginnt laut GSK im Dezember des Vorjahres. DAZ.online erfuhr beim Besuch der Influsplit®-Produktion in Dresden, dass die Antigenherstellung im darauffolgenden Mai abgeschlossen ist. Welchen Einfluss haben also Vorbestellungen zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch? Mehr Antigen kann nicht mehr produziert werden, falls die Nachfragen nach Influenzavakzinen wider Erwarten exorbitant steigen würden.

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Wie wird ein Grippeimpfstoff produziert?

Fragt man GSK, so heißt es, dass das späte „Closing“ der Vorbestellfrist 2018 eine absolute Ausnahme war, geschuldet der gesetzlichen Änderung des AMVSG und der ausstehenden Entscheidungen einiger Kassenärztlichen Vereinigungen. „Normal ist: Bis Ende März muss die Bedarfsplanung abgeschlossen sein.“ Dennoch ist Mai wohl ein kritischer Zeitpunkt für die Grippeimpfstoffproduktion. Dr. Anke Helten von GSK erklärt, warum.

Abpackung wichtig für Spritzenmenge

„Der besagte Zeitpunkt ist für uns sehr wohl kritisch, weil wir neben der Antigenproduktion auch die Abfüllung und Verpackung planen müssen. Gerade die Verpackung (andere Länder, andere Packungen) ist für uns die letzte Gelegenheit bei geringer Nachfrage in einem Land, die abgefüllten Spritzen in eine andere Packung zu konfektionieren“. Somit entscheidet auch die finale Abpackung, welches Land wie viel Grippeimpfstoff erhält und nicht allein die produzierte Antigenmenge. Dabei orientiert man sich laut Helten „an der Menge vorbestellter Dosen, der Gesamtnachfrage in der Vorsaison und der Marktanteilsverteilung sowie dem Marktzugang.“

Zu letzterem Punkt: Sei der Marktzugang durch Verträge mit einer Verordnungssteuerung zu einem oder mehreren Anbietern blockiert, können die betroffenen KV-Regionen bei der Planung nicht berücksichtigt werden. So geschehen auch in dieser Grippesaison: Als einziger Influenzaimpfstoffproduzent ging Mylan auf das Festpreismodell der AOK Nordost in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ein und erklärte sich bereit, sein Influvac® Tetra zu dem im Nordosten vereinbarten Preis zu liefern.

Wie laufen bei Vorbestellungen bei GSK?

GSK beginnt im ersten Quartal mit der Vorreservierung beim Arzt. Die Nachfrage beim Arzt sei ein erster Anhaltspunkt, ob die Planung passe, erklärt die GSK-Sprecherin. Danach besuche man die Apotheken, die erfahrungsgemäß die georderte Menge der Ärzte noch einmal aufstocke. „Die Summe aus Arzt- und Apothekenreservierung ist essenziell für uns – darüber hinaus liefern wir noch Ware für den Markt – das aber erst später und mengenmäßig kleiner“, so Helten.

„Es muss unterschieden werden zwischen vorbestellter Ware und Saisonware. Vorbestellte Ware wird von uns primär ausgeliefert. Es gibt hier also eine höhere Sicherheit, Impfstoff zu erhalten. Saisonbestellungen können nur dann berücksichtigt werden, wenn nach Abzug der vorbestellten Impfdosen noch weiterer Impfstoff verfügbar gemacht werden kann. Wenn die Ausbeute bei der Produktion gering ist, verringert sich die verfügbare Saisonware“, so Anke Helten. Auch in der Saison könnten Apotheken jedoch Ware bestellen. Nun scheint aber in diesem Jahr exakt diese Situation eingetreten zu sein. Laut GSK, Sanofi und Mylan konnten alle Vorbestellungen bedient werden, nun hapert es an der Saisonware.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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